Oberbayern:Bundeswehr schließt Stützpunkt auf dem Johnny Cash stationiert war

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"Traktoren der Lüfte" auf dem Rollfeld in Penzing. Der Fliegerhorst wird im Zuge der Bundeswehrreform Ende des Jahres geschlossen. (Foto: dpa)
  • Der Fliegerhorst in Penzing wird geschlossen. Vor mehr als 80 Jahren bereits wurde der Luftwaffenstützpunkt gegründet.
  • Nachdem das amerikanische Militär die "Landsberg Air Base" übernommen und ausgebaut hatte, war die Bundeswehr seit 1957 hier stationiert.
  • Noch ist nicht entschieden, was mit dem 272 Hektar großen Areal passiert - aber die Investoren stehen bereits Schlange.

Von Christian Rost, Penzing

Bürgermeister Johannes Erhard war am Montag schwer zu erreichen, weil bei ihm dauernd das Telefon klingelte, und wenn man ihn schließlich doch an die Leitung bekam, war er bisweilen kaum zu verstehen. Ein Eurofighter nach dem anderen donnerte über Penzing (Kreis Landsberg am Lech) hinweg, weshalb sich bei Erhard reihenweise Bürger beschwerten.

Die Jets übten für einen Festakt auf dem Fliegerhorst Penzing am 10. Juni, deshalb konnte der Rathauschef die lärmgeplagten Leute im Ort beruhigen: "Es ist nicht der Krieg ausgebrochen." Und bald ist es mit der Fliegerei in Penzing ohnehin ganz vorbei. Zum Jahresende zieht das Lufttransportgeschwader 61, das älteste der Bundeswehr, ab. Was bleibt, ist "eine Chance" für die 3900-Einwohner-Gemeinde. So sieht es jedenfalls Johannes Erhard.

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Seit mehr als 80 Jahren leben die Penzinger in unmittelbarer Nachbarschaft eines Luftwaffenstützpunkts. Der Flugplatz und die Kasernenanlage auf dem 272 Hektar großen Areal wurden Mitte der Dreißigerjahre von den Nationalsozialisten errichtet und im Zweiten Weltkrieg schwer bombardiert. Nach 1945 nutzte das US-Militär die Anlage und baute sie aus. Auch ein Schwimmbad, ein Tennisplatz und ein Kino gehörten dazu. Auf der "Landsberg Air Base", wie der Stützpunkt damals hieß, war einst Johnny Cash stationiert - der Country-Sänger startete hier seine Karriere. 1957 übernahm die Bundeswehr den Fliegerhorst. Und machte Lärm.

Im Vergleich zu früheren Jahren geht es auf dem Gelände heute an normalen Tagen, wenn nicht gerade eine Flugshow geprobt wird, allerdings relativ beschaulich zu. Voriges Jahr zogen zuerst die Flugabwehrraketengruppe 22 und dann auch die Hubschrauber der Bergrettungsgruppe (SAR) ab. Geblieben sind vorerst 800 Soldaten und zehn Transall -C-160-Maschinen, die an sämtlichen Krisenherden im Nahen Osten und in Afrika im Einsatz sind, wo sich die Bundeswehr mit militärischen und humanitären Einsätzen engagiert.

Weshalb die Transall auch "Traktor der Lüfte" genannt wird, lässt sich rund um den Fliegerhorst gut beobachten. Autofahrern auf der nahegelegenen A 96 kommt regelmäßig einer der dickbauchigen Lastenträger entgegen, der scheinbar schwer und träge seine Testrunden in der Luft dreht. Dabei ist die Transall gar nicht so langsam, wie es aussieht. Die "Tralala", ein weiterer Spitzname für den Flieger, kommt auf eine Reisegeschwindigkeit von 450 Kilometern pro Stunde, in der Spitze schafft sie 500 km/h. Im Vergleich zu den Tornados hat die Propeller-Maschine den entscheidenden Vorteil, dass sie sehr viel leiser daherkommt. "Mit der Transall haben wir auch kein Problem", sagt Johannes Erhard.

Die Bundeswehr bildet bislang viele junge Leute aus

Die Bundeswehr ist nach wie vor der größte Arbeitgeber in der Region, auch wegen der vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute wird der Stützpunkt durchaus geschätzt. Und dennoch wird der Bürgermeister dem Lufttransportgeschwader 61 nicht hinterhertrauern, wenn es zum Ende des Jahres abzieht. Mit der Einführung des neuen Transportflugzeugs der Bundeswehr, dem Airbus A 400 M, werden die Transall-Maschinen schrittweise außer Dienst gestellt. Für den Betrieb des A 400 M ist der Fliegerhorst Penzing nicht geeignet - die Start- und Landebahn ist zu kurz.

Ein Glück für die Gemeinde. Zwar wird die Bundeswehr in Penzing zunächst mit 150 Soldaten zur sogenannten Stillstandswartung vertreten sein, jedoch nur, solange ein Prüfverfahren zur weiteren Nutzung des Standortes läuft. Langfristig wird das Militär ganz abziehen, ist sich Erhard sicher, weshalb die Gemeinde schon jetzt ein Konzept für die Nachnutzung ausarbeiten lässt.

Ende 2018 sollen konkrete Ergebnisse vorliegen, und anders als in anderen Orten, wo der Abzug der Bundeswehr eine Schneise der Ödnis hinterließ, hat Penzing die Sorge, von potenziellen Investoren überrannt zu werden. Schon jetzt geben sich Projektentwickler im Rathaus die Klinke in die Hand. "Wir könnten das Gelände zwei- bis dreimal verwerten", sagt Erhard. "Rieseninvestoren" wolle die Gemeinde aber nicht. "Wir müssen die Entwicklung des Areals behutsam angehen."

Mischbebauung oder ein Hochschul-Campus?

Der Bürgermeister kann sich einen Mix aus Gewerbe, Wohnbebauung und landwirtschaftlicher Nutzung vorstellen. Möglich sei auch, einen Hochschul-Campus auf dem Fliegerhorst anzusiedeln, in jedem Fall sollten dort hochwertige Arbeitsplätze entstehen. Eine fliegerische Nachnutzung will die Gemeinde keinesfalls. "80 Jahre sind genug", sagt Erhard und gibt damit auch den Segel- und Sportfliegern einen Korb, die sich für das Gelände interessieren.

Während die Gemeinde also optimistisch in die Zukunft blickt, herrscht im Fliegerhorst selbst eine eher wehmütige Stimmung. "Eine Ära geht zu Ende", sagt Oberstleutnant Klaus Schierlinger. Der stellvertretende Kommodore hat am Montag das Programm zur Feier zum 60-jährigen Bestehen des Gamsbock-Geschwaders am 10. Juni vorgestellt, wofür die Eurofighter trainierten.

Dann wird es zum letzten Mal richtig rund gehen auf dem Militärflugplatz. 40 000 Besucher erwartet die Luftwaffe zum "Tag der Bundeswehr". Luftbetankungen und militärische Erkundungsoperationen werden vorgeführt, das Raketenabwehrsystem Patriot wird gezeigt, und die Gäste können sich am berühmten Erbsen-Eintopf aus der Gulaschkanone bedienen. Den Eintopf wird auch Johannes Erhard vermissen, wenn die Soldaten einmal nicht mehr hier sind.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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