Prozess in Ingolstadt:"Sie wäre zur Alleinerbin geworden"

Prozess um Mordversuch mit Rattengift

Der 53-jährige Landwirt aus Wettstetten wird in den Saal am Landgericht Ingolstadt geführt. Er ist des dreifachen versuchten Mordes angeklagt.

(Foto: dpa)
  • Ein 53-Jähriger steht in Ingolstadt vor Gericht, weil er versucht haben soll, seine Eltern und seine Lebensgefährtin mit Rattengift zu töten.
  • Am ersten Prozesstag wies er die Vorwürfe zurück und lenkte den Verdacht auf seine Schwester.
  • Der Landwirt aus Wettstetten im Landkreis Eichstätt soll sich schon seit längerer Zeit mit dem Thema Rattengift befasst haben.

Aus dem Gericht von Hans Holzhaider, Ingolstadt

In dieser Familie wird vermutlich lange kein Friede einkehren: Der Sohn, 53, wird beschuldigt, er habe versucht, zunächst seine Lebensgefährtin und später seine Eltern mit Rattengift ums Leben zu bringen. Am ersten Prozesstag vor dem Landgericht Ingolstadt wies er diese Vorwürfe energisch zurück: Er liebe seine Eltern über alles, es habe keinerlei Grund für ihn gegeben, sie zu ermorden. Stattdessen lenkte er den Verdacht auf seine drei Jahre ältere Schwester. Die, so ließ er seine Verteidiger vortragen, habe sowohl die Gelegenheit als auch ein Motiv gehabt, die Eltern umzubringen: "Sie wäre zur Alleinerbin geworden, wenn der Verdacht auf den dummen Bruder fällt."

Die Geschichte spielt in Wettstetten, einer 5000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Eichstätt. Dort bewirtschafteten Friedrich und Heidrun P. einen Bauernhof, den sie schon vor Jahren an ihren Sohn Friedrich übergaben. Die alten Leute, 77 und 80 Jahre alt, lebten im Wohnhaus, der Sohn in einem zweiten Haus auf demselben Grundstück. Er hat vier Kinder aus einer geschiedenen Ehe. Die ältere Schwester lebt mit ihrer Familie ebenfalls in Wettstetten.

"Schon seit längerer Zeit", heißt es in der Anklage, habe sich Friedrich P. "mit dem Thema Rattengift" befasst. Im April oder Mai 2015 habe er seiner damaligen Lebensgefährtin über einen längeren Zeitraum mit Rattengift vermengte Speisen oder Flüssigkeiten verabreicht. Die Frau habe dadurch eine lebensgefährliche Vergiftung erlitten. Nach einer stationären Behandlung hätten sich ihre Blutwerte zwar verbessert, als Folge der Vergiftung habe die Frau aber ihre Fortpflanzungsfähigkeit verloren. Ein Motiv für diese Tat ist der Anklage nicht zu entnehmen.

Etwa eineinhalb Jahre später, im September 2016, habe der Angeklagte bei einer chinesischen Firma ein Rattengift mit dem Wirkstoff Cumarin bestellt. Dieses Gift habe er dann seinen Eltern verabreicht, die daraufhin beide in lebensbedrohlichem Zustand im Klinikum in Regensburg behandelt werden mussten. Er habe seine Eltern töten wollen, um dadurch frühzeitig in den Besitz des Anwesens zu kommen, in dem seine Eltern lebten und für das sie noch den Nießbrauch hatten.

"Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Ingolstadt ist nicht richtig", erklärte Verteidigerin Alexandra Gutmeyr im Namen ihres Mandanten. "Weder habe ich versucht, meine Eltern, welche ich über alles liebe, noch meine Ex-Lebensgefährtin zu ermorden." Tagaus, tagein, so heißt es weiter in der Erklärung, "überlege ich, wie ich meine Unschuld beweisen kann".

Er habe das Gift "allein aus Neugier" bestellt

Dass Friedrich P. das Rattengift in China bestellt und auch geliefert bekommen hat, bestreitet er nicht. Bei der Polizei hatte er anfangs behauptet, er habe das Mittel für jemanden anders bestellt. "Das war dumm von mir", erklärt er jetzt. Tatsächlich habe er das Gift "allein aus Neugier" bestellt. Er habe im Internet gelesen, dass der Wirkstoff Cumarin auch für Dopingzwecke benutzt werde, und habe nur testen wollen, ob man das Mittel tatsächlich so einfach per Post bestellen könne.

Als das Paket dann tatsächlich ankam, habe er es nicht einmal mit ins Haus genommen, sondern gleich im Freien geöffnet und den Inhalt sofort in der Restmülltonne entsorgt. Jeder Beliebige habe es dort entnehmen können. "Ich komme aber nicht umhin, meine Schwester Adele zu verdächtigen", ließ der Angeklagte vortragen.

Er habe den Bestellschein mehrere Tage offen herumliegen lassen und ihn dann in der Papiertonne entsorgt; die Schwester habe ihn also sehen können. Sie habe auch die Möglichkeit gehabt, den Eltern das Gift beizubringen, weil sie diese mehrmals in der Woche besucht und dabei auch kleine Snacks mitgebracht habe. Die Aussicht auf das Alleinerbe erkläre auch "ihr starkes Engagement, Verdachtsmomente auf mich zu lenken".

Der Polizei wirft Friedrich P. vor, sie habe nur in eine Richtung ermittelt und die Möglichkeit eines anderen Täters gar nicht in Betracht gezogen. "Ich war der perfekte Täter", heißt es in der Erklärung. Die Polizei habe ihn von Anfang an in Verdacht gehabt, "nur weil ich eine Dummheit gemacht habe, als ich mein Haus angezündet habe". Das war 2013. Das Haus brannte damals nicht aus und wurde renoviert.

Bei beiden wurden hohe toxische Werte des Wirkstoffs Cumarin festgestellt

Als erste Zeugen vernahm das Gericht die beiden Söhne und die Schwiegertochter von Adele G., der Schwester des Angeklagten. Sie berichteten, wie bei den Großeltern Anfang Dezember 2016 plötzlich Blutungen aus dem Mund und der Nase einsetzten. Auf Anraten des Hausarztes brachten sie zunächst den Großvater ins Klinikum Regensburg, wo er sofort intensivmedizinisch behandelt wurde. Auf Anraten der Ärzte begab sich am nächsten Tag auch die Großmutter in Behandlung. Bei beiden wurden hohe toxische Werte des Wirkstoffs Cumarin im Blut festgestellt. Sie mussten mehrere Wochen im Krankenhaus bleiben.

"Für die Großeltern ist das immer noch schwer vorstellbar, dass die Anschuldigungen gegen ihren Sohn zutreffen", sagte einer der Enkel. Er berichtete auch, dass das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seiner Schwester sehr distanziert gewesen sei. "Die haben Hallo und Tschüs gesagt, mehr war da nicht", sagte er. Eine Erklärung dafür habe er nicht, zumal der Onkel auch sein Taufpate sei. "Irgendwann in meiner Kindheit ist das Verhältnis schlechter geworden. Keiner hat mir je gesagt warum."

Von den Eltern des Angeklagten, den Opfern, ist keine Aufklärung zu erwarten. Sie machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht widerriefen sie; auch die Ergebnisse der Blut- und Haaruntersuchungen dürfen nicht verwertet werden. Der Prozess wird fortgesetzt.

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