Verbal-Attacken zur Eurokrise:Warum die CSU auf einem schlechten Weg ist

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Dobrindts koalitionsfeindliche Sätze sind mehr als das übliche Geholze eines CSU-Generals: Sie passen in ein Verhaltensmuster etlicher CSU-Größen, das man fast schon als Strategie bezeichnen kann. Die Partei soll gleichzeitig Regierungs- und Oppositionspartei im Bund sein, sie soll für und gegen den Euro streiten, sie regiert mit und gegen die FDP. Unter Horst Seehofer ist die CSU zu einem Verein ohne Standort geworden.

Kurt Kister

Aus manchem CSU-Generalsekretär ist etwas geworden. Die einstigen Generale Strauß und Stoiber bestimmten die Politik im Freistaat und gestalteten die im Bund mit; andere wurden Minister in Bonn oder München (Zimmermann, Huber); wieder andere waren wenigstens pittoresk wie Tandler oder Guttenberg. Im Sinne Bayerns und sogar im Sinne der CSU kann man nur hoffen, dass aus dem gegenwärtigen Generalsekretär nicht mehr wird als das was er jetzt schon nicht sein sollte.

Dobrindts beste Sprüche
:"Das faulste Ei in der deutschen Politik"

Alexander Dobrindt geht als Minister nach Berlin. Als CSU-Generalsekretär hat er seinem Ruf als Haudrauf alle Ehre gemacht. Seine verbalen Ausfälle.

gesammelt von Anna Fischhaber

Alexander Dobrindt beleidigt den EZB-Chef Mario Draghi als "Falschmünzer", was ein strafrechtlich relevanter Vorwurf ist, hält Griechenland partiell für einen Betrüger-Staat und schießt seit Wochen direkt und indirekt gegen Merkels Euro-Politik. Dobrindt tritt auf, als sei er eine Mischung aus Gertrud Höhler und Wolfgang Kubicki, stets bereit auf alles, vor allem auf Verbündete, zu schimpfen. Seine praktischen Vorschläge ("ein Marshallplan für Griechenland") erinnern an die bayerische Großpolitikerin Gabriele Pauli.

Alten Kämpen wie Theo Waigel und Edmund Stoiber ist dies peinlich, viele Mitglieder der CSU-Landesgruppe in Berlin und fast alle CSU-Europaabgeordnete distanzieren sich von Dobrindt. Horst Seehofer hat gegen Dobrindts Schrotschuss-Politik zunächst nichts unternommen, was bedeutet, dass er sie de facto gebilligt hat. Nun hat er eine Erklärung veröffentlicht, die Dobrindt auf den ersten Blick bestärkt, auf den zweiten Blick aber moderat tadelt.

Vermutlich wird Dobrindt die nächsten Tage etwas stiller werden. Trotzdem will es der Übertaktiker Seehofer allen recht machen - möglichst vielen Wählern, den Flügeln seiner Partei, der Kanzlerin und seinem Generalsekretär.

Dies hängt auch mit der Situation der CSU in Bayern zusammen. Bei der nächsten Landtagswahl kann die Partei auf die Freien Wähler als Koalitionspartner angewiesen sein. Das hat weniger mit der landesweit eher stumpfen Strahlkraft des SPD-Spitzenkandidaten Ude zu tun, der daran zu scheitern droht, dass Schwabing weder in Mittelfranken noch im Allgäu liegt.

"Exempel an Griechenland statuieren"

Es könnte aber für die CSU trotzdem nicht zur eigenen Mehrheit reichen und außerdem droht ihrem Koalitionspartner FDP auch in Bayern der Rösler-Rutsch unter die Fünf-Prozent-Hürde. Eigentlich gelten die Freien Wähler als pragmatische Alternative zur im Land immer noch überpräsenten CSU. Aber sie haben auch einen angedobrindteten Vorsitzenden namens Hubert Aiwanger, der Deutschland vor dem Euro retten will und sich darüber wundert, dass die NPD das gut findet.

Dobrindts koalitionsfeindliche Sätze sind mehr als das übliche Geholze eines CSU-Generals, wie man es früher zum Beispiel von Markus Söder gehört hat. Zwar wirkt auch der manchmal so als denke er mit den Hirschhornknöpfen am Trachtenjanker (den er als Franke eigentlich gar nicht tragen sollte), zum Beispiel wenn er ein "Exempel an Griechenland statuieren" will.

Allerdings passt auch das in ein Verhaltensmuster etlicher CSU-Größen, das man fast schon als Strategie bezeichnen kann: Die CSU soll gleichzeitig Regierungs- und Oppositionspartei im Bund sein, sie soll für und gegen den Euro streiten, sie regiert mit und gegen die FDP. Die CSU, zu Straußens und Stoibers Zeiten eine Partei mit Standort, ist unter Horst Seehofer zu einem Verein geworden, der auf dem weiten Feld möglicher Standorte munter surft. Dobrindt ist für diesen Kurs nur der auffälligste Windmacher.

Aus Paris oder Brüssel gesehen, muss man Dobrindt nicht ernst nehmen. Er ist nur einer von vielen obskuren Amtsträgern einer dieser europäischen Kleinparteien wie etwa der spanischen Coalición Canaria, der italienischen Lega Nord oder eben der CSU: etwas Irredentismus, Abscheu gegen "Brüssel", Warnung vor Gleichmacherei.

In Europas Hauptstädten weiß man, dass die Schuldenkrise und die widerstreitenden Interessen alle Arten von Verbalakrobaten auf den Plan rufen. Viele von ihnen schwärmen von einer Vergangenheit, die es nie gegeben hat oder ergehen sich in Neo-Heimattümelei, die sie gern als Sorge um die Souveränität der Nationalstaaten tarnen.

Weil die CSU auf dem schlechten Wege ist, ihre Europakompetenz zu verspielen, muss sie allerdings in Berlin durchaus ernst genommen werden - gerade von der CDU. Selbst wenn die Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ihre Dobrindts nicht anders beurteilt als dies Angela Merkel tut, bleibt die Tatsache, dass die CSU in Sorge um ihre eigene Zukunft in alle Richtungen auskeilt.

Übrigens: Es kann der Tag kommen, an dem eine Ausdehnung der CDU nach Bayern verbunden mit einer natürlichen Schrumpfung der CSU eine interessante Option werden kann - für die Union insgesamt wie für den Freistaat.

© SZ vom 28.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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