Namensstreit:"Der Bürgermeister ist emotional eine Kampfmaus"

  • Das Gymnasium Marktbreit will sich umbenennen, als Namenspatron soll der Naturwissenschaftler Bert Hölldobler dienen.
  • Allerdings stimmte im Stadtrat nur ein Mitglied für diese Änderung.
  • Offenbar ist der Bürgermeister gekränkt, weil er erst nach dem Kreistag von dem Vorhaben erfahren hat.

Von Olaf Przybilla, Marktbreit

Neulich haben sie sich im unterfränkischen Mellrichstadt entschieden, die Mittelschule nach Udo Lindenberg zu benennen. Es war nicht immer allen klar, was das soll. Lindenberg hat wenig, eigentlich gar nichts, mit dem Städtchen zu tun. Er stammt aus Westfalen, nach einem Sonderzug nach Mellrichstadt sucht man in seinem Werk vergebens, in einer Videobotschaft hat er sich nach der Entscheidung bei einer "geheimnisvollen Stadt in einem Zauberland, etwas weiter weg von Hamburg" bedankt. Er hätte auch sagen können: Mellrichwas? Den Mellrichstädtern ist das egal. Sie finden Lindenberg einfach gut.

Ebenfalls in Unterfranken liegt Marktbreit. Abitur macht man dort seit mehr als 50 Jahren im "Gymnasium Marktbreit", was als tauglicher Name gelten darf, aber durchaus Luft nach oben bietet. Zumal es einen sehr berühmten Mann gibt, der exakt dort, in der fränkischen Kleinstadt Marktbreit, Abitur gemacht hat. Mindestens unter Naturwissenschaftlern dürfte es auf dem Globus wenige geben, die den Namen Bert Hölldobler noch nie gehört haben.

Der Verhaltensforscher ist nicht nur Leibniz-Preisträger, der heute 81-Jährige ist 1991 gemeinsam mit Edward O. Wilson sogar mit dem Pulitzer-Preis geehrt worden. Forscher von seinem Rang gibt es in Deutschland wenige, selbst Unterfranken ist damit nicht überreich gesegnet. Was läge also näher, als ein naturwissenschaftliches Gymnasium nach einem der bedeutendsten lebenden Naturwissenschaftler des Landes zu benennen?

Die Schulfamilie sieht das genauso, sie hat sich vor zwei Jahren erstmals mit der Causa beschäftigt. Und wenn es einen musterhaften Prozess für eine Schulumbenennung auszuzeichnen gäbe, so käme das Gymnasium unbedingt infrage: Eine Handvoll Kandidaten wurden der Reihe nach diskutiert, man schaute sich die Kriterien an, die man berücksichtigen wollte, und am Ende waren sich alle - Schüler, Eltern, Lehrer - einig darin, dass sie Hölldobler als Namenspatron für ihre Schule haben wollen: ein weltläufiger und liberaler Mann, der mit seiner bahnbrechenden Arbeit über Ameisen weit mehr als nur Forscher-Zirkel für das Leben dieser Tiere zu begeistern weiß und in dessen Abi-Zeugnis "Marktbreit" steht. Perfekt.

Sollte man meinen. Nun hat aber der Stadtrat von Marktbreit ein Votum zu der Sache abgegeben. Fünf Fraktionen gehören diesem Gremium an. Am Ende stimmte exakt ein Stadtrat dafür, die Schule umzubenennen. Alle andern sagten: nein.

Der Antrag ging zuerst an den Kreistag

Wie kann das sein? Der Elternbeiratsvorsitzende Jürgen Kempf fragt sich das auch. Er kommt zum Ergebnis, dass nur "gekränkte Eitelkeit" und die "Befindlichkeit" eines Bürgermeisters der Grund dafür sein können. Tatsächlich hatte Schulleiter Friedhelm Klöhr den Vorschlag zunächst dem Kreistag unterbreitet, beim Sachaufwandsträger. Worauf sich Marktbreits Bürgermeister, der CSU-Kreisrat Erich Hegwein, indigniert zeigte. Und in der darauf folgenden Stadtratssitzung nachlegte, er sei "fuchsteufelswild" gewesen, weil doch die Stadt alles fürs Gymnasium tue.

"Dem Bürgermeister ist es aufgestoßen, dass er so lang nichts von dem Vorschlag gehört hat", erklärt sein Stellvertreter Herbert Biebelriether. Und ja, "der Bürgermeister ist emotional eine Kampfmaus". Die Stadt hatte einen anderen Namensgeber vorgeschlagen: Georg Ludwig von Seinsheim, der zu Zeiten der Gegenreformation Befehlshaber der fürstbischöflichen Truppen war - und sich Verdienste um die Stadt erworben haben soll.

Und nun? Elternbeirat Kempf sagt, die Situation sei "total verfahren", Direktor Klöhr der "ärmste Mensch Unterfrankens". Der will da gar nicht widersprechen. Er werde nun erst mal "gar nichts" mehr machen in der Sache, sagt er. Nur abwarten. Immerhin habe er jüngst mit Hölldobler, der zum Teil in den USA lebt, sprechen können. Der habe ihn beruhigt: Egal, was da nun rauskomme - er stehe zu seiner alten Schule.

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