iPhone X:Apples Versprechen heißt Design

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Bloß keine Flecken: Ein Arbeiter in Peking reinigt ein Werbeplakat für Apples jüngstes iPhone. An diesem Freitag beginnt der Verkauf des Gerätes. Für Apple ist China nach wie vor ein wichtiger Markt. (Foto: Stephen Shaver/Imago)

Das Unternehmen gilt als besonders innovativ, seine Fixierung auf Gestaltung zieht die Kunden an - auch jetzt wieder beim iPhone X. Aber Apple ist auch äußerst effektiv.

Von Helmut Martin-Jung, München

Dieses Bild zum Beispiel: Der Hintergrund einfarbig, aber in einem poppigen Ton gehalten. Davor die schwarze Silhouette eines Menschen, der selbstvergessen zu Musik tanzt. Die Musik kommt aus einem kleinen Kästchen, aus dem weiße Kabel zu den Ohren des Tänzers führen. Manche Werbung preist nicht nur einfach etwas an. Nein, sie frisst sich regelrecht ins Hirn. Macht sich dort breit und lenkt die Konsumenten wer-weiß-wie.

Die einprägsame Werbekampagne für den Musikspieler iPod, die Apple-Gründer Steve Jobs übrigens erst abgelehnt, später dann als seine Idee reklamiert haben soll, sie ist nicht die einzige, die einem einfällt, wenn man an die Firma mit dem Apfellogo denkt. Das ist kein Zufall. Es gibt zumindest in der Tech-Branche kein zweites Unternehmen, bei dem die Produkte und die Art, sie zu präsentieren, zu bewerben, ähnlich miteinander verwoben zu sein scheinen wie bei Apple. Das ist auch beim jüngsten Hype-Produkt des Konzerns so, dem iPhone X, das von diesem Freitag an in begrenzter Stückzahl zu haben ist.

Es fängt an bei der Webseite mit ihrem klaren, wiedererkennbaren Design, geht über die Kult-artigen Special Events (so nennt Apple Produktpräsentationen) bis hin zu Details wie diesem: Die Mitarbeiter in den Ladengeschäften des Unternehmens müssen Laptops in einem Winkel von 104 Grad öffnen, also eigentlich ein bisschen zu weit. Das führt dazu, dass viele Ladenbesucher den Bildschirm in eine besser geeignete Sichtposition bringen. Wobei sie bemerken sollen, wie leicht und doch geschmeidig der dafür verantwortliche Mechanismus funktioniert, wie toll sich das Gehäuse anfühlt.

Das Unternehmen gibt weniger Geld für Forschung aus als vergleichbare Firmen

Die Präsentation, die der von Kunstobjekten gleicht, das quasi-religiöse Zeremoniell bei Produktvorstellungen, die ins Übermaß gesteigerte Aufmerksamkeit, die Apple dem Produktdesign widmet, die äußerst stilvoll gestalteten Verkaufsräume, stets in Bestlagen - all das sind Versprechen. Versprechen, etwas Besonderes zu bieten. Das würde jedoch auf Dauer nicht funktionieren, wenn Apple diese Versprechen nicht auch in vergleichsweise hohem Maß einlöste. Wenn es dann einmal nicht klappt, dann reicht die Kraft der perfekt gesteuerten Marketing-Maschine immer noch aus, um mögliche Defizite wenigstens in den Augen der treuen Fans bedeutungslos erscheinen zu lassen.

Vieles bei Apple geht ja zurück auf den 2011 gestorbenen Gründer Jobs. Der reiste schon Anfang der 1980er-Jahre eigens aus den USA in den Schwarzwald, um dort den Designer Hartmut Esslinger zu treffen. Dessen Arbeiten für den TV-Hersteller Wega hatten ihm gefallen. Es kursieren viele Geschichten darüber, wie pingelig Jobs bei vielen Design-Details war. Eine Schublade für ein CD-Laufwerk? Kam ihm nicht in den Mac. Sogar im Inneren sollten die Geräte aussehen wie ein Kunstwerk. Obwohl das allenfalls PC-Techniker bei der Reparatur zu sehen bekommen würden.

Keiner treibt es auf die Spitze wie Apple

Auch andere Technologiefirmen legen Wert aufs Design, aber keine treibt es so auf die Spitze wie Apple. Bei der Konkurrenz erkennt man öfters das Bemühen, doch dann ist eine hässliche Netzwerkbuchse hier, ein gruseliges Netzteil da. Apple nötigt seine Kunden lieber dazu, einen sündteuren Adapter für den Anschluss an ein Kabel-Netzwerk zu kaufen, als dass man das perfekte Design etwa eines Laptops mit einer gewöhnlichen Buchse verunstalten würde. Und Apple kann sich das auch leisten. Einige Kunden mäkeln zwar, sind auf ihr alufarbenes Designerstück dann aber doch mächtig stolz.

Ein ganz besonderes Kunststück ist, dass Apple als ein überaus innovatives Unternehmen wahrgenommen wird. Das ist nicht falsch, doch lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen. Man hat Apple in der Vergangenheit schon oft vorgeworfen, viel weniger Geld für Forschung und Entwicklung (F&E) auszugeben als andere Tech-Firmen. Steve Jobs kratzte das überhaupt nicht. Im Gegenteil. "Innovation", sagte er 1998, "hat doch nichts damit zu tun, wie viele F&E-Dollars man hat." IBM habe für die Forschung am PC hundert Mal mehr Geld ausgegeben als Apple für seinen Mac.

Ganz so ist das inzwischen nicht mehr. Zwar gibt Apple, gemessen am Umsatz, prozentual immer noch weniger für F&E aus als andere Tech-Firmen. Doch von 2010 bis 2016 stiegen diese Ausgaben nahezu um das Siebenfache, von gut 1,3 auf gut neun Milliarden Euro. Dieses Jahr werden die Ausgaben über die Marke von zehn Milliarden Euro klettern. Neue Produkte haben diese Kosten verursacht, die Apple Watch etwa, der vernetzte Lautsprecher HomePod, und mit Sicherheit einige, die übers Laborstadium nicht oder noch nicht hinaus gekommen sind. Aber Apple hat sich auch mächtig ins Zeug gelegt bei Prozessoren für seine Mobilgeräte.

Dass diese Kosten aber nicht noch wesentlich höher ausfallen, liegt auch am speziellen Verhältnis, das Apple zu seinen Zulieferern pflegt. Die stecken in einer Zwickmühle. Zum einen möchten sie natürlich gerne zu den Auserwählten gehören. Apple-Zulieferer zu sein, das kommt einer Art Ritterschlag gleich. Andererseits nehmen die Kalifornier ihre Zulieferer aber auch nach allen Regeln der Kunst an die Kandare. Es gilt zum Beispiel ein ziemlich rigoroses Schweigegebot. Und natürlich muss auch die Qualität stimmen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen viele Zulieferer heftig in Forschung und Entwicklung investieren.

So kann Apple sich mit den herausragenden Leistungen anderer brüsten. In der Branche weiß man zwar oft, wer da was liefert. Doch der Kunde sieht nur das Logo mit dem angebissenen Apfel. Aber sehr oft sind es die Zulieferer, die enorme Leistungen erbringen, um ihre jeweiligen Produkte zu entwickeln.

Die Kunden, das sind bei Apple überwiegend Konsumenten, das macht es dem Unternehmen noch einmal leichter, auf Faktoren wie Design und Coolness zu setzen. Die Organisation, die all diese coolen Designerstücke entwickelt, ist ihrerseits enorm auf Effizienz getrimmt - dafür hatte Gründer Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple seinen späteren Nachfolger Tim Cook geholt. Der organisierte das Verhältnis zu den Zulieferern um, verringerte Lagerkapazitäten. Außerdem beschränkte sich Apple lange Zeit auf einige wenige Produkte. In den vergangenen Jahren ist das Portfolio ein wenig erweitert worden, oft aber ergänzt ein Produkt das andere, so etwa die kabellosen Ohrhörer, die zum iPhone passen.

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© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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