Bachelor-Reform:Kein Bedarf an Lernautomaten

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Auch die Arbeitgeber müssen für einen besseren Bachelor kämpfen. Ein Studium, das die Kreativität tötet, kann niemand wollen.

Tanjev Schultz

Immer wieder haben die Arbeitgeber nach jüngeren und besser ausgebildeten Absolventen gerufen. Schluss mit der Bummelei und dem Schlendrian an den Hochschulen! Das Studium sollte schneller, die Ausbildung praxisnäher werden. Die "Bologna-Reform" mit den kurzen Bachelor-Programmen kam den Wirtschaftsverbänden sehr gelegen.

Die Bologna-Reform sollte mehr Effizienz ins Studium bringen. Jetzt müssen auch Unternehmen erkennen, dass sie keine "Lernautomaten" als Berufsanfänger wollen. (Foto: Foto: AP)

Allzu laut will das derzeit aber niemand mehr sagen. Ernüchterung hat sich breit gemacht. Dazu haben nicht nur die Proteste der Studenten gegen den Prüfungswahn und die Verschulung des Studiums beigetragen. Manch ein Arbeitgeber fragt sich mittlerweile, was er eigentlich mit Absolventen anfangen soll, die zwar sehr jung, aber auch recht unerfahren sind. Die Gymnasialzeit wurde verkürzt, das Studium beschleunigt - die Turboabsolventen wissen oft noch gar nicht, was sie mit sich und ihrem Leben anfangen wollen.

Ein straffes Studium mit dem Bachelor als einem "berufsqualifizierenden Abschluss": Das klang nach Effizienz und Leistung. Nun aber merken die Firmen, dass den Studenten kaum noch Zeit für längere Praktika bleibt und sie vor lauter Notenstress wenig Mut und Muße haben, eigene Wege zu gehen. Ein Studium, das die Kreativität tötet, kann niemand wollen. Mit Bildung hat es nichts zu tun, ökonomisch schädlich ist es auch. Die Wirtschaft braucht kreative Geister, keine angepassten Streber, die jede Norm erfüllen, aber nichts Neues wagen.

Zu enges Korsett an Regeln

Der Personalvorstand der Telekom, Thomas Sattelberger, hat zu Recht davor gewarnt, Studenten zu bloßen "Lernautomaten" zu degradieren. Er habe große Sympathie für die demonstrierenden Studenten, bekennt Sattelberger. So kräftige Worte hätte man sich schon früher gewünscht. Manager wie Sattelberger haben die Studienreform mit allen ihren Schwächen jahrelang forciert. In vielen hochschulpolitischen Gremien haben Vertreter der Wirtschaft untätig zugesehen, wie die Bachelor-Studiengänge in ein viel zu enges Korsett an Regeln und Vorgaben gepresst wurden.

Ein Kerngedanke der Reform war und ist allerdings richtig: Nur ein Bruchteil der Studenten will Wissenschaftler werden. Die Hochschulen müssen das Studium so organisieren, dass es für alle eine Bereicherung ist, nicht nur für angehende Professoren.

In den Zeiten vor Bachelor und Master waren die Freiräume im Studium größer, es gab aber auch eine große Orientierungslosigkeit. Die Professoren pflegten ihre Steckenpferde, viele Studenten machten Examen, ohne überhaupt einen Überblick über das Fach gewonnen zu haben und die wichtigsten Themen und Theorien zu kennen. Falls sie denn überhaupt bis zum Examen kamen. Die Abbrecherquote war hoch, der Frust über unverbindliche Seminare und schlechte Betreuung immens.

Geist auf großen Löffeln

Es ist also beileibe nicht so, dass die Hochschulen ihren Studenten früher den Geist auf großen Löffeln verabreicht hätten. Der Zeitdruck war geringer, aber das bedeutet nicht, dass alle ausgiebig studiert hätten. Das Loblied, das einige heute auf den "Bummelstudenten" anstimmen, verfälscht die Geschichte. Das Studium war für viele schon vor der Studienreform ein einziger Krampf.

Die Hochschulen hatten sich, überfordert vom Ansturm der Massen, de facto zu Fernuniversitäten entwickelt: Studenten und Professoren distanzierten sich nicht nur innerlich. Ernsthafte Studien trieb man am besten allein und daheim. Nun ist das Pendel leider radikal umgeschlagen, und es herrscht ein Kontrollwahn mit rigider Anwesenheitspflicht und wenig Wahlmöglichkeiten.

Keine Schmalspurausbildung

Wenn jetzt die Studiengänge überarbeitet werden, muss die richtige Balance zwischen Verbindlichkeit und Freiheit gefunden werden. Der Bachelor sollte dann in der Regel erst nach acht statt nach sechs Semestern vergeben werden. Auch Unternehmer sollten darauf dringen, dass sich das Studium nicht in einer vermeintlich berufsnahen Schmalspurausbildung erschöpft. Die Firmen brauchen Mitarbeiter, die selbständig handeln und Verantwortung übernehmen können. Das lernt man nicht, wenn im Studium alles vorgekaut und anschließend brav geschluckt wird.

© SZ vom 14.12.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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