Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung:So ticken junge Bayern

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Privates kommt vor Politik und Weltgeschehen. Illustration: Sead Mujic​ (Foto: Bay2)
  • Für eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wurden 7000 Männer und Frauen zwischen 18 und 40 Jahren in Bayern befragt.
  • Nur elf Prozent der jungen Frauen in Bayern interessieren sich "sehr stark oder stark" für Politik. Bei den Männern sind es dreimal so viele.
  • Generell sind Dinge wie Familie, Freunde und finanzielle Unabhängigkeit wichtige Themen.

Von Dietrich Mittler, München

Sie wollen anders sein als die Anderen, wünschen sich Kinder, haben Angst vor Krieg, Terroranschlägen, Armut und Einsamkeit, sind oft stolz auf ihre bayerische Herkunft. Doch ihr politisches Interesse ist äußerst gering. Dies geht aus der neuen Studie "Lebensentwürfe junger Frauen und Männer in Bayern" hervor, die demnächst vom "BayernForum" der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht wird. Rund 7000 Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren wurden von den Autorinnen der Studie gefragt, wie sie sich selbst und die Welt sehen.

Manche Ergebnisse haben das Team rund um die in Berlin tätige Professorin Jutta Allmendinger bestürzt - so etwa die Feststellung, dass nur elf Prozent der Frauen angaben, sich "sehr stark oder stark" für Politik zu interessieren. "Das ist ein schockierend niedriger Wert", heißt es in der Studie. Zwar bekundeten mehr als dreimal so viele Männer starkes politisches Interesse, doch das hebt den Gesamtschnitt nur unwesentlich. Nicht einmal die Hälfte der interviewten jungen Bayern (46 Prozent) verfolgt das politische Geschehen.

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SZ-Grafik: Sead Mujic, Quelle: BayernForum der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Wenige würden extreme Parteien wählen

Etliche der Befragten nutzen offenbar auch nicht die vielen Möglichkeiten, die ihnen ein freiheitliches Land bietet: Nur knapp 15 Prozent haben sich bereits an Streiks beteiligt, nicht einmal 25 Prozent ihre Meinung auf einer Demonstration kundgetan, geschweige denn an Protestformen wie Verkehrsblockaden teilgenommen. Politische Aktionen beschränken sich bei der großen Mehrheit (gut 70 Prozent) darauf, dass sie bei einer Unterschriftensammlung ihr Schreibgerät zücken. Erfreulich ist: Die Neigung, bei Wahlen aus Protest extremen Parteien eine Stimme zu geben, hält sich offenbar stark in Grenzen.

Dennoch sehen die Autorinnen der Studie Handlungsbedarf: "Trotz vielfältiger Bemühungen scheint die Politik nicht den Nerv dieser Generation und ihrer Lebensrealitäten zu treffen", schreiben sie. Eines nämlich haben die Befragungen auch ergeben. Die jungen Frauen und Männer im Freistaat sind durchaus bereit, sich für die Allgemeinheit zu engagieren - das aber dann zuallermeist nicht in Parteien, sondern vielmehr in einem Verein, einem Verband, einer Bürgerinitiative oder in einer der sozialen Organisationen. 37 Prozent der Befragten gaben an, eine ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben.

Geht es um die Wertigkeiten, so stehen Begriffe wie Familie, Treue, Freundschaft, Partnerschaft an erster Stelle - allerdings mit kleinen geschlechtsspezifischen Unterschieden. Frauen geben der eigenen Familie, Eltern, Großeltern und einer festen Beziehung einen wesentlich höheren Stellenwert als Männer.

Und so sehr sich die junge Generation in Bayern offenbar gegen Rollenbilder und Stereotype wehrt: "Auch das Aussehen ist Frauen wichtiger als Männern", heißt es in der Studie. Bayerns Männern wiederum sei ihre finanzielle Sicherheit am wichtigsten (92 Prozent), gefolgt von finanzieller Unabhängigkeit und einem sicheren Arbeitsplatz. Dann aber folgten bereits "Freunde, Treue und Eltern" ebenfalls mit hohen Zustimmungswerten. Die Religion aber spielt bei der jüngeren Generation im Freistaat - geschlechterübergreifend - nur eine untergeordnete Rolle.

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Junge Frauen erfüllen kein Hausfrauen-Klischee

Trotz einer offenkundigen Orientierung ins Private sind Bayerns junge Frauen indes weit weg vom Klischeebild des Heimchens am Herd. Für sie ist es der Studie zufolge besonders wichtig, "auf eigenen Beinen zu stehen", eine gute Ausbildung zu haben" und "über freie Zeit für sich selbst zu verfügen". Nicht wenige würden auch dann einer Arbeit nachgehen, wenn sie diese nicht zum Lebensunterhalt bräuchten - Hauptsache, sie macht Spaß.

Nahezu einig sind sich beide Geschlechter darin: Karriere zu machen sei für Männer "wesentlich wichtiger" als für Frauen. Die Autorinnen schauten jedoch genau hin, und erneut brachte dies ein überraschendes Ergebnis: Nur für 30 Prozent der Frauen und für 36 Prozent der Männer ist das wirklich "sehr wichtig". Fast die Hälfte der Frauen erwartet indes, das ihr Partner "viel Geld verdient". Diesen Anspruch haben nur 21 Prozent der befragten Männer.

Wichtig ist beiden Geschlechtern offenbar aber ein Ausgleich zwischen Beruf und Familie und damit ein partnerschaftliches Lebensmodell. Hier hakt es jedoch gewaltig. Vor allem Männer befürchten, dass sie in der Arbeit ins Hintertreffen geraten, sobald sie sich mehr Zeit für die Familie herausnehmen. "Sie sind durch den Spagat zwischen Beruf und Familie viel zerrissener als Frauen", sagt Anna-Lena Koschig, die das BayernForum der Friedrich-Ebert-Stiftung derzeit kommissarisch leitet.

Aus diesem Dilemma gebe es nur einen Ausweg: aus der Rolle des Haupternährers auszubrechen und sich mehr im Haushalt zu engagieren. Das wiederum schaffe der Partnerin Freiräume für eine berufliche Tätigkeit. "Die Männer laufen immer noch der Illusion nach, sie könnten beides gleichzeitig haben - Familie und Beruf", sagt auch Jutta Allmendiger.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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