Parteien:Warum die Bayernpartei boomt

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Er will Abspaltung, aber ohne Feindseligkeit: Florian Weber, der Vorsitzende der Bayernpartei. (Foto: Stephan Rumpf)

Deren Vorsitzende Florian Weber wirbt für eine Abspaltung des Freistaats. Er selbst möchte dann Außenminister werden - aber mit einem erstaunlich liberalen Programm.

Von Gerhard Fischer

Florian Weber, der Chef der Bayernpartei, trägt einen Trachtenjanker und sagt zur Begrüßung "Grüß Gott". Aus dem Nebenzimmer kommt der Generalsekretär Hubert Dorn. Er trägt auch einen Trachtenjanker. Und er sagt auch "Grüß Gott". An der Wand des Konferenzraums hängt eine Bayernfahne. Es sieht alles nach Klischee aus.

Aber Florian Weber überrascht. Er wirkt nicht wie ein weiß-blauer Früher-war-alles-besser-Politiker, der Andersdenkende vor ein Königlich Bayerisches Amtsgericht schicken will. Er ist nicht engstirnig. Und vor allem ist er nicht rechts. "Man hat uns mal die bayerische AfD genannt, da musste ich schon schlucken", sagt er.

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"Die deutschnationale Ideologie" habe schon genug Unglück über die Menschen gebracht, meint Weber, der Geschichte und Politik studiert hat. Das Thema ist ernst. Florian Weber muss trotzdem kurz lachen. "Es ist schon kurios, wenn man uns deutschnational nennt", sagt er, "wir wollen doch ein eigenständiges Bayern."

Den Austritt aus der Bundesrepublik Deutschland. Das fordert die Bayernpartei. Und deshalb hat man sie lange nicht ernst genommen. Und wahrgenommen hat man sie auch nicht. Das hat sich in den vergangenen zwei Wochen geändert, denn die Partei hat ihre Stadtratssitze in München verfünffacht. Ganz ohne Wahlen.

Bisher gab es bloß einen Bayernpartei-Stadtrat: Richard Progl. Dann kamen nacheinander die Überläufer Eva Maria Caim, Mario Schmidbauer (beide CSU), Johann Altmann (Freie Wähler) und Josef Assal (parteilos, früher SPD) dazu. Die Bayernpartei ist jetzt die zweitstärkste Oppositionspartei in München.

Florian Weber freut sich darüber wie über ein Geschenk, das man nicht erwartet hat. Zumal es in München geschah. München garantiert größte Aufmerksamkeit. Und München ist nicht gerade ein Terrain, auf dem die Bayernpartei Heimvorteil genießt. "Auf dem Land sind wir traditionell stärker", sagt Weber.

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Er ist selbst auf dem Land aufgewachsen, in Bad Aibling. Als er das erzählt, wird noch einmal der Klischee-Impuls aktiviert: Das war sicher eine Kindheit mit Ministrant-Sein und Fußball-Verein, oder? "Ja, schon", sagt Weber, "aber gar nicht so übertrieben." Besser charakterisiert ihn ein Erlebnis in der Schule. "In der fünften Klasse hat ein Lehrer zu mir gesagt: Wenn du nicht anständig deutsch sprichst, sondern Dialekt, dann hast du hier nichts verloren." Weber gewöhnte sich sein Bayerisch ab. Aber er war sauer.

Florian Weber schweigt einen Moment. Vermutlich denkt er immer noch an seine Jugend, denn er sagt: "Ich habe eine Jugendsünde begangen." Es folgt eine kurze Pause. Hat er dem Pfarrer Juckpulver in den Kragen gekippt? Hat er Haschisch geraucht, ohne zu inhalieren? "Ich war mal in der CSU", sagt Weber schließlich. Wann? Immer wenn es um Jahreszahlen in seinem Leben geht, sagt er: "Nageln Sie mich bitte nicht fest. Da bin ich nicht gut."

Also, Weber war ungefähr 19 oder 20, als er der CSU beigetreten ist; und er blieb "zwei oder drei Jahre" dabei. Dann trat er aus, weil er die Junge Union in Regensburg, wo er studierte, für "sehr deutschnational" hielt; und weil die CSU nicht genug dafür getan habe, den Bayerischen Senat zu erhalten. "Mit dem Senat ging ein politisches Kontrollorgan verloren", sagt Weber, "aber noch schlimmer fand ich, dass ein Stück bayerische Identität abgeschafft wurde."

Weber trat in die Bayernpartei ein. Er sah sonst keine Alternative. Die Sozis, die Grünen, die FDP - sie alle wollen keine Eigenständigkeit Bayerns.

Florian Weber, Chef der Bayernpartei. (Foto: Stephan Rumpf)

Er wusste, dass er bei der Bayernpartei keine klassische politische Karriere machen konnte; dass er zunächst wenig gestalten konnte. "Aber ich konnte meine Idee und meine Ideale verfolgen." Karriere machte Weber im Beruf: Er wurde Geschäftsführer einer Firma für ärztliche Fort- und Weiterbildung.

Florian Weber, grauer Bart, Glatze, ist sehr freundlich, aber nicht klebrig-jovial. Er holt eine Schnupftabakdose aus der Tasche, nimmt eine Prise. "Ich liebe die bayerische Lebensart", sagt er. "Und ich werde es noch erleben, dass Bayern eigenständig wird." Ein Jahr vor dem Mauerfall habe auch niemand gedacht, dass es ein wiedervereinigtes Deutschland geben könnte. "Geschichte bleibt nicht gleich", sagt Weber. In einem freien Bayern könnte er sich vorstellen, Außenminister zu werden.

Weber bietet seinem Gegenüber eine Prise an, aber er wirkt nicht anbiedernd und auch nicht leutselig, dafür ist er vermutlich zu sehr Kopfmensch. Zwar sagt Weber, er sei kein guter Redner, aber das gilt, sollte es wahr sein, für das größere Forum. Hier, am Schreibtisch in der Geschäftsstelle in der Baumkirchner Straße, ist er ein guter Redner, weil er klar formuliert; und weil man ihm folgen kann, auch wenn man ihn nicht versteht.

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Wieso will er denn diese bayerische Eigenständigkeit? "Als 1871 das Deutsche Reich gegründet wurde, war es vorbei mit der viel geschmähten Kleinstaaterei", sagt er. "Und was kam dann? Kaiserreich, Erster Weltkrieg, fragile Weimarer Republik, Zweiter Weltkrieg. War das gut?" Es sei doch sehr unwahrscheinlich, "dass von einem eigenständigen Bayern ein Weltkrieg ausgegangen wäre". Von Kleinstaaten, meint er damit, ist nichts zu befürchten. Weber nennt weitere Gründe für ein Bayern ohne Deutschland, und manchmal vermischen sich diese Gründe auch mit Punkten aus dem Parteiprogramm.

Die Bayernpartei will: mehr direkte Demokratie; einen Assoziierungsvertrag mit der EU nach Schweizer Vorbild; die Atomkraft abschaffen, weil sie zu gefährlich sei. Sie will nicht: die "Melkkuh Deutschlands" sein, weil Bayern so viel in den Länderfinanzausgleich einzahle; eine Homo-Ehe, weil das klassische Familienmodell steuerlich gefördert werden solle; das kommunale Ausländerwahlrecht, weil man "gerne ein Bekenntnis zur Staatsbürgerschaft" hätte; das Freihandelsabkommen TTIP, weil es die Großindustrie fördere und die bayerischen Bürger und Firmen darunter leiden würden. Es ist ein Sammelsurium aus liberalen, konservativen und sogar linken Ansichten.

Bodenständig - und doch weltoffen

Florian Weber sagt, seine Partei sei liberal-konservativ. Weber ist wohl vor dem Bindestrich angesiedelt. Sein Vater, erzählt er, habe in der Entwicklungshilfe gearbeitet, in Äthiopien und Indonesien. Der Vater sei bodenständig und zugleich weltoffen gewesen. Das gilt vermutlich auch für ihn. Florian Weber sagt auch, dass das Umfeld, in dem er aufwuchs, nicht als "konservativ" bezeichnet werden könne, sondern als "bürgerlich". Der Unterschied ist ihm offenbar wichtig.

Vor Webers Zimmer hängt ein sehr großes Schwarz-Weiß-Bild von Joseph Baumgartner mit einer Hornbrille, wie sie Männer in den Fünfzigerjahren getragen haben. "Baumgartner ist mein politisches Vorbild", sagt Weber. Joseph Baumgartner, Akademiker und Patriot aus Sulzemoos, war zwischen 1954 und 1957 Landwirtschaftsminister einer Vierer-Koalition aus SPD, FDP, Bayernpartei und Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten. Es war die Zeit, als die Bayernpartei drittstärkste Partei im Freistaat war und eine Konkurrenz für die CSU.

Ende der Fünfzigerjahre zerschellte die Bayernpartei an der sogenannten Spielbanken-Affäre - unter anderem deshalb, weil der CSU-Mann Friedrich Zimmermann einen Meineid zu Ungunsten von Baumgartner geschworen hatte. Der CSU hat das nicht geschadet, der Bayernpartei schon. An den Wahlabenden findet sie sich seitdem unter der Rubrik "Sonstige" wieder. Bei der Landtagswahl 2013 kam sie auf 2,1 Prozent.

Joseph Baumgartner (links), mit Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) und Hildegard Hamm-Brücher (FDP). (Foto: Alfred Strobel)

In den Kommunal-Parlamenten konnte die Partei zuletzt deutlich zulegen. Florian Weber sitzt im Stadtrat von Bad Aibling und im Bezirkstag von Oberbayern. Mittlerweile arbeitet er nur noch halbtags. Und halbtags ist er Politiker.

Auch die Mitgliederzahl steigt, bald werde man die Marke 6000 erreichen, sagt Weber. "Viele junge Leute kommen zu uns", sagt er, "in unseren schnelllebigen, unübersichtlichen Zeiten besinnt man sich wieder mehr auf die Heimat". Es gefalle ihm auch, dass viele junge Menschen wieder Tracht trügen.

Sicher gibt es Parteimitglieder, die konservativer sind als ihr Chef. Und es gibt sogar welche, die einen König wiederhaben wollen. Aber die seien in der Minderheit, sagt Weber. Im Parteiprogramm stehe nichts davon. An der Spitze des freien Bayern solle ein "vom Volk gewähltes Staatsoberhaupt stehen". Die Staatsform: natürlich eine Demokratie. "Trotzdem hat die Bayernpartei immer wieder mit den Vorurteilen zu kämpfen, wir wären die Partei der Königstreuen oder wir wären ein Trachtenverein", sagt er. Und immer wieder mit dem Vorurteil, rechts zu sein.

Wie ist es mit der Flüchtlingspolitik? "Unser Motto ist: Einheimisches stärken statt Fremdes zu verteufeln", sagt Weber. Und: "Jeder, der sich als Bayer fühlt und dazu bekennt, ist Bayer." Egal, woher er kommt, ob aus Travemünde oder aus Burkina Faso.

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Die Bayernpartei bekenne sich zum Asylrecht, fährt er fort, "aber gleichzeitig verlangen wir die Einhaltung von Recht und Ordnung - und daran hat sich die Bundesregierung vergangen". Weber meint, dass sich Merkel zuletzt nicht um Dublin oder Schengen geschert habe. Solange sie das nicht tue, solle Bayern die Gelder des Länderfinanzausgleichs einfrieren. Außerdem fordert er den Einsatz bayerischer Polizei, um die Grenzen zu sichern.

Auf der Homepage der Bayernpartei steht auch das hässliche Wort von den "Notwehrmaßnahmen" gegen Flüchtlinge, das Horst Seehofer geprägt hatte. "Das war ironisch gemeint - als Reaktion auf Seehofer", sagt Weber. "Notwehr gegen Flüchtlinge - das ist nicht mein Wortschatz."

Er wirkt nicht wie ein Wolf, der Kreide gefressen hat. Warum also stellt man die Bayernpartei trotzdem so vehement in die ewiggestrige Ecke, man tut es doch auch nicht mit den schottischen Separatisten oder mit den Katalanen, die sich von Spanien abspalten wollen? Es hat wohl etwas mit diesem Abschotten zu tun, das nicht in die moderne Welt passt. Aber vor allem ist es dieses "Mia san mia", das man fürchtet; dieses Mia san mia, das auch der FC Bayern propagiert und das nichts anderes heißt als: Mia san die Besten und dann kommt lange nichts, schon gar nicht Ihr! Auch Florian Weber ist natürlich nicht frei von einer Superbayern-Rhetorik.

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Ach ja, sagt Weber am Ende, viele Menschen würden ihn fragen, was denn aus dem FC Bayern werden würde, wenn es ein eigenständiges Bayern gebe. Die Vereine seien frei, sagt Weber, man werde schon eine Lösung finden - der AS Monaco spiele zum Beispiel in der französischen Liga.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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