Studie:Wechselnde Wähler

Lesezeit: 2 min

SZ-Grafik; Quelle: Hanns-Seidel-Stiftung (Foto: df)

Viele Bayern wollen sich nicht mehr an nur eine Partei binden

Von Wolfgang Wittl, München

Der Wähler, das unbekannte Wesen - und je mehr er ausgeleuchtet wird, desto widersprüchlicher scheinen seine Absichten zu sein. Auf diesen Nenner lässt sich eine repräsentative Umfrage bringen, die von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in Auftrag gegeben wurde. "Wie bewertet der Wähler Parteien und das Parteiensystem in Bayern?" lautete die Frage, die das Forschungsinstitut GMS erörtern sollte. Die Ergebnisse erstaunen. So gehört der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Wohlbefinden der Menschen offenbar endgültig der Vergangenheit an.

Zwar beurteilen 60 Prozent der Bayern die wirtschaftliche Lage positiv und sogar noch mehr ihre eigene finanzielle Situation. Trotzdem verspüren fast 70 Prozent einen Anlass zur Beunruhigung, die Hälfte der Menschen im Freistaat blickt der Zukunft mit Befürchtungen entgegen - eine im Vergleich zu früheren Studien "noch nie gemessene Diskrepanz zwischen einer extrem positiven Sicht der Wirtschaftslage bei einem gleichzeitigen Höchststand allgemeiner Sorgen und Zukunftsängste", wie die Hanns-Seidel-Stiftung mitteilt. Was damit zu tun haben dürfte, dass die Themen Sicherheit/Terror (88 Prozent) und Flüchtlinge/Zuwanderung (84) alles überlagern. Die Schlussfolgerung von GMS-Chef Helmut Jung: "Wer soziale Gerechtigkeit zum Hauptthema für den Wahlkampf machen will, liegt vielleicht nicht ganz richtig."

Aber wer weiß schon genau, was der Wähler will? Eine Erkenntnis: Er will sich immer weniger an nur eine Partei binden. Stammwähler nehmen ab, Wechselwähler nehmen zu. Fast zwei Drittel aller Bayern können sich vorstellen, ihr Kreuz nicht nur bei ihrem derzeitigen Favoriten zu machen, sondern mindestens noch bei zwei anderen Parteien. Die Bereitschaft, an Wahlen teilzunehmen, nimmt indes rapide ab. Die Zahl der Menschen, die regelmäßig ihre Stimme abgeben, sank von 2010 (67 Prozent) bis heute fast um die Hälfte.

Das größte Wählerpotenzial in Bayern hat mit 64 Prozent die CSU, das sind neun Punkte weniger als 2005. Danach folgen Grüne (48) und die AfD (43). Die SPD (40) liegt nur auf Platz vier, knapp vor der FDP (39) und vor den Freien Wählern (26). Nur etwa jeder fünfte Bayer hält die Volksparteien für ein Auslaufmodell, zwei Drittel aber werfen ihnen zu viele faule Kompromisse und Schwerfälligkeit vor. Die Monopolstellung der Volksparteien sei zwar weg, sagt Jung, das heiße für den Wähler jedoch nicht: "Wir brauchen sie nicht."

Mit der Demokratie zeigt sich nur noch knapp die Hälfte der Menschen zufrieden. Eine Fortsetzung der großen Koalition im Bund sehen die Bayern zwiespältig, gleichzeitig wünschen sich viele eine stabile Zweierkoalition mit gleich starken Partnern. Ein Widerspruch? "So zerrissen sind die Wähler in sich", sagt Jung. Auch deshalb plädiert er für eine Politik der klaren Konzepte. Früher hätten sich die Wähler leichter getan: "Bei den einen konnten sie Gemüse kaufen, bei den anderen Fleisch." Heute sei das Angebot sehr gemischt. Für die Parteien bedeutet das eine Gratwanderung: Werden sie zu konkret, laufen sie wiederum Gefahr, Wähler zu verprellen - etwa durch Versprechen, die sie nicht einhalten. Wie die Politik mit den Zahlen umzugehen habe? "Da gibt es sicher unterschiedliche Antworten", sagt Stiftungsvorsitzende Ursula Männle: "Aber Hauptsache, es gibt Antworten."

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: