Landgericht Regensburg:"Ich möchte einfach, dass alles wieder so ist wie vorher"

  • Im März 2017 wurde ein 28-Jähriger in Regensburg unvermittelt von einem Mann mit einem Messer attackiert.
  • Nun wird der Fall vor dem Landgericht Regensburg verhandelt.
  • Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten versuchten Mord zur Last, hält ihn aber für schuldunfähig, wegen Schizophrenie.

Aus dem Gericht von Andreas Glas, Regensburg

Es geschah binnen Sekunden. Und doch wirkt es nach, dieses Verbrechen, das eine ganze Stadt aufgewühlt hat. Weil es jeden hätte treffen können. Es war 11.14 Uhr am 29. März des vergangenen Jahres. Einer dieser Frühlingstage, die sich schon ein bisschen nach Sommer anfühlen. Ein Tag zum Flanieren, zum "Einkaufen, ein Eis essen", erzählt der 28-Jährige, der damals mit seiner Frau über den Sankt-Kassians-Platz in Regensburg spazierte. Dann, urplötzlich, spürte er diesen Schlag im Rücken. Seitdem ist alles anders in seinem Leben. Seitdem hat er Schmerzen und oft das Gefühl, dass er sich "umdrehen muss, weil man denkt: Wer läuft da hinter mir, was ist da los?".

An diesem Montag, zehn Monate später, trifft der 28-Jährige den Mann wieder, der ihm damals ein Messer in den Rücken rammte. Mohammad Y., 24, sitzt als Angeklagter in Saal 104 des Regensburger Landgerichts. Ein Mann in Jeans und Turnschuhen, er hat nichts Auffälliges an sich. Er ist Jordanier, er kam vor vier Jahren als Asylbewerber nach Deutschland. Man möchte wissen, warum er das getan hat. Warum er einen Mann schwer verletzt hat, den er nicht kannte und der ihm zufällig über den Weg lief. Aber Mohammad Y. sitzt nur da, hält den Kopf zwischen die Schultern geduckt, und schweigt. Er "will und kann momentan nicht" sprechen, sagt sein Rechtsanwalt.

"Unvermittelt und ohne jeden Anlass" habe er zugestochen, sagt die Staatsanwältin über Mohammad Y. Nach der Tat wollte er flüchten, doch ein Passant stellte ihm ein Bein. Weitere Personen kamen dazu und hielten ihn fest, bis die Polizei da war. Unterdessen kümmerte sich ein Arzt, der zufällig vorbeikam, um den Verletzten. Bei der Polizei soll Mohammad Y. "wirre Aussagen" gemacht haben. "Dass eine Stimme zu ihm gesprochen" und dass "Gott ihm das befohlen" habe, sagen Polizisten, die als Zeugen vor Gericht geladen sind. Ein religiöses Motiv sieht die Staatsanwaltschaft darin offenbar nicht. Sie legt Mohammad Y. versuchten Mord zur Last, hält ihn aber für schuldunfähig, wegen Schizophrenie. Nach allem, was bekannt ist, war es die Tat eines psychisch kranken Mannes.

Die Krankheit sei auch der Grund, dass Mohammad Y. "nicht in der Lage ist, etwas zu sagen". Vielleicht später, aber nicht heute, nicht am ersten Prozesstag, sagt sein Anwalt. Während Mohammad Y. stumm dasitzt und sein Blick auf dem Fußboden klebt, spricht das 28-jährige Opfer über den Tag, der sein Leben verändert hat. Er hatte damals frei, seine Frau war in Elternzeit. Zum ersten Mal seit einem halben Jahr, seit der Geburt ihrer Tochter, wollten sie einen Tag nur zu zweit verbringen. Die Großeltern passten auf die Kleine auf, die Eltern fuhren aus Oberfranken nach Regensburg. "Wir haben gesagt, wir gönnen uns mal einen schönen Tag", erzählt der 28-Jährige dem Richter.

Sie waren auf dem Weg zu einem Modegeschäft, als ihnen Mohammad Y. entgegenkam. Er sei bereits an dem Paar vorbeigelaufen, da habe er sich "um 180 Grad gedreht", sagt eine Frau, die ebenfalls als Zeugin aussagt. Er habe "den Schwung komplett mitgenommen" und dem 28-Jährigen das Messer in den Rücken gestoßen. "Mein erster Gedanke war, der wollte mich niederschlagen und ausrauben", sagt das Zufallsopfer. Er habe zuerst seine Hosentaschen abgetastet, ob sein Handy noch da sei und sein Geldbeutel. Erst als seine Frau anfing zu schreien, da habe er gedacht: "Irgendwas stimmt nicht, irgendwas steckt da" in seinem Rücken.

Vermutlich als er zu Boden sank, fiel das Messer aus seinem Rücken auf das Kopfsteinpflaster. Er habe "gar nicht realisiert, was eigentlich passiert ist", bis er die blutige Klinge gesehen habe, sagt der 28-Jährige. Er atmet schwer, während er das erzählt. Seit das passiert ist, atme er immer schwer, "wenn ich lange rede". Der Stich hat seine Lunge verletzt. Er erholt sich nur langsam, war drei Monate krankgeschrieben. Er hat immer noch Schmerzen in der Brust, kann sich schwer konzentrieren, ist in psychologischer Behandlung. Er sagt: "Ich möchte einfach, dass alles wieder so ist wie vorher."

Dass das irgendwann der Fall ist, könne man nur hoffen, sagt der Richter. Er muss nun klären, ob Mohammad Y. dauerhaft in der Forensik untergebracht wird. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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