Tierschutz:Eine Bleibe für geschmuggelte Raubkatzen

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Wenn Zoos oder Wildparks die Tiere ablehnen, kommen sie ins Raubtierasyl in Wallersdorf. Doch selbst dort sind die Exoten nicht ideal untergebracht.

Von Tim Sauer

Stille. Kaum eine Menschenseele verirrt sich hier auf die Straße. Der Weg nach Wallersdorf ist schmal, ein einzelnes Auto kommt entgegen. Man muss sich schon weit Richtung Böschung drücken, um Platz zu machen. Linker wie rechter Hand weitläufige Felder, ein paar Bäume und nur in einiger Entfernung eine Handvoll Häuser.

Die Szenerie lässt nicht vermuten, welche Urgewalten in unmittelbarer Nähe lauern. Etwa sieben Kilometer südlich von Ansbach liegt das "Raubkatzenasyl". Hier leben Tiere, deren Begegnung für den Menschen schnell tödlich enden kann. Auf einem Grundstück mit einigen Gehegen, Baracken und Hütten, die aussehen, als wären sie provisorisch angebracht - als hätte ein Kind seinen Lego-Zoo schlampig aufgebaut.

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Doch all das sollte nicht hinwegtäuschen über die Einmaligkeit, die diesen Ort auszeichnet. Olaf Neuendorf steht an der Tür, begrüßt und führt über das Grundstück. Man folgt verwinkelten Wegen und hört oder sieht zunächst mal nichts von Tiger oder Puma. Nur bei aufmerksamem Lauschen ist ein unheilvolles Brummen vernehmbar.

Augenkontakt mit Tigerweibchen Chiara

Neuendorf öffnet kurz nacheinander zwei Türen und plötzlich blickt einem das elfjährige Tigerweibchen Chiara in die Augen. Nur durch ein Gitter getrennt, steht es vor einem und visiert den Besucher an. Ein wahrhaft atemberaubendes Erlebnis.

Es besteht keine Gefahr und doch kann man erahnen, mit welcher Kraft das Tier seiner Beute begegnet. "Ich würde Sie bitten, Ihre Finger nicht durch den Zaun zu stecken. Sonst müsste ich später zwar weniger verfüttern, aber Sie würden einige Finger verlieren", warnt Neuendorf.

Er kennt seine Tiere, kann sogar mit ihnen kommunizieren: Wenn er schnurrt, brummelt Chiara zurück. Kein Wunder - seit nunmehr 25 Jahren ist Neuendorf hier im Raubkatzenasyl. Zu Beginn betrieb ein Architekten-Ehepaar die Einrichtung. Privat. Sie hielten die Tiere mit Genehmigung.

Beschlagnahmte Exoten

Mittlerweile ist die Anlage spendenfinanziert unter der Hand des gemeinnützigen Vereins Exoten- und Raubkatzenasyl. Neuendorf ist Vorsitzender. Bei der täglichen Arbeit helfen ihm normalerweise drei weitere Menschen - Praktikanten oder Bundesfreiwillige. Er selbst ist an mindestens fünf Tagen in der Woche hier und kümmert sich um die Tiere.

Er nimmt solche Tiere auf, die nicht legal gehalten werden. Die Exoten werden im Zirkus, bei Privatpersonen oder Schmugglern, welche die Tiere auf dem Schwarzmarkt loswerden wollen, beschlagnahmt. Die Behörden haben im Anschluss die Pflicht, sie unterzubringen. "Einfach einschläfern geht nicht", sagt Neuendorf.

Viele Möglichkeiten gibt es nicht: Zoos nehmen die Tiere oft nicht auf, weil sie nicht reinrassig sind, als einzige Alternativen bleiben da Wildparks und eben das Raubkatzenasyl. Viele Plätze stehen also nicht zur Verfügung, und die Zukunft der Tiere ist meist besiegelt. Da sie in keinem Arterhaltungsprogramm untergebracht werden können, ist es nicht möglich, sie wieder in die Wildnis zu entlassen.

Eine Tonne Frischfleisch im Kühlhaus

Ein Lebensabend in Ansbach ist unvermeidlich. Man kann das wohl unter dem Begriff "geringeres Übel" zusammenfassen. Freilich sind die engen Gehege keine ideale Unterbringung. Alternativen gibt es dennoch keine und den Tieren geht es besser, als es ihnen dort ging, wo sie herkommen.

Die Einrichtung ist einmalig in Deutschland - zu 100 Prozent spendenfinanziert. Das nächste Dilemma: Neuendorf würde die Anlage gerne modernisieren, aber er kann nicht. Die Investitionen bekommt der Verein nicht gestemmt. Stolze 8000 Euro Kosten kalkuliert Neuendorf pro Monat. Kein Wunder: Er führt zum Kühlhaus und öffnet die Tür: Eine Tonne Frischfleisch liegt da im Durchschnitt auf Lager - Platz wäre sogar für bis zu drei Tonnen.

Tierschutz und Artenvielfalt
:"Zoos passen nicht mehr in unsere Zeit"

Zoos werben damit, dass sie uns Tiere näherbringen und die Artenvielfalt fördern. Zuletzt tötete ein Besucher ein Nilpferd im Frankfurter Zoo mit einem Tennisball, den er ihm aus Jux in den Rachen warf. Für Zookritiker Colin Goldner ist der Fall nur die Spitze des Eisbergs. Er spricht den Tierparks jeglichen Nutzen ab.

Von Markus C. Schulte von Drach

Pro Tag verzehren die fünf Tiger etwa 35 Kilo, der Puma immerhin drei. Das will bezahlt werden. Deshalb veranstaltet der Verein auch einen monatlichen Tag der offenen Tür. Bis zu 800 Besucher zählt Neuendorf; viele von ihnen spenden. Und der Vorsitzende betont: "Jeder Euro ist wichtig."

Man kommt den Tieren so nah wie sonst kaum

Der Besuch im Raubkatzenasyl ist mit einem Nachmittag im Zoo aber nicht zu vergleichen. Den Eventcharakter kommerzieller Tiergärten sucht man vergebens. Keine Kinderspielplätze, Popcornmaschinen oder Biergärten trüben den Blick aufs Wesentliche: die Tiere. Man kommt ihnen so nah wie sonst kaum.

Und dennoch ständiger Begleiter: das Gefühl, dass Tiger, Affen oder Füchse hier nicht hingehören, aber bleiben müssen. Denn es handelt sich eben nicht um einen normalen Zoo, sondern um eine Einrichtung, die Tieren das Leben rettet, ihnen aber kein wirklich artgerechtes bescheren kann.

Einen Besuch wert ist das Raubkatzenasyl dennoch. Weitere Informationen gibt es unter www.raubkatzenasyl.de. Besichtigungen außerhalb der Tage der offenen Tür sind mit Olaf Neuendorf unter Telefon 0981 / 466 346 83 oder über seine E-Mail o.neuendorf@raubkatzenasyl.de direkt zu vereinbaren.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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