KZ-Gedenkstätte Dachau:Das Tor zur Hölle

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Das Lagertor aus Dachau, das vor zwei Jahren verschwand. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Vor gut zwei Jahren ist das historische Tor zur Dachauer KZ-Gedenkstätte mit dem bekannten Schriftzug "Arbeit macht frei" gestohlen worden.
  • Nach einem anonymen Hinweis hat die norwegische Polizei die Tür nun höchstwahrscheinlich gefunden.
  • Sie befindet sich in einem schlechten Zustand, vermutlich stand sie lange Zeit im Freien.

Von Helmut Zeller, Dachau/Bergen

Der Fürstenfeldbrucker Kripochef Manfred Frei hat es vor zwei Jahren prophezeit: Die KZ-Tür, die in der Nacht des 2. November 2014 aus der Gedenkstätte in Dachau gestohlen wurde, werde voraussichtlich nur durch einen Zufall entdeckt, sagte Frei damals. Jetzt ist es so gekommen: Aufgrund eines anonymen Hinweises stellte die Polizei im norwegischen Bergen ein eisernes Tor mit dem zynischen Schriftzug "Arbeit macht frei" sicher.

Die Tür wurde außerhalb Bergens gefunden und befindet sich in einem schlechten Zustand: Griff und einzelne Metallstreben sind verrostet. Das weist darauf hin, dass die Tür eine lange Zeit im Freien gelegen ist. Die Ermittler in Deutschland glauben nach einem Fotovergleich, dass es sich mit "hoher Wahrscheinlichkeit" um das in Dachau entwendete Nazirelikt handelt. Der Diebstahl in der Nacht des 2. November 2014 hatte weltweit Empörung ausgelöst. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sprach von einem Angriff auf die Erinnerung an den Holocaust, Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte rasche Aufklärung.

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Doch die Ermittlungsgruppe um Manfred Frei hatte trotz aufwendiger Fahndung keinen Erfolg. Vermutlich hoben mehrere Täter die hundert Kilogramm schwere Eisentür aus dem Tor des ehemaligen Konzentrationslagers, in dem zwischen 1933 und 1945 mehr als 200 000 Häftlinge gefangen waren. Ungefähr 41 000 Häftlinge überlebten nicht. Die Kripo prüfte die DNA von Zigarettenkippen und Hautschuppen der Diebe, die am Tatort gefunden wurden, wertete die Kameraaufnahmen umliegender Tankstellen aus und ging Dutzenden Hinweisen aus der Bevölkerung nach - von der KZ-Tür und Tätern fanden sie jedoch trotz einer internationalen Fahndung keine Spur.

Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten setzte eine Belohnung von 10 000 Euro aus. Auch das blieb ohne Erfolg ebenso wie die Darstellung des Diebstahls in der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY". Die Kripo konnte nicht einmal sagen, ob hinter dem Diebstahl Neonazis oder Sammler von NS-Devotionalien steckten. Der Fall erinnerte an den Diebstahl des metallenen Schriftzugs "Arbeit macht frei" im Jahr 2009 im KZ Auschwitz: Als Drahtzieher wurde der schwedische Neonazi Anders Högströ, der inzwischen nach eigenen Angaben aus der Szene ausgestiegen ist, in Krakau zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.

Die norwegische Polizei in Bergen erhielt nun in dieser Woche einen anonymen Hinweis auf die KZ-Tür. Die Beamten stellten sie sicher und informierten das Bundeskriminalamt (BKA) über das Verbindungsbüro Nordische Staaten. Über die näheren Umstände gab die Polizei am Freitag noch keine Auskunft. "Die Auffindung wird länderübergreifend zwischen den Dienststellen geklärt", teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Nord mit.

Die norwegische Lokalzeitung Bygdanytt schreibt, das Tor sei in Ytre Arna entdeckt worden, einem Vorort von Bergen.

Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Es ist für mich eine große Erleichterung, dass nun der Originalbeweis für die Menschenverachtung der Nazis wieder aufgetaucht ist." Auch Dachau-Überlebende wie der Israeli Abba Naor freuten sich über den Fahndungserfolg. "Dieses Relikt ist ein wichtiges Element in der Geschichte das Dachauer Konzentrationslagers und für eine authentische Erinnerung an die Naziverbrechen", sagte der 88-jährige Holocaust-Überlebende.

Zur 70-Jahr-Feier der Befreiung des KZ am 29. April 1945 wurde nach langer Diskussion eine Kopie der entwendeten Tür eingesetzt. Was damit nun geschehen soll, wird Karl Freller zufolge in den nächsten Wochen beraten werden. Wie der Stiftungsdirektor sagte, bleibt die Rekonstruktion entweder im KZ-Tor und das Original wird im Museum ausgestellt, wo es besser gesichert ist. Oder man wird es anstelle der Kopie wieder einsetzen.

Der Diebstahl hatte zu einer Diskussion über die Sicherheit von KZ-Gedenkstätten in Bayern geführt, die immer wieder von Neonazi-Übergriffen betroffen sind - mit dem Ergebnis, dass die Gedenkstätte Dachau mit Kameras ausgerüstet und der private Sicherheitsdienst verstärkt wurde.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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