Unterfranken:Schule wird nach Udo Lindenberg benannt - ohne jegliche Verbindung

Udo Lindenberg

Udo Lindenberg stehe für die bunte Republik - dieses Argument führte zu der ungewöhnlichen Namensgebung.

(Foto: dpa)

Lehrer, Eltern und Schüler der Mittelschule von Mellrichstadt sind sich einig: Sie wollen einen Namen, der für etwas steht.

Von Olaf Przybilla, Mellrichstadt

Egon Bauß hat Fragen erwartet. Kämen sie nicht, sagt der Rektor, würde ihn das wundern. Also: Die Mittelschule von Mellrichstadt in Unterfranken wird künftig anders heißen. In der Rhön gehen Schüler nun auf die Udo-Lindenberg-Mittelschule. Das hat die Schulfamilie so gewollt, deshalb wurde es beantragt und durchgefochten. Und klar, sagt er, nicht allen sei immer sofort klar, was das bitteschön soll: Lindenberg-Schule.

Die Fragen also, und die drängendste womöglich zuerst: Gibt es irgendwelche Spuren von Udo Lindenberg in Mellrichstadt? Gibt es nicht. Der Sänger wurde im westfälischen Gronau geboren, weder Vater noch Mutter stammten aus Mellrichstadt, auch nicht Hut oder Brille. Es gibt keinen von Lindenberg besungenen Sonderzug nach Mellrichstadt und allen zugänglichen Quellen zufolge hat er auch nie in Erwägung gezogen, eines der Hotels der Stadt zu beziehen, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Aber darum, um Spuren in Mellrichstadt, gehe es auch gar nicht, sagt Bauß. Im Grunde gehe es nicht mal um den Menschen Lindenberg. "Sondern", sagt er, "um die Idee, die dahinter steht: die bunte Republik."

Das führt erst mal weg von allen Fragen und hin zu einer Situation, der sich die Schule vor zwei Jahren ausgesetzt sah. Zuvor hatte man kaum Asylbewerber, dann waren es 59, etwa jeder Siebte an der Schule. Und weil man sich ohnehin schon mal Gedanken machen wollte, ob man nun für alle Zeiten "Mittelschule Mellrichstadt" heißen will, oder ob's nicht viel schöner wäre, sie nach jemandem zu benennen, der für etwas steht, womöglich gar eine lebende Person, habe man sich eben für Lindenberg entschieden, sagt Bauß. Und ja: Da habe auch ein Sonderzug eine Rolle gespielt. Mellrichstadt liegt ganz im Norden Bayerns, kurz hinter der Kleinstadt begann die DDR. Diese Mauer mit den Mitteln der Kunst zu überwinden, damit habe sich Lindenberg Verdienste erworben, sagt Bauß: "Stichwort: Sonderzug nach Pankow". Am Ende waren alle dafür: Lehrerkonferenz, Elternbeirat, Schülermitverwaltung.

Natürlich waren nicht alle sofort begeistert. Dass Lindenberg die eine oder andere Erfahrung mit Betäubungsmitteln gemacht haben soll, ist auch den Menschen im Kreis Rhön-Grabfeld nicht verborgen geblieben. Aber die Schüler sind dann gemeinsam zu Konzerten gefahren, nach Nürnberg und Erfurt. Und dort hat ihnen ein 71 Jahre alter Mann mitgeteilt, dass er über Erfahrungen verfüge, von denen er nur abraten könne. "Mit Drogen haben wir hier kein Problem", sagt der Rektor. Dass es künftig eines geben könnte, weil wohl schon nach den Sommerferien in großen Lettern "Udo Lindenberg" an der Schule stehen wird, das könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen.

In der Region habe es alle denkbaren Reaktionen auf den Vorschlag gegeben, sagt Bürgermeister Eberhard Streit, von Verstörung bis Euphorie. So einen Antrag bei der Regierung zu stellen, das aber obliege allein dem Sachaufwandsträger. Das heißt: dem Bürgermeister von Mellrichstadt und acht Rathauschefs der umliegenden Gemeinden. Die gehören alle der CSU oder den Freien Wählern an oder sind unabhängig wie Bürgermeister Streit. Einstimmig aber hätten sie sich von einem Argument überzeugen lassen: Es ist schön, findet Streit, "gerade eine Mittelschule nach einem Menschen zu benennen, der nicht als fehlerfreies Idol durchs Leben wandelt". Und der für Toleranz einstehe. Ein Strafverfahren gegen Lindenberg wegen des Verdachts auf unerlaubten Waffenbesitzes hat das Prozedere zwar noch verzögert. Als das Verfahren aber eingestellt wurde, habe man das Projekt konsequent weiterverfolgt.

Und Lindenberg? Er schwärmt in einer Videobotschaft von einer "geheimnisvollen Stadt in einem Zauberland, etwas weiter weg von Hamburg". Eine Schule nach ihm zu benennen, sei eine "Pioniertat". Machten sich Schüler "für die bunte Republik Deutschland" stark, so könne er das nur begrüßen.

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