Oldtimer:Drei Männer und ihr Kampf um den Nasenbären-Traktor aus Saudi-Arabien

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Mit einem Prospekt warb die Firma Fendt für den Großtraktor. Aber so richtig wollte das Geschäft nicht laufen, 1986 wurde die Produktion eingestellt. (Foto: oh)

Sie pflegen ein seltenes Hobby: alte Traktoren sammeln. Ein besonders begehrtes Stück hat es in den Nahen Osten verschlagen, und der soll jetzt zurück nach Bayern.

Von Christian Gschwendtner

Als der Anruf kommt, steht Thilo Hartmann in seinem Garten in Ehingen, tiefes Mittelfranken. Er jätet Unkraut. Er denkt an alles, nur nicht an Nasenbären. Warum auch? Seit fünf Jahren sucht Hartmann nach einem Nasenbär-Traktor - ohne Erfolg. Aber jetzt ist Mr. Ali aus Saudi-Arabien am Telefon. Mr. Ali fragt: "Willst du einen kaufen?"

Die Firma Fendt hat zwischen 1980 und 1986 nach eigenen Angaben 66 Traktoren des Typs Favorit 626 LSA gebaut. Dann wurde die Produktion wieder eingestellt. Die Nachfrage nach einem Großtraktor war zu schwach. Dabei waren die Kennzahlen für die damalige Zeit geradezu revolutionär: mehr als elf Liter Hubraum, 252 PS, ein Tri-Power Lastschaltgetriebe. Eingeweihte nennen den Traktor Nasenbär, wegen seiner langen Schnauze. Beim Nasenbär-Traktor befindet sich der Motor nämlich vor der Vorderachse.

In Europa sind heute kaum noch welche aufzutreiben, die meisten erhaltenen Maschinen gehören Sammlern. Deswegen Saudi-Arabien. Hartmann vermutet, dass in den Achtzigerjahren mehr als 20 Fendt Favorit 626 nach Saudi-Arabien verschifft wurden. Angeblich per königlichem Dekret. König Kahled wollte in die saudische Landwirtschaft investieren. Und dafür brauchte er deutsche Traktoren.

Eineinhalb Jahre nach dem Anruf von Mr. Ali, ein Donnerstag im Mai: Thilo Hartmann sitzt in einem Wirtshaus in Kranzberg im Landkreis Freising. Die Geschichte, die er erzählen wird, beginnt mit zwei Vorbemerkungen. Hartmann sagt: "Wenn wir von der Suche nach den Nasenbären sprechen, müssen wir von ganz großem Glück sprechen." Und dann sagt er noch, dass sie natürlich Freaks seien, das müsse man verstehen. Nasenbär-Verrückte. Er meint sich selbst, den Holländer Martijn Bullée und Hans Braun aus Kranzberg. Männer in den Vierzigern, die aussehen wie die Handwerker, die sie auch sind. Die in ihrer Freizeit aber nichts anderes machen, als nach Traktoren zu suchen. Nach ganz bestimmten Traktoren. Sie nennen sich "Team Nasenbär".

Der Nasenbär ist ein begehrtes Sammlerobjekt, aber eines, das seinen Preis hat. 1982 musste man für einen neuen Traktor 232 734 Mark hinlegen. Heute könne man für einen vollrestaurierten Nasenbär 150 000 Euro rechnen, sagt Hartmann. Was mit den exportierten Schleppern passiert ist, kann niemand genau sagen. In der Nasenbär-Szene kursieren wilde Gerüchte. Es heißt, die Saudis hätten die Nasenbären nicht mehr benutzt, wenn eine Schlange über den Fahrersitz gekrochen ist. Schlechtes Omen. Und dass die Traktoren in der Wüste vor sich hinrotten. Schließlich habe niemand Ersatzteile nachbestellt. Es klang so, als hätte keiner die Zeiten überdauert. Seit dem Anruf von Mr. Ali weiß Hartmann: Es gibt sie doch noch, die Nasenbären in Saudi-Arabien.

Es dauert Monate bis sie sich mit Mr. Ali einig sind

Den Kontakt zu Mr. Ali hat ein deutscher Unternehmensberater hergestellt. Doch die Verhandlungen sind schwierig. Mr. Ali spricht nur schlecht Englisch. Und immer wenn sie sich mit ihm über den Preis einig sind, dann geht es wieder von vorn los. Mr. Ali sagt dann: "Do you want to buy it?" Wollt ihr den Traktor kaufen? Natürlich will das Team Nasenbär den Nasenbär kaufen. Thilo Hartmann ist nach ein paar Anrufen frustriert. Er geht nicht mehr ans Handy, alles sinnlos. Mr. Ali schickt deshalb Sprachnachrichten. Hartmann hört sie sich zehnmal hintereinander an, damit er versteht, was Mr. Ali meint.

Es dauert Monate bis sie sich mit Mr. Ali einig sind. Und als der Deal steht, fangen die wirklichen Probleme erst an. Der Nasenbär muss von Riad nach Dschidda an den Hafen. Ein Container ist gebucht. Aber der Nasenbär schafft es nicht rechtzeitig. Es ist Ramadan. Der Lastwagen, der den Nasenbär zum Hafen bringen soll, darf nur nachts fahren. Als er ankommt, ist das erste Schiff weg. Und Martijn Bullée richtig sauer. Er sagt, Mr. Ali soll schauen, was er mit dem Schlepper macht. "Wir ziehen uns zurück." Aber natürlich zieht sich das Team Nasenbär nicht zurück.

Irgendwann kommt die erlösende Nachricht: Der Nasenbär hat es in den Hafen von Rotterdam geschafft. Die Männer werden fiebrig. Dann der nächste Rückschlag. Die Frachtpapiere fehlen noch. Ohne Frachtpapiere kein Nasenbär, so einfach ist das. Am 22. Februar 2015 schreibt Hartmann eine E-Mail an den Kontaktmann in Saudi Arabien. Betreff: "Super-GAU". In der Mail steht: "Martijn ist sehr aufgebracht und hat kein Vertrauen mehr in Mr. Ali, denn er hatte ausreichend Zeit, die Papiere vorzubereiten."

Er habe sich gefühlt wie auf dem Beifahrersitz eines Lamborghini

Bullée und Hartmann haben sich in einem Internetforum namens "Landtreff" kennengelernt. Sie haben dort Fahrgestellnummern von Nasenbär-Traktoren ausgetauscht, und sich so angefreundet. Sie nennen es ihren "Landflirt". Hans Braun kam später dazu. Er durfte als kleines Kind einmal auf einem Nasenbär mitfahren, das hat er nicht vergessen. Er sagt, er habe sich gefühlt wie auf dem Beifahrersitz eines Lamborghini. Hartmann hat den Nasenbär zum ersten Mal in der Baywa in Dinkelsbühl kennengelernt, beim Durchblättern eines Prospekts. Und Bullée? Der hat schon einen Nasenbär bei sich zu Hause auf dem Forstbetrieb rumstehen. Aber er will mehr. Bullée sagt, sobald er einen zweiten Nasenbär hat, heiratet er seine Frau. Aber das habe er vor dem ersten auch schon gesagt, sagt Hartmann.

Mit der Zeit hat sich im Team Nasenbär die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich Geduld auszahlt. Einen Spruch der Saudis haben sie sich besonders gemerkt: "Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit." Den Spruch wiederholen sie immer dann, wenn mal wieder nichts vorwärtsgeht.

Als es so weit ist, die Frachtpapiere endlich vorliegen, kann Martijn Bullée den Nasenbär aus Saudi-Arabien im Hafen von Rotterdam abholen. Endlich. Eineinhalb Jahre ist das her, inzwischen haben die Männer vier weitere Traktoren in Saudi-Arabien gekauft. Sie restaurieren die Schlepper und verkaufen sie weiter. Manche zumindest. Denn das Ziel im Team Nasenbär ist klar: Jeder will seinen eigenen Nasenbären haben.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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