Schwaben:Unbekannter versteckt Stangen aus Edelstahl in Maisfeldern

Maisernte Wolferstadt

Siegbert Mrasek bei der Maisernte in Wolferstadt (Kreis Donau-Ries).

(Foto: Stefan Puchner)
  • Die Lanzen sind etwa 30 bis 50 Zentimeter lang.
  • Die Landwirte sind einer großen Gefahr ausgesetzt. Sobald eine Stange in die Maschine gerät, entfaltet sie eine tödliche Wucht.
  • Vier Häckselmaschinen sind schon zerstört, verletzt wurde bisher niemand.

Von Stefan Mayr, Wolferstadt

Ein Polizeiauto in Wolferstadt? Das ist in dem 1000-Einwohner-Örtchen im schwäbischen Landkreis Donau-Ries normalerweise so oft zu sehen wie ein Traktor auf der Autobahn. Aber seit Mitte September ist alles ganz anders in Wolferstadt. Die Bauern haben Angst um ihre Maschinen und ihre Kinder. Der Bürgermeister spricht von einer "Lähmung" des Dorflebens, und die Polizei hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Auf den Straßen und Feldern Wolferstadts gibt es nur noch ein Gesprächsthema: die Stangen aus den Maisfeldern.

Ein Unbekannter hat bislang auf fünf verschiedenen Äckern unterarmlange Stangen aus Edelstahl an den Pflanzenhalmen versteckt. Vier Häckselmaschinen sind schon zerstört, der Schaden wird auf eine Viertelmillion Euro geschätzt. Was noch schlimmer ist: Die Ernte muss weiterlaufen, und die Landwirte wissen nicht, ob und wann der Stangen-Mann wieder zuschlägt. Und ob dann auch Menschen zu Schaden kommen.

"Wenn so ein Teil den Fahrer auf dem Häcksler trifft, dann ist der maustot", sagt Siegbert Mrasek. Der Lohnunternehmer aus Treuchtlingen ist der Hauptbetroffene. Drei seiner Häcksler hat es schon erwischt. Die Gespräche mit seiner Versicherung laufen. Er muss davon ausgehen, dass er auf 60 000 Euro Schaden sitzen bleibt. "Dieses Jahr habe ich umsonst gearbeitet", sagt der 42-Jährige.

"Wenn nicht noch was passiert." Aber der finanzielle Schaden sei "nicht so schlimm", sagt Mrasek. Viel schlimmer sei die Gefahr, die der Täter heraufbeschwört. "Ich weiß nicht, was solche Menschen denken." Diese Frage beschäftigt die Menschen in Wolferstadt: Wer macht so was? Und warum? Ist er aus dem Ort? Oder ein Fremder?

"Das Vorgehen ist äußerst rücksichtlos", sagt Gerhard Bißwanger, der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Donauwörth. Die Gefahr für die Fahrer der Hochleistungshäcksler sei sehr groß, weil der Mais bei der Ernte direkt unter dem Fahrersitz aufgenommen und "mit Riesenkräften" zerkleinert wird. Mit 800 bis 1000 PS zerhäckseln die Messer und Schaufeln den Mais. Dann wird das Erntegut hinter Rücken und Kopf des Fahrers vorbei durch einen Schacht geblasen und auf einen nebenher fahrenden Anhänger geworfen. Sobald eine dieser Edelstahlstangen in solch eine Maschine hineingerät, entfaltet sie eine tödliche Wucht.

"Die Stange und die Messer des Häckslers werden zerschnitten und fliegen herum", sagt Polizeihauptkommissar Bißwanger, "die können den Schacht jederzeit wie Geschosse durchschlagen und dann ist der Fahrer in seiner Kabine nicht mehr weit". Auch Menschen im Begleitfahrzeug oder Passanten seien in großer Gefahr. Seit 10. September, als die erste Stange im Mahlwerk landete, fahren in Wolferstadt keine Kinder mehr bei der Ernte mit.

Schwaben: Edelstahlstange im Maisfeld, Wolferstadt, Schwaben. Foto: Polizei

Edelstahlstange im Maisfeld, Wolferstadt, Schwaben. Foto: Polizei

Der oder die Täter kennen sich aus und geben sich reichlich Mühe: Jede Stange wurde extra an einem Ende durchbohrt, um sie mit einem Strick oder Draht an den Maispflanzen befestigen zu können. Zudem wird grundsätzlich Edelstahl verwendet, um die Metalldetektoren an den Häckslern zu überlisten. Die Stangen sind 1,6 Zentimeter dick und vermutlich 30 bis 50 Zentimeter lang. "Genau können wir das nicht sagen, weil sie ja zerschnitten wurden", sagt Bißwanger.

Auch bei der Frage nach dem Motiv tappt die Polizei noch im Dunkeln. Wird hier ein Nachbarschaftsstreit auf dem Acker ausgetragen? Oder sind Gegner von Biogas-Anlagen am Werk, die den wachsenden Maisanbau verhindern wollen? Laut Polizist Bißwanger gibt es keine eindeutige Motivlage, denn es seien verschiedene Betriebe betroffen. Auch Milchbauern, die keine Biogas-Analage betreiben. Um den Stangen-Spuk zu beenden, hat der Donauwörther Bauernverband 1000 Euro Belohnung ausgesetzt für Hinweise auf den Täter. "Was da passiert, ist furchtbar schlimm", sagt Kreisobmann Karlheinz Götz, "wir haben große Angst, dass das Nachahmer findet".

Die Ernte läuft weiter, die Stimmung ist gelähmt

Bürgermeister Philipp Schlapak spricht von einer "verängstigten" und "irgendwie gelähmten" Stimmung in seiner Gemeinde. "Wir würden gerne wissen, wer das ist. Aber es gibt keine Hinweise, gar nix, das ist völlig offen." Die Landwirte hätten schon überlegt, was sie mit dem noch stehenden Mais machen sollten. Aber die Bauern hätten ja kaum eine Wahl. Schlapak: "Die Ernte stehen lassen, ist ja auch nix." Also läuft die Ernte weiter. "Mit Angst und Bangen", wie der Bürgermeister sagt. "Es kann ja jederzeit noch mal was passieren."

Auch Lohnunternehmer Siegbert Mrasek zeigt sich ratlos: "Wir sind machtlos, was sollen wir machen?" Auf "ein paar 100 Hektar" könne man ja "nicht jeden Halm kontrollieren". Sie versuchen es dennoch. Bevor der Häcksler aufs Feld rollt, gehen jetzt Verwandte und Bekannte der Bauern durch den Mais und suchen nach versteckten Edelstahlstangen.

So versuchen die Landwirte zu verhindern, dass die Lohnunternehmer wegen der Gefahr für Mensch und Maschine einen Bogen um ihre Felder machen. Auch Siegbert Mrasek hat sich angesichts seines dritten beschädigten Häckslers überlegt, die Aufträge zu stornieren. Er hat es aber nicht getan. "Das sind ja meine Kunden seit Jahren, die kann ich auch nicht im Stich lassen." Doch die Angst fährt weiter mit in der Fahrerkabine. "Ja", sagt Mrasek, "mir ist schon a weng mulmig."

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