Prozess:Die Frage des Gemeinnutzes

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Gericht muss entscheiden, wie Werbung für Lotterie sein darf

Von Stephan Handel, München

Ist die Deutsche Fernsehlotterie eine gewerbliche Veranstaltung und müssen deshalb ihre Fernsehspots so behandelt werden wie die anderer Wirtschaftsunternehmen auch? Um diese Frage streitet die Sendergruppe Pro7 Sat1 mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH).

Kabel1, das zur Sendergruppe gehört, hatte im April 2014 einen 20 Sekunden dauernden Spot der Lotterie ausgestrahlt und damit die zulässige Werbezeit überschritten, was die BLM missbilligte. Der Sender jedoch ist der Meinung, dass der Spot gemeinnützige Zwecke erfüllt, weil mit den Erlösen der Lotterie zum Beispiel hilfsbedürftige Menschen unterstützt werden - deshalb dürfe er nicht zur übrigen Wirtschaftswerbung gerechnet werden. Die BLM dagegen vertritt die Auffassung, dass die Zuschauer in dem Filmchen zuerst zum Kauf von Losen animiert würden und das soziale Anliegen nur eine Randerscheinung sei. Dem halten die Sender-Anwälte entgegen, dass die Erlangung von Geld für Hilfsprojekte nicht nur über Appelle an den Altruismus der Menschen möglich sei. Außerdem: Gäbe es bei der Fernsehlotterie eine Gewinnerzielungs-Absicht zu eigenwirtschaftlichen Zwecken, dann hätte sie die Glücksspiellizenz überhaupt nicht bekommen dürfen, das sei im Gesetz nämlich ausgeschlossen. Wenn das sogenannte Social Advertising mit zu den Werbezeiten gerechnet werde, dann könnten die Sender Hilfsorganisationen künftig nicht mehr unterstützen - für die Ausstrahlung des Spots verlangte Kabel1 nur eine Selbstkosten-Beteiligung.

In einem Parallel-Verfahren verhandelte der VGH sozusagen das genaue Gegenteil des ersten Falles: Da hatte Kabel1 einen Spot des Kinderhilfswerks "World Vision" ausgestrahlt, in dem um Spenden und für Patenschaften geworben wurde - in einem Werbeblock zwischen normaler Konsumwerbung. Dadurch sah die BLM das gesetzliche Gebot der Trennung von Werbung und restlichem Programm verletzt, weshalb sie eine Beanstandung aussprach. Während der Spot der Fernsehlotterie gerade keine kommerzielle Werbung sein sollte, sieht der Sender das bei World Vision genau anders: Im Rundfunkstaatsvertrag gebe es nur die beiden Kategorien "Werbung" und "redaktioneller Teil" - kein drittes. Ein redaktioneller Beitrag sei der Spot nicht, weil World Vision ihn zur Verfügung gestellt habe, ohne dass die Redaktion darauf Einfluss gehabt hätte. Auch hier wurde nicht der normale Preis für die Ausstrahlung verlangt.

Die BLM hingegen meinte, Wirtschaftswerbung müsse von "sonstigen Inhalten" so getrennt werden, dass der Zuschauer erkennen könne, wann ihm was vorgesetzt werde. Walter Häring, der Vorsitzende Richter des 7. VGH-Senats, fügte an, die kommerziellen Werber könnten sich ja vielleicht erhoffen, durch die zeitliche Nähe strahle etwas von der "Glorie" der Gemeinnützigkeit auf sie ab. Ansonsten aber ließ der Senat keine Tendenz erkennen, wie er die Sache sieht - seine Entscheidung will er spätestens bis zum 8. Juli treffen. Die Sender-Anwälte haben vorsorglich die Zulassung der Revision beantragt. (AZ: 7 B 17.2384 u. 7 BV 17.661)

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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