Pfalz und Bayern:Wie der Pfälzer Löwe in das Bayerische Wappen kam

Pfalz und Bayern: Der Landesverband der Pfälzer in Bayern unterhält die Pfälzer Weinstube in der Münchner Residenz. Hier gibt es Saumagen, eine Spezialität aus der Pfalz.

Der Landesverband der Pfälzer in Bayern unterhält die Pfälzer Weinstube in der Münchner Residenz. Hier gibt es Saumagen, eine Spezialität aus der Pfalz.

(Foto: Robert Haas)

Vor 200 Jahren kam die Pfalz zu Bayern, vor 60 Jahren verabschiedete sie sich endgültig mit einem Volksentscheid. Das Verhältnis zwischen den Stämmen war nicht gerade eine Liebesbeziehung.

Von Hans Kratzer

Obwohl das Land Bayern nach Ansicht von Ministerpräsident Horst Seehofer die Vorstufe zum Paradies bildet, hatte die Bevölkerung der Pfalz nach dem Krieg keine Lust, Teil dieses wunderbaren Landes zu werden. Bei einem Volksbegehren im Jahre 1956 votierten nur 7,6 Prozent der Stimmberechtigten für eine Eingliederung nach Bayern. Dabei hatte die Staatsregierung in München den Pfälzern erhebliche Zugeständnisse gemacht. Diese aber blieben trotzdem stur.

Tatsächlich hatte die Pfalz schon vor 1956 lange Zeit zu Bayern gehört. 200 Jahre ist es jetzt her, dass die Region gemäß den Beschlüssen des Wiener Kongresses ein Teil des Königreichs Bayern wurde, das mit der Pfalz für den Verlust von Salzburg und des Innviertels entschädigt wurde. Allerdings war die Pfalz linksrheinisch und von Bayern weit entfernt. 1946 trennten die Siegermächte diese Region wieder von Bayern ab und gliederten sie in das Bundesland Rheinland-Pfalz ein - gegen den heftigen Widerstand des Freistaats.

Die Bayern waren ja sehr stark pfälzisch geprägt. Nachdem 1777 die bayerische Linie der Wittelsbacher erloschen war, regierte in München die Linie aus der Pfalz. Sämtliche bayerischen Könige hatten ihre Wurzeln in der Pfalz. Johannes Hoffmann wurde nach dem 1. Weltkrieg bayerischer Ministerpräsident, auch er war ein Pfälzer. Die Bayern spekulierten nach 1945 vor allem deshalb auf die Pfalz, weil sie selber noch ein armes Agrarland waren, während jenseits des Rheins bereits der wirtschaftliche Aufschwung leuchtete. Ein Riese wie der Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen hätte den Bayern sehr gefallen.

In Teilen der Staatsregierung herrscht noch heute die Überzeugung, dass beide Stämme profitiert hätten, wenn die Pfalz 1956 in den Schoß Bayerns zurückgekehrt wäre. Doch das gute Einvernehmen, das heute gerne beschworen wird, hatte es im Alltag nicht immer gegeben. Der Münchner Günter Lauer schilderte einmal in einem Brief an die SZ die Erfahrungen aus seiner Familiengeschichte.

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Die beiden Stämme hätten allen Lobreden zum Trotz nie zusammengefunden. "Die Altbayern waren in den linksrheinischen Gebieten nie gut gelitten", schreibt Lauer. "Sie wurden (nicht gerade liebevoll) Zwockl geheißen und nahmen zum Nachteil der pfälzischen Einwohner die Spitzenstellungen in Verwaltung und Wirtschaft ein." Auf der anderen Seite hätten bayerische Beamte eine Versetzung in die Pfalz häufig als Strafe und beruflichen Nachteil empfunden.

Ungeachtet dessen ist die Pfalz in Bayern immer noch gut verästelt. Der 1949 in München gegründete Landesverband der Pfälzer in Bayern hält bis heute die alte Verbindung zwischen Bayern und der Pfalz wach. Spürbar zum Ausdruck kommt dies in der Pfälzer Weinstube in der Münchner Residenz, die der Verband seit 1950 unterhält. Aus altem Recht heraus dürfen sich Pfälzer Schüler überdies als Stipendiaten im Maximilianeum bewerben. Die Bayerische Landesstiftung fördert bis heute Kulturprojekte in der Pfalz. Darüber hinaus existiert in der Staatskanzlei der Posten eines Pfalzreferenten, der zurzeit von Angelika Kaus bekleidet wird.

Den Pfälzer Löwen ins Wappen gehievt

Selbst die bayerische Bischofskonferenz spiegelt die gemeinsamen Wurzeln wider. Zur Kirchenprovinz des Erzbistums Bamberg gehört seit 1817 neben den Diözesen Eichstätt und Würzburg auch das pfälzische Bistum Speyer. Außerdem werden Bischöfe aus Speyer traditionell an die Spitze des Erzbistums München-Freising berufen. Aus Pfalz-Speyer kamen zum Beispiel die Kardinäle Joseph Wendel, Michael Faulhaber und Friedrich Wetter. Die Benennung von Reinhard Marx (Trier) ist lediglich ein Ausreißer.

Sogar der Löwe im bayerischen Wappen stammt aus der Pfalz. Im 13. Jahrhundert hatte der Stauferkönig Friedrich II. den Bayernherzog Ludwig mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt und somit den Pfälzer Löwen ins Wappen gehievt. Durchaus löwenhaft wehrten sich die Pfälzer, als sie 1816 den Bayern zugeschlagen wurden. Am Ende aber erwiesen sie sich doch noch als treue Staatsbürger. Die Bayern hatten eines schnell kapiert: Die Pfälzer waren in vielen Lebensbereichen fortschrittlicher als sie, und das wollten sie nach dem Anschluss an Bayern keinesfalls aufgeben.

Speyerer  Dom

Der Dom in Speyer steht in Rheinland-Pfalz. Das Bistum Speyer hat jedoch als Suffraganbistum des Erzbistums Bamberg bayerische Bezüge.

(Foto: dpa)

Der Historiker Eberhard Weis nennt es in seiner Montgelas-Biografie ein historisches Verdienst der bayerischen Regierung, die in der Pfalz unter französischem Einfluss eingetretenen Veränderungen anzuerkennen und die neuen Institutionen und Rechtsverhältnisse bestehen zu lassen. Insofern barg die Pfalzreise, die König Max I. Joseph 1816, wenige Wochen nach der Fusion der Stämme, antrat, ein gewisses Risiko.

Wider Erwarten wurde es eine Jubelreise, wie ein neues Buch belegt, in dem diese Tour erstmals ausführlich beschrieben ist (Wolfgang Kunz, Des Königs Reise, Knecht Verlag, 12,99 Euro). Geradezu enthusiastisch äußerte sich der König in einem Brief an Montgelas über dieses "superbe Land": "Meine Reise war die glücklichste Epoche meines Lebens."

Umso mehr beklagt der Historiker Hermann Rumschöttel, dass ein bedeutendes Datum wie "200 Jahre Pfalz-Bayern" in der Erinnerungskultur nicht auftaucht - im Gegensatz zu 500 Jahre Reinheitsgebot. "Ausgerechnet bei diesem Thema fehlt den Bayern ihre sonst ausgeprägte historische Tiefenschärfe", sagt er. Geschichtspolitische Anerkennung hätte das Datum aber verdient.

Nicht nur, weil Bayern ein zweites Nationalgetränk, den Wein, bekam, sondern weil die Pfalz ein politisches Reinheitsgebot mitbrachte, nämlich die Forderung nach dem Auf- und Ausbau eines modernen Verfassungs- und Rechtsstaats aus dem französischen Geist von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

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