Umstrittener Anruf in der "Heute"-Redaktion:"Erbärmliches Verständnis von Pressefreiheit"

Hat ein CSU-Sprecher ernsthaft versucht, die Berichterstattung über den politischen Gegner zu verhindern? Hans Michael Strepp gerät nach seinem umstrittenen Anruf in der "Heute"-Redaktion in die Bredouille. ZDF-Chefredakteur Peter Frey fordert eine Erklärung, die SPD drängt auf "lückenlose Aufklärung". Und im Netz ergießt sich der Spott über die Christsozialen.

CSU-Sprecher Hans Michael Strepp

Steht in der Kritik: CSU-Sprecher Hans Michael Strepp.

(Foto: SEYBOLDTPRESS)

Bei den Pressekonferenzen mit seinem Chef Horst Seehofer hat Hans Michael Strepp seit einiger Zeit ein Notizbuch mit der Aufschrift: "Das können Sie alles senden" dabei. Es ist der Renner im CSU-Shop, nachdem Seehofer im Sommer in einem ZDF-Interview seinen Frust über den damaligen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) freien Lauf ließ.

Mit den Worten "Das können Sie alles senden", gab Seehofer auch jene Passagen zur Ausstrahlung frei, als Moderator Claus Kleber und er längst ins Plaudern geraten waren. Eine absolute Seltenheit.

Nun sieht es so aus, als habe Strepp versucht, eine ZDF-Sendung zu verhindern - oder zumindest einen Bericht über den Parteitag der bayerischen SPD.

Dieser Anruf hat für jede Menge Wirbel gesorgt und Strepp jede Menge Kritik eingebracht. Nun fordert auch der Sender eine Stellungnahme von dem CSU-Sprecher. Strepp müsse die Frage beantworten, warum und mit welcher Intention er direkt in der Redaktion angerufen habe, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Er sei mit der Reaktion der Kollegen sehr zufrieden: "Wir senden, was wir senden, egal wer anruft. Die heute-Redaktion hat ihre Unabhängigkeit bewiesen."

Es ging um einen wichtigen Tag für die Bayern-SPD. Am vergangenen Sonntag kürten die Sozialdemokraten in Nürnberg den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013.

Zwei Tage zuvor standen noch die Christsozialen im Fokus der Öffentlichkeit. Bei ihrem Parteitag am Freitag und Samstag war die Bundeskanzlerin aufgetreten, es war ein harmonisches Zusammentreffen - und offenbar war der CSU sehr daran gelegen, dass dieses Bild nicht von der Berichterstattung über den politischen Gegner beeinträchtigt wird.

Wie die SZ aus übereinstimmenden Quellen erfuhr, rief Parteisprecher Strepp am Sonntagnachmittag in der heute-Redaktion an. Seine Forderung: Die Sendung um 19 Uhr möge bitte nicht über den Landesparteitag der SPD berichten. Die ARD tue dies auch nicht. Berichte das ZDF dennoch, werde dies "Diskussionen nach sich ziehen".

Das ZDF berichtete trotzdem über den Parteitag der Bayern SPD, ebenso die Tagesschau. Und nachdem der Anruf Strepps in der Öffentlichkeit diskutiert wird, hat sich nun auch Parteichef Horst Seehofer geäußert. Der Versuch einer Einflussnahme auf das ZDF durch die CSU-Zentrale wäre nicht zu tolerieren, sagte der Ministerpräsident und Parteichef am Rande der Münchner Medientage. "Es wäre auch inakzeptabel", betonte Seehofer. Er selbst habe niemanden angewiesen. Strepp habe ihm versichert, dass die Darstellung, er wolle die Berichterstattung verhindern, nicht zutreffe.

Im Internet wird die CSU derweil für den unglücklichen Vorstoß ihres Sprechers verspottet. "Peinlich, peinlich. Offenbar war da auch bei der CSU der Rubikon überschritten", twittert die bayerische ÖDP am Mittwoch. Ralf Stegner, Chef der schleswig-holsteinischen SPD, schlussfolgert, ebenfalls auf Twitter: "Da hilft nur: Endlich abwählen". Und die Redaktion des BR-Magazins Quer twitterte in Anspielung auf das berühmte Seehofer-Interview mit Heute-Journal-Moderator Claus Kleber: "Wer sagte nochmal 'Das können Sie alles senden" zum @ZDF? Niemand aus der #CSU oder?'"

Ude: "Dermaßen trottelhaft"

Empört reagiert die Bayern-SPD. Deren Landesvorsitzender Florian Pronold spricht von "versuchter Zensur" und fordert CSU und ZDF auf, den Vorgang lückenlos aufzuklären: "Die vermeintliche 'Staatspartei' CSU hat immer noch nicht begriffen, dass sie keinen Einfluss auf öffentlich-rechtliche Sender nehmen darf."

Spott kommt von Spitzenkandidat Ude: "Das zeigt, dass die CSU unsere Zweifel an den Meinungsumfragen teilt", spottete der Münchner OB. Diese sehen bisher die CSU klar in Führung vor der SPD. Ude verlangte Aufschluss, "ob hier wirklich erstmals die komplette Berichterstattung unterbunden werden sollte". Der Wortlaut von Strepps Gespräch müsse rekonstruiert und dem Verwaltungsrat des ZDF vorgelegt werden. Erst danach werde klar sein, welche Konsequenzen die CSU ziehen müsse. In dem Fall habe sich die CSU "dermaßen trottelhaft" verhalten, dass er es kaum glauben könne, sagte Ude. "Das ist doch früher etwas raffinierter gemacht worden."

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles verlangte Konsequenzen. "Ein Pressesprecher, der die Pressefreiheit nicht kennt, ist in einer demokratischen Partei nicht haltbar", sagte sie in Berlin.

Bayerns grüner Landesvorsitzender Dieter Janecek attestiert der CSU unterdessen ein "erbärmliches Verständnis von Pressefreiheit". Wer freie Meinungsäußerung unterbinden wolle und den Respekt vor Andersdenkenden vermissen lasse, habe kein demokratisches Staatsverständnis.

Für "skandalös" hält der Deutsche Journalistenverband den Vorgang. "Der Versuch der CSU-Pressestelle, beim ZDF einen Informationsboykott des politischen Gegners zu erwirken, ist mit dem Gebot der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht vereinbar", sagte der Bundesvorsitzende Michael Konken.

Strepp selbst wollte sich der SZ gegenüber telefonisch nicht äußern. Er schrieb stattdessen in einer E-Mail, die Darstellung entspreche "nicht den Tatsachen, und ich widerspreche ihr entschieden". Der Mail fügte er einen Brief an, den er dem stellvertretenden ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen geschickt hatte. Darin bestätigte Strepp zwar sein Telefonat mit dem diensthabenden Redakteur, bestritt aber den Versuch der Einflussnahme: "Die Berichterstattung des ZDF ist bekanntermaßen von einer Unabhängigkeit geprägt, bei der sich bereits jeder Gedanke an eine Beeinflussbarkeit verbietet."

Hans Michael Strepp gehört nicht zu jenem Typ Pressesprecher, die ihre Chefs bremsen, die unruhig auf dem Stuhl hin- und her rutschen, wenn ihr Vorgesetzter mal vom Sprechzettel abweicht. Das liegt auch daran, dass Seehofer selbst sein bester Sprecher ist. Für den CSU-Chef ist Strepp mehr Stratege als Sprecher.

Der 44-Jährige sitzt in den wichtigen Runden dabei oder lässt sich danach informieren. Im Vergleich zu vielen anderen Sprechern im Politikbetrieb weiß er wirklich, was gerade Sache ist. In die zentralen Strategiedebatten schaltet er sich ein. Bevor der Jurist im Jahr 2006 CSU-Sprecher wurde, hatte der Familienvater in der bayerischen Staatskanzlei gearbeitet. Davor war er Staatsanwalt und Richter.

Seehofer sprach bei seinem Auftritt in München neben der Causa Strepp übrigens noch über ein weiteres Thema: Bei der Eröffnung der Medientage forderte er "mehr Freiheit" für die Medien in Deutschland und "so wenig politische und rechtliche Hürden wie nötig".

Es war auch Strepp, der damals begonnen hatte, den offenherzigen Seehofer als Marke zu etablieren. Seehofer traut sich, Klartext zu reden. Das war die Botschaft.

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