Straßenbau:Eine "Straßenbauorgie sondergleichen"

Lesezeit: 2 min

  • Der Bund Naturschutz kritisiert den neuen Bundesverkehrswegeplan scharf.
  • Die geplanten Projekte seien zu teuer, umweltschädlich und teils auch nicht sinnvoll.

Von Christian Sebald, München

Wenn man Richard Mergner nach dem neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) fragt, kommt er gleich auf die Nordtangente in Passau zu sprechen. Das 51-Millionen-Projekt ist für den Verkehrsexperten des Bundes Naturschutz (BN) das Sinnbild, warum das Papier von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine "Straßenbauorgie sondergleichen" ist.

Der Grund: Die Umgehungsstraße für Passau ist heftig umstritten, der Passauer Stadtrat lehnt sie strikt ab, weil sie zwei Naturschutzgebiete und ein Naherholungsgebiet im nahen Ilztal massiv schädigen würde. Doch Dobrindt hat das Projekt in den BVWP aufgenommen. "Die Passauer Nordtangente zeigt, dass Dobrindt nicht einmal Rücksicht auf kritische Kommunalpolitiker nimmt", sagt Mergner. "Ganz zu schweigen vom Klimaschutz, vom Flächenverbrauch und dem Schutz der Bevölkerung vor Autoabgasen." Mergner fordert: "Der Bund muss das Papier zurückziehen und komplett überarbeiten."

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Der BN hat sich viel Zeit gelassen mit seiner Fundamentalkritik. Dobrindt hatte den neuen BVWP bereits Mitte März präsentiert. Der Grund für die lange Wartezeit der Naturschützer. "Wir wollten das Papier gründlich analysieren", sagt Mergner. Schließlich ist der BVWP der Masterplan des Bundes für den Ausbau des Fernverkehrsnetzes - und zwar für die nächsten zehn bis 15 Jahre. "Da kann man keinen Schnellschuss machen."

Außerdem hatten die Naturschützer auf die Ankündigungen des ehemaligen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer und des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (beide CSU) gesetzt. "Der neue BVWP soll nur noch Projekte enthalten, die auch eine echte Chance auf Umsetzung haben", sagte Ramsauer im Februar 2013, als sich der Bund an den Entwurf machte. "Aufgrund des hohen Erhaltungsbedarfs und der chronisch knappen Kassen werden Erhaltungsmaßnahmen Vorrang vor Neubauprojekten haben."

Bayerns Innenminister Herrmann, der auch oberste Straßenbauer im Freistaat ist, äußerte sich ähnlich. "Grundsätzlich ist es so, dass wir Straßen dort bauen, wo sie von den Bürgern gewünscht werden", sagte er. "In München sitzen keine Straßenbaufetischisten."

Wie die Bewertung konkret ausfällt

Und nun das: "Der neue BVWP stellt einen neuen Negativrekord dar", sagt Mergner, "egal ob es die Zahl der Straßenbauprojekte betrifft oder die Investitionskosten und natürlich den Umwelt- und den Naturschutz." Tatsächlich setzt der BVWP einseitig auf neue Straßen: Den 291 aufgelisteten Straßenprojekten stehen nur 31 Schienenprojekte gegenüber. Die Kosten allein für die Straßenbauprojekte beziffert der BN auf 17 Milliarden Euro. Damit sprengt der BVWP jeden bisherigen Rahmen. "Wollte man all die Projekte umsetzen, würde das ungefähr 40 Jahre dauern", sagt Mergner.

Schließlich stehen bisher etwa 320 Millionen Euro pro Jahr für den Bau von Fernstraßen in Bayern zur Verfügung. Auch der Flächenverbrauch wäre gigantisch. "Für alle Neu- und Ausbauten gingen wenigstens 6000 Hektar Grund und Boden verloren", sagt Mergner. "Das entspricht 8500 Fußballplätzen." Der BN übt auch scharfe Kritik daran, dass 186 der 291 Straßenprojekte Umgehungen sind. "Die Erfahrung lehrt, dass Umgehungen kaum Entlastung bringen für die Orte", sagt Mergner. "Dennoch will man viele Milliarden Euro für sie verpulvern."

Der BN fordert eindringlich, dass Bund und Land umsteuern. "Bayern darf nicht noch schneller in die verkehrspolitische Sackgasse fahren", sagt Mergner. "Statt auf ein weiteres Wachstum des Straßenverkehrs zu setzen, müssen die Bahn gestärkt werden, Straßenerhalt vor Straßenneubau gehen und überflüssige Ortsumgehungen gestrichen werden."

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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