Kultur:Coburg soll ein Globe-Theater bekommen

Lesezeit: 3 min

  • Zwei Architekturstudenten haben in Coburg einen außergewöhnlichen Entwurf für eine Ausweichspielstätte des Landestheaters vorgelegt.
  • Über ihre Idee eines Globe-Theaters - ähnlich dem in London - stimmt der Stadtrat im Januar ab.
  • Der Entwurf hat ungewöhnliche Unterstützer: Von einen Linken-Stadtrat bis hin zu wohlhabenden Wirtschaftslenkern.

Von Olaf Przybilla, Coburg

An den Augenblick, als ihnen die Idee kam, können sich Isabell Stengel und Anders Macht noch gut erinnern. Vor zwei Jahren war das, die beiden Architekturstudenten standen auf dem Schlossplatz in Coburg, ihr Professor hatte ihnen die Aufgabe gestellt, sich ein paar Gedanken zu machen über eine Interimsspielstätte des Landestheaters.

Und als sie da so standen, die Geschichte der Stadt im Kopf, vor allem jene des Coburger Prinzen Albert, der im britischen Königshaus Karriere gemacht hat - die halbe Welt will mal in die nach ihm benannte Royal Albert Hall -; als sie sich also das alles durch den Kopf gingen ließen, da war er plötzlich da, der Gedanke. Warum nicht ein Globe-Theater, an Shakespeare und London erinnernd, in jener Stadt bauen, die wie keine andere in Bayern ihre alten Beziehungen nach England pflegt?

Wohlgemerkt, sagt Anders Macht, "das war am Anfang ein akademisches Projekt", ein Gedankenspiel für eine Studienarbeit. Was danach passiert ist, böte hinreichend Stoff für weitere Seminararbeiten, die aber eher zur Coburger Stadthistorie. In der Kurzfassung: Im akademischen Zirkel wurden die Studenten belobigt, auch die Stadt bekam Wind von der Idee. Große Entzückung zunächst, dann in Etappen Ernüchterung: zu teuer, zu riskant, falscher Standort, ungeklärte Platzfragen.

Von der Themse an die Itz.

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(Foto: Anders Macht und Isabell Stengel)

So könnte Coburgs Globe-Theater aussehen,...

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(Foto: Anders Macht und Isabell Stengel)

...das an die Geschichte der Stadt und ihre besondere Beziehung nach London erinnern würde.

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(Foto: Anders Macht und Isabell Stengel)

Ob der Bau am Güterbahnhof tatsächlich kommt,...

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(Foto: Anders Macht und Isabell Stengel)

...darüber wird der Stadtrat am 25. Januar entscheiden.

Die Idee wurde beerdigt, lebte noch mal auf, wurde erneut beerdigt, diesmal mit allen Anzeichen von Endgültigkeit. Und könnte nun doch kurz davor stehen, vom Stadtrat beschlossen zu werden. Warum? Weil - auch das dürfte ein Novum sein in der Geschichte bayerischer Kommunalpolitik - ein Stadtrat der Linken kurz vorm Jahreswechsel noch einen Eilantrag gestellt hat. Und die großen Parteien, die längst andere Modelle verfolgten, über Weihnachten schwer ins Grübeln gekommen sind darüber.

René Hähnlein heißt der Linken-Stadtrat, er ist Fraktionssprecher einer Gruppierung namens SBC ("Sozial und bürgernah für Coburg"), einer Vereinigung von Linken und SPD-Abtrünnigen. Einem Eilantrag dieser Gruppe im Stadtrat hätte man bisher eine hohe Wahrscheinlichkeit attestieren müssen, direkt in der Endablage versenkt zu werden. Seit Hähnlein seinen Antrag aber eingebracht hat, wurde zunächst die Entscheidung über das Interimsquartier vertagt. Und danach meldeten sich Unterstützer, die man sich in einer Stadt-Satire hätte gut vorstellen können, in der Wirklichkeit eher nicht.

Der Linke wird nun unterstützt von: der FDP, dem CSU-Mann und Landesvorsitzenden der Mittelstandsunion Hans Michelbach und, als Krönung sozusagen, von Michael Stoschek, einem der wohlhabendsten Wirtschaftslenker Bayerns, dem faktischen Boss von Brose. Die Linke und Stoschek in einem Boot? "Wenn Sie wollen, können Sie das für ein Bonmot halten", sagt Hähnlein. Das aber sei ihm egal: "Mir geht's um die Sache."

Auch wie es zu dieser Koalition gekommen ist, wäre eher Sache eines Stadthistorikers. Der wiederum käme beim Nacherzählen keinesfalls aus ohne Auwi Stübbe. Der emeritierte Architektur-Professor und Vorsitzende des Coburger Designforums wollte sich nicht abgeben damit, dass die Idee von Stengel und Macht nach zwei Jahren zu versanden drohte. Er hielt auch die Alternativen - ein Zelt oder einen Zweckbau auf Zeit - für wenig prickelnd. Er fand heraus, dass der Londoner Architekt Andrew Todd südlich von Calais ein "Elizabethan Theatre" gebaut hat, das so ähnlich auch nach Coburg passen und womöglich nicht mehr kosten würde als die bisher diskutierten Alternativen: ein komplett überdachter Rundbau aus Fichtenmassivholz, mit einer rechteckig in den Raum ragenden Bühne und 388 Sitzplätzen, die auf drei Ebenen verteilt sind.

Er fand wirtschaftlich potente Fürsprecher in der Stadt, darunter Stoschek und die HUK Coburg. Machte sich auch Gedanken über eine Nachnutzung des Globe-Theaters als Kulturort auf dem früheren Güterbahnhofgelände. Und marschierte damit ins Coburger Rathaus, kurz bevor SPD und CSU dort über ihre Vorschläge abstimmen lassen wollten. Ein Eilantrag? Das hätten die großen Fraktionen ohne Gesichtsverlust kaum über die Bühne gebracht. Also zum Linken Hähnlein. "Ich bin völlig überzeugt von der Sache", sagt Stübbe, "wir ziehen das jetzt durch." Hähnlein fand das alles sehr nachvollziehbar.

Abgestimmt werden soll nun am 25. Januar, die Situation für den Stadtrat ist alles andere als komfortabel. Nach einem Wasserschaden und erheblichem Sanierungsbedarf endet die Betriebsgenehmigung für das Landestheater im April 2019, im darauffolgenden Herbst muss eine Ausweichspielstätte fertig sein. In der letzten Sitzung vor der Weihnachtspause hat SPD-Oberbürgermeister Norbert Tessmer ausgeschlossen, die Entscheidung weiter aufzuschieben. Andernfalls brauche man "ein Interim für das Interim", das könne nicht sein.

Also muss der Stadtrat jetzt entscheiden, nach zweijähriger Debatte. Dass er sich ausgerechnet für einen Antrag ausspricht, der im Dezember erst eingebracht wurde, wenige Stunden vor Ablauf der Frist, und von einer Minderheitenfraktion aus Abtrünnigen und Linken stammt - wäre sonst der unwahrscheinlichste aller Fälle. Hinter diesem Antrag aber steht Stoschek, der auf Nachfrage mitteilt, er habe die "Initiative ergriffen" und Vertreter der HUK und der Firma Kaeser gebeten, "gemeinsam mit Brose die Planung und den Bau des Gebäudes zu finanzieren und es nach Fertigstellung an die Stadt zu übertragen". Das sind extrem gute Argumente.

Isabell Stengel und Anders Macht sind trotzdem noch skeptisch, zu oft folgte zuletzt Ernüchterung auf Anfangseuphorie. Sollte sich der Rat tatsächlich für ihre Idee entscheiden, "dann braucht die Stadt erfahrene Architekten", sagt Macht. Etwa bei der komplexen Frage, wo in so einem Bau eigentlich das Orchester musizieren soll. Sie als Studenten könnten da nur beratend zur Seite stehen, sagt er. Immerhin müssten sie jetzt erst mal ihren Master machen.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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