Verfolgung von "Hassrede":Was hinter Macrons Deal mit Facebook steckt

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Facebook-Chef Mark Zuckerberg und Emmanuel Macron trafen sich im Mai in Paris. (Foto: dpa)
  • Frankreichs Regierung hat Facebook das Versprechen abgerungen, seine Strafverfolger auch bei Ermittlungen wegen krimineller "Hassrede" zu unterstützen. Dazu zählen Straftaten wie Beleidigung und Volksverhetzung.
  • Ermittler beklagen seit langem, dass es oft umständlich oder gar unmöglich sei, von Facebook Daten über Verdächtige zu erhalten.

Von Jannis Brühl, München

Die guten Kontakte zwischen Facebooks Konzernführung und Frankreichs Regierung zeitigen Ergebnisse. Ein Deal zwischen beiden soll französischen Gerichten eine VIP-Behandlung bei Ermittlungen wegen "Hassrede" garantieren. Es ist Facebooks erst Absprache dieser Art weltweit. Bislang kooperierte der Konzern nur zügig, wenn es um schwerste Straftaten wie Terrorismus ging oder Gefahr im Verzug war wie bei Kindesentführung.

Unter den schwierig zu definierenden Begriff "Hassrede" fallen unter anderem Straftaten wie Verleumdung und Volksverhetzung. Facebook erklärte nun: Gehe es um "Hassrede" jenseits der Grenze zur Kriminalität, werde man französische Sicherheitsbehörden nicht mehr auf das Rechtshilfeabkommen zwischen den zwei Ländern verweisen. Sie müssen nun nicht mehr umständlich den Umweg über ihre Justizministerien gehen. Frankreichs Digitalstaatssekretär Cedric O hatte die Vereinbarung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bekannt gemacht.

Es geht vor allem um E-Mail- und IP-Adressen. Über die können Ermittler einfacher zurückverfolgen, wer hinter einem Facebook-Konto steckt, von dem aus zum Beispiel jemand beleidigt wurde. Denn obwohl Facebook von seinen Nutzern fordert, ihren echten Namen anzugeben, lassen sich Konten über diese Namen oft keinem Verdächtigen zuordnen. "Man ist der Gnade von Facebook völlig ausgeliefert. Das ist für Ermittler extrem nervig", sagt Ulf Buermeyer, Richter und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die sich für bürgerliche Grundrechte einsetzt. Seine Meinung zu dem Deal: "Das ist eine Absichtserklärung von Facebook, dass sie gnädigerweise französisches Recht anerkennen. Gut für sie aus PR-Perspektive."

Für deutsche Ermittler sind die Antworten von Facebook oft unbefriedigend

Ein Streit tobt darüber, wie viel Verantwortung Unternehmen für Straftaten übernehmen müssen, die in ihren sozialen Netzwerken begangen werden. In Deutschland zwingt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz große Internet-Plattformen seit 2018, Anfragen der Behörden in 48 Stunden zu beantworten. Doch in der Praxis sind die Antworten oft unbefriedigend für Strafverfolger. Facebook verweise auf die Rechtshilfe der US-Regierung, klagen sie. Die anzufordern, dauere oft Monate. Straftaten konsequent zu verfolgen, sei so nicht möglich. Eine Vorzugsbehandlung wie die, die ihre französischen Kollegen nun genießen, bleibt deutschen Ermittlern versagt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Facebook-Chef Mark Zuckerberg haben sich schon mehrfach getroffen. Macron steht an der Spitze jener Politiker, die fordern, Tech-Konzerne schärfer zu regulieren. Er hat unter anderem ein scharfes Gesetz gegen bewusste Falschnachrichten in sozialen Medien durchgebracht. Zugleich verhandelt die EU-Kommission mit den USA über ein Abkommen, das den Austausch elektronischer Beweismittel vereinfachen soll.

Facebook gibt an, man habe im zweiten Halbjahr 2018 von deutschen Behörden 6802 Anfragen erhalten und in 57 Prozent der Fälle Daten übergeben. Das entspricht in etwa den Zahlen, die Rivale Youtube angibt. Facebook behält sich vor, eine Anfrage abzulehnen, wenn sie "zu weit gefasst ist, gegen Menschenrechte verstößt oder juristisch mangelhaft ist".

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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