"CyberSecurity-Gipfel" der Telekom:"Lasst uns nicht naiv sein"

Lesezeit: 3 min

Um Europa zu einem Kontinent zu machen, wo Menschen sorgenlos im Netz surfen können, muss noch einiges getan werden. (Foto: dpa)

Unternehmer und Politiker tauschen sich auf Einladung der Telekom über die Gefahren der digitalen Welt aus. Seit den Enthüllungen von Edward Snowden wächst in Europa der Unmut über die US-Sammelwut. Doch klar ist: Bis Europa ein Kontinent wird, wo Menschen sorgenlos im Netz surfen können, muss noch einiges getan werden.

Von Varinia Bernau

Er müsste sich das nicht antun. Er müsste nicht hier stehen - und gegen staatliche Spähattacken im Internet wettern. Überwachungen in einem Ausmaß, das, wie René Obermann sagt, "die Grenzen sprengt, was viele für möglich und ich für tolerierbar halte". Nicht einmal zwei Monate bleiben dem Mann noch an der Spitze der Deutschen Telekom. Er könnte es also ruhiger angehen. Aber dies ist wohl nicht die Zeit, ruhig zu bleiben.

Die Telekom hat nach Bonn zum "CyberSecurity-Gipfel" geladen, einer Konferenz, auf der sich Experten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft über die Gefahren in der digitalen Welt austauschen. Und die größte Gefahr, das ist nun zu spüren, ist das, was der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in den vergangenen Monaten enthüllt hat. Mit den Erkenntnissen über das Abzapfen sensibler Daten durch die amerikanischen und britischen Geheimdienste wächst bei vielen Europäern auch der Unmut.

Und das Vertrauen darin, dass die Worte von Howard Schultz, einst Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, wirklich Gewicht haben im Regierungsviertel von Washington: "Ich sage es jetzt, und ich habe es auch damals schon gesagt: Dass etwas technisch möglich ist, bedeutet nicht, dass wir es auch tun sollten."

Bei Neelie Kroes, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und für die digitale Agenda zuständig, ist bereits viel Vertrauen verloren gegangen - und sie zieht daraus ihre eigenen Schlüsse: Die Spionage sei bedauernswert, aber sie werde kein baldiges Ende haben. "Lasst uns nicht naiv sein. Lasst uns für einen guten Schutz sorgen", ruft sie den Teilnehmern der Konferenz zu. Wer ein gutes Schloss habe, der brauche keinen guten Anwalt mehr.

Obermann, der scheidende Chef der Deutschen Telekom, tut nun also, was er eben tun kann: Er zimmert eine Allianz für ein Netz zusammen, in dem sensible Daten Deutschland oder Europa nicht mehr verlassen. Im Sommer hat Obermann bereits andere Unternehmen für eine E-Mail made in Germany ins Boot geholt: E-Mails, die zwischen Anbietern wie T-Online, Freenet, web.de oder gmx.de verschickt werden, sind seitdem automatisch verschlüsselt - und sie lagern auf Großrechnern in Deutschland.

Nun wirbt Obermann dafür, dass der Datenverkehr zwischen Punkten in Europa nicht die regionalen Grenzen verlassen soll, eine Art "Schengen-Routing". Der Telekom-Boss wirbt für Vertrauen. Und er wirbt für eine europäische Koalition, die es zur Not auch ohne manch ein Land zu schmieden gilt. Ein Seitenhieb gegen die Briten, die in den vergangen Tagen ebenfalls durch einen äußerst neugierigen Geheimdienst aufgefallen sind. "Es geht nicht um die Renationalisierung des Internets, sondern um Verfahren, die anderswo längst praktiziert werden."

Eine E-Mail, die von New York nach San Francisco geschickt wird, verlässt die USA nicht. In Europa aber wird ein Datenpaket dort entlang geschickt, wo gerade Platz ist. So nimmt die E-Mail, die von einem Computer in Hamburg zu einem in Berlin geschickt wird, auch schon mal den Umweg über einen Internetknoten in England. Das ist schneller und billiger, was zwar dem Kunden zugutekommt - aber doch die Gefahr birgt, dass da jemand mitliest, der nicht mitlesen soll.

Aber reicht das schon?

Um Europa zu einem Kontinent zu machen, wo Menschen sorgenlos im Netz surfen können und ein besonders hoher Datenschutz oder eine besonders sichere Technologie zu einem Wettbewerbsvorteil auf dem weltweiten Markt werden, braucht es: mehr Anstrengungen für die Forschung und Entwicklung und einheitliche Standards, an die sich dann auch die US-Unternehmen halten müssen. Derzeit, beklagt Obermann, werde die Chancengleichheit ausgehöhlt. Auf der einen Seite die Unternehmen, die angeblich fair spielen - auf der anderen diejenigen, die die geltenden Regeln missachten und sich so zumindest kurzfristig einen Vorteil verschaffen. "Es ist ein Unding, wenn wir seit 20 Jahren einen gemeinsamen europäischen Markt haben, aber wir Industriespionage nicht ausschließen können."

Der Gipfel zeigt aber auch, wie weit so manche Forderung noch von der Wirklichkeit entfernt ist: Um ihre Kunden besser vor Angriffen aus dem Netz zu schützen, schließt die Telekom ausgerechnet ein Bündnis mit dem US-Anbieter RSA. Gewiss, das Unternehmen ist ein angesehener Spezialist in Sicherheitsfragen. Aber eben doch ein Unternehmen, das auch US-Behörden Auskunft geben muss.

Und der Gipfel beweist auch, dass in den USA der Unmut über das Treiben der dortigen Geheimdienste wächst. Als sich der Internetaktivist Jacob Appelbaum zu Wort meldet, entschuldigt er sich für sein Land. Und er bitte Europa, dem Whistleblower Edward Snowden Asyl zu gewähren. "Wenn ihr Snowden habt, dann habt ihr die Wahrheit." EU-Kommissarin Neelie Kroes zeigt sich skeptisch: "Müssen wir wirklich noch mehr wissen, um das zu tun, was wir zu tun haben?"

© SZ vom 12.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: