Werksschließung:"Ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen"

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Das ehemalige Ledvance-Lampenwerk in Augsburg. (Foto: Stefan Puchner/dpa)
  • 650 Mitarbeiter von Ledvance in Augsburg verlieren Ende 2018 ihre Jobs. Weitere Arbeitsplätze werden in Berlin abgebaut.
  • Der Leuchtmittelhersteller gehörte einst zu Osram und jetzt chiensischen Investoren.
  • Bei der Belegschaft herrscht Wut, weil man die Augsburger Werke nicht wie andere Standorte auch für die Produktion zukunftsträchtiger Produkte genutzt hat.

Von Christian Rost, Augsburg

Der Leuchtmittelhersteller Ledvance GmbH, ehemals Teil von Osram und heute Eigentum chinesischer Investoren, will bundesweit 1300 von 2400 Arbeitsplätze abbauen und die Werke in Augsburg und Berlin schließen. Das erfuhren die Beschäftigten am Montag in einer Betriebsversammlung in Augsburg von der Geschäftsleitung. Während in Berlin 220 Menschen von diesem radikalen Schnitt betroffen sind, verlieren Ende 2018 in Augsburg 650 Mitarbeiter ihre Jobs. Auch die Standorte in Eichstätt und im nordrhein-westfälischen Wipperfürth sind von den Kürzungsplänen betroffen, sie sollen aber nicht aufgelöst werden.

Arbeitnehmervertreter und IG Metall kritisieren die Pläne scharf und wollen mit jedem Mittel "Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verhindern", wie Willi Sattler, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, ankündigte. Im bayerischen Wirtschaftsministerium indes ist man skeptisch, dass das Ende der Standorte noch abgewendet werden kann. Die Nachfrage nach den in Augsburg hergestellten Produkten sei gesunken, hieß es. Angeblich fuhr Ledvance zuletzt einen hohen zweistelligen Millionenverlust ein. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) bezeichnete den Verlust von so vielen Arbeitsplätzen als "harten Schlag".

Als die Betriebsversammlung Montagmittag nach nur 20 Minuten beendet war, verließen Hunderte Menschen die ehemalige Werkshalle von Osram in Augsburg und gingen zurück an ihre Arbeitsplätze. Frauen mit Tränen in den Augen und Männer mit ernsten Gesichtern bildeten gleichsam einen Trauerzug entlang der Berliner Allee, an der sich die Fabrikgebäude am Lechufer aneinanderreihen. Die Mitarbeiter sind erschüttert über den drohenden Verlust ihrer Arbeitsplätze, und sie sind wütend auf das Management von Ledvance, das ihnen erklärte, die Produktion von Leuchtstoffröhren habe keine Zukunft mehr.

Wut herrscht in der Belegschaft deshalb, weil man die Augsburger Werke nicht wie andere Standorte auch für die Produktion zukunftsträchtiger Produkte wie Leuchtdioden genutzt hat. Nur in kleinen Mengen werden hier LEDs hergestellt, mit denen sich auf dem sich wandelnden Beleuchtungsmarkt noch Geld verdienen lässt. Ein Fertigungsmechaniker, der seinen Namen nicht nennen will, unterstellt der Geschäftsleitung, sie habe bewusst nicht in Augsburg investiert, um die Situation eskalieren lassen zu können. Auch seitens der IG Metall heißt es, es sei offensichtlich, dass die neuen chinesischen Eigentümer sich nur einen Marktzugang nach Deutschland und Europa hätten sichern wollen. Von Ledvance gab es zunächst keine Stellungnahme zu den Werksschließungen und den Hintergründen.

Die Firma war einst Teil der früheren Siemens-Tochter Osram. 2016 trennte sich Osram von seinem traditionellen Lampengeschäft, in dem rund 9000 Menschen an 120 Standorten in aller Welt beschäftigt waren, und verkaufte die Firma an ein chinesisches Konsortium: Neue Eigentümer wurden MLS, ein Hersteller von Leuchtdioden, der auf Wagniskapital spezialisierte Investor IDG Capital sowie der Finanzinvestor Yiwu. In Augsburg hatten die Mitarbeiter zunächst gehofft, dass ihr Werk durch den Verkauf besser für die Zukunft aufgestellt wird. "Sie sagten uns, dass sie keine Schweinereien mit uns vorhätten", erinnert sich Dietmar Vetter, seit 23 Jahren Betriebselektriker bei Ledvance. "Jetzt haben wir die Schweinereien, und ich werde arbeitslos", so der Vater von zwei kleinen Kindern weiter. "Alles, was du geleistet hast, ist nichts mehr wert."

Auch andere Mitarbeiter berichten, dass in Augsburg zunächst neben den Leuchtstoffröhren noch Energiesparlampen gefertigt worden seien. Dieser Bereich wurde aber eingestellt. "Und niemand hat sich darum gekümmert, dass etwas Neues hergeht", sagt ein Arbeiter im Vorbeigehen und zeigt auf die Werkshallen. "Die haben alle Vorschläge niedergebügelt." Der Mann ist völlig frustriert, dass er nach 30 Jahren in der Firma einfach vor die Tür gesetzt wird. Er ist 50 Jahre alt und glaubt nicht, dass er im Fertigungsgewerbe im Raum Augsburg noch einmal einen festen Job bekommt. 50 bis 60 Kilometer und mehr werde er fahren müssen, um künftig überhaupt noch Arbeit zu finden - "und das nur noch als Leiharbeiter". Für jemanden, der sich ein Leben aufgebaut habe, eine Familie ernähren und Kredite abzahlen müsse, seien diese Aussichten eine Katastrophe, meint er und ringt sichtlich um Fassung.

Angela Steinecker hat den Standort Augsburg noch nicht aufgegeben. "Wir werden eine Schließung nicht akzeptieren", sagt die für Ledvance zuständige Unternehmensbeauftragte der IG Metall. Steinecker fordert ein Zukunftsprogramm und "vernünftige Lösungen" für die Werke. Michael Leppek, erster Bevollmächtigter der Metallgewerkschaft für Augsburg, spricht ebenfalls von einem Kampf um den Standort. Diesen "Schlag ins Gesicht der Betroffenen" werde man nicht akzeptieren. Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Andreas Jakob kritisiert, dass keinerlei Alternativvorschläge zu einem "Kahlschlag-Szenario" gemacht worden seien. Deshalb wollen die Arbeitnehmervertretern zunächst mit Sachverständigen über die Möglichkeit einer Fortführung des Betriebs sprechen, erst danach sind sie bereit für Gespräche mit dem Unternehmen.

OB Gribl will einen runden Tisch mit der Arbeitsagentur, den Wirtschaftskammern und der Gewerkschaft einberufen, um Hilfsangebote zu erarbeiten. Damit hatte die Stadt schon 2011 versucht, nach der Insolvenz des Druckmaschinenherstellers Manroland die Folgen für die Belegschaft abzumildern. Das Unternehmen wurde letztlich aufgespalten und existiert in Teilen fort. 140 Mitarbeiter verloren aber ihre Arbeitsplätze.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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