Naturschutz:Dem Biber auf die Pelle rücken

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  • 1867 wurde in Bayern der letzte Biber erlegt. Inzwischen gibt es wieder 18 000 Tiere im Freistaat.
  • Vor allem der Bauernverband ist jedoch davon überzeugt, dass die Biber hohe Schäden anrichten.
  • Doch Ökologen halten dagegen. Wo sich Biber wohlfühlen, leben auch viele andere Arten.

Von Christian Sebald, München

Gefällte Weiden und angenagte Pappeln an den Flussufern, mächtige Dämme aus Baumstämmen und grobem Astwerk, aufgestaute Altwässer und Auwiesen, die selbst in trockensten Sommern knietief überflutet sind: Wer von Bad Brückenau (Landkreis Bad Kissingen) nach Südwesten das Flüsschen Sinn entlang hinauswandert, ist alsbald mitten im Biber-Land.

Seit Jahren lebt dort in einer ungefähr zehn Hektar großen Talaue eine Biberfamilie. Sie hat eine wild-romantische Landschaft geschaffen, wie man sie selbst im vergleichsweise naturbelassenen Sinntal selten findet. Bald können Naturfreunde die Biberfamilie aus nächster Nähe beobachten. Der Bund Naturschutz (BN) errichtet in der Talaue eine Aussichtsplattform, von der aus man den Nagern bei ihrem Treiben zusehen kann, und dazu einen Lehrpfad durch ihr Revier. "So hautnah wie hier kann man nirgends sonst in Nordbayern den Biber erleben", sagt der BN-Mann Kai Frobel.

Es ist so eine Sache mit den Bibern in Bayern. Auf der einen Seite stehen die bis zu 1,40 Meter langen und bis zu 35 Kilo schweren Nager mit dem markanten abgeplatteten, keulenförmigen Schwanz dafür, dass sogar vormals komplett ausgerottete Wildtiere wieder heimisch werden können im Freistaat - in großer Zahl.

Gefräßige Nager
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Obwohl der Nager an vielen Stellen im Landkreis Spuren hinterlassen hat, halten sich die Schäden insgesamt in Grenzen. Alle möglichen Reviere sind besetzt, der Bestand hat seine Höchstgrenze erreicht.

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Wie die Biber verschwunden sind

Es war im Jahr 1867, als in Bayern der letzte Biber erlegt wurde. Zuvor waren die Wildtiere gnadenlos gejagt worden - als Fastenspeise, wegen ihres Pelzes und des Bibergeils. Das Sekret, mit dem sie ihr Fell pflegen, war jahrhundertelang ein begehrtes Arzneimittel.

Inzwischen gibt es wieder 5000 Biberreviere und 18 000 Biber im Freistaat. "Damit ist die Art stabil und nachhaltig präsent bei uns", sagt Frobel. "Nur noch in der Fränkischen Schweiz, im Fichtelgebirge, im Frankenwald und im oberbayerischen Voralpenland gibt es Regionen, in die sich die Nager weiter ausbreiten können."

Auf der anderen Seite zeigt sich am Biber exemplarisch, wie konfliktreich die Rückkehr von Wildtieren ist. Zwar ist die Auswilderung der ersten Paare inzwischen schon fast 50 Jahr her. Aber viele Landwirte und vor allem der Bauernverband sind nach wie vor überzeugt, dass die Biber mit ihren überaus scharfen Zähnen viel zu hohe Schäden auf den Feldern und in der Landschaft anrichten.

Dabei werden den Bauern die Ausfälle großzügig ersetzt. Und wenn die Schäden wirklich zu groß werden, werden auch wieder Biber abgeschossen oder anderweitig aus ihren Revieren entfernt. Inzwischen summiert sich die Zahl der Biber-Abschüsse bereits auf 1200 Stück pro Jahr. Dennoch sind viele Landwirte der Ansicht, dass es die Tiere eigentlich nicht braucht - auch wenn das kaum einer offen sagt. Dabei ist der Streit müßig. Denn der Biber ist streng geschützt.

Für Ökologen und Naturfreunde ist er das auch aus sehr guten Gründen. "Der Biber ist ein einzigartiger Landschaftsbauer und -gestalter", sagt Frobel. "Es gibt keine andere Tierart, die das so gut kann wie er." Die Nager errichten so fleißig Dämme und Deiche, dass verödete und begradigte Flusslandschaften binnen kurzer Zeit wieder zu vielfältigen Auen mit mäandernden Nebengewässern, Tümpeln und zumindest zeitweise überschwemmten Wiesen werden.

"In einem Biberrevier fühlen sich deshalb nicht nur die Biber wohl", sagt der Artenschützer Frobel, "sondern schier unzählige andere, inzwischen meist extrem seltene Arten." Der Eisvogel und die Wasserralle zum Beispiel, aber auch der Laubfrosch und die Grüne Keiljungfer. Überhaupt zählen Biberreviere zu den libellenreichsten Gebieten in Deutschland.

Natürlich schätzen auch Fische die Biberreviere sehr, ob es nun Elritzen sind oder Bachforellen. "In Flussabschnitten ohne den Nager leben vielleicht 20 Bachforellen pro Kilometer", sagt Frobel. "In Abschnitten mit Bibern sind es dagegen 120 pro Kilometer."

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Auch das Fischartenspektrum selbst ist in Biberrevieren deutlich vielfältiger. Experten haben das einmal an einem Bach nahe dem oberbayerischen Freising dokumentiert. "Bevor sich dort der Biber ansiedelte, lebten neun Fischarten in ihm", berichtet Frobel. "Nachdem er eingewandert war, waren es mit 18 glatt doppelt so viele."

Es ist freilich nicht nur die Artenvielfalt, warum Frobel so begeistert ist vom Biber. "Mit ihren Dämmen und Deichen leisten die Nager einen Beitrag zu Hochwasserschutz und zum Auffüllen der Grundwasservorräte, und zwar einen komplett natürlichen", sagt er. "Denn die Bauwerke verzögern das schnelle Durchrauschen des Wassers ganz erheblich."

Im hessischen Fulda setzen die städtischen Wasserkraftwerke deshalb ganz gezielt auf Biber, um ihre Grundwasservorräte möglichst stabil zu halten. Alle diese Leistungen lassen sich sogar in Euro beziffern. Zumindest haben das die hessischen Naturschutzbehörden einmal ausgerechnet. "Sie sind auf 5000 Euro je Biber gekommen", sagt Frobel.

Im Landkreis Bad Kissingen sind sie denn auch so begeistert vom Biber, dass sie es nicht bei der Aussichtsplattform und bei dem Lehrpfad im Sinntal belassen wollen. Im Wildpark Klaushof, einem Tierpark nahe der Kreisstadt Bad Kissingen, errichten sie derzeit ein weitläufiges Biber-Freigehege. In seiner Mitte entsteht eine begehbare Biberburg, in der die Besucher direkt in die Wohnhöhlen der Biber hineinsehen können. "Natürlich hinter Glas", sagt Frobel. "Aber so nah wie dort kann man Bibern in freier Natur einfach nicht kommen."

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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