Integration von Migranten:"Wer zuwandert, muss sich diesen Regeln anpassen"

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  • Die von den Grünen initiierte Enquete-Kommission Integration hat ihre Ergebnisse vorgestellt.
  • Ihr Bericht beinhaltet konkrete Vorschläge: So sollen ausländische Bildungsabschlüsse schneller und unbürokratischer anerkannt werden.
  • Vor allem der Umgangston innerhalb der Kommission gefiel den Teilnehmern allerdings nicht.

Von Lisa Schnell, München

Achtung, der folgende Satz ist keine Falschmeldung: Alle Parteien im Landtag sind sich einig, wie mit Zuwanderern in Bayern umgegangen werden muss. Klingt unglaublich angesichts der scharfen Asyldebatte, die gerade über Bayern hinweggefegt ist, stimmt aber. Es geht dabei allerdings nicht um diejenigen, die an den Grenzen abgewiesen werden sollen oder nicht, sondern um die rund drei Millionen Migranten (Stand: 2016), die derzeit in Bayern leben.

Was brauchen gerade erst Zugewanderte, um sich zu integrieren? Was bietet ihnen der Freistaat, und was verlangt er von ihnen? Über diesen Fragen brüteten Vertreter aller Parteien in der von den Grünen initiierten Enquete-Kommission Integration etwa zwei Jahre lang. Fast jeden Donnerstag kamen sie zusammen, hörten sich Experten an und verfassten am Ende einen 244 Seiten langen Bericht. Darin findet sich viel Trennendes, aber auch 158 gemeinsame Handlungsempfehlungen.

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Viele von ihnen sind Allgemeinplätze, wie die Feststellung, dass Rassismus und Diskriminierung der Integration schaden, es gibt aber auch konkrete Vorschläge. So sollen ausländische Bildungsabschlüsse schneller und unbürokratischer anerkannt werden. Die Bearbeitungsdauer von drei Monaten dürfe dabei nicht überschritten werden, heißt es in dem Bericht. Ausnahmen beim Mindestlohn für Zuwanderer lehnen alle Fraktionen ab, da "dadurch eine Gruppe gegen die andere ausgespielt würde". Um eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, soll es flächendeckend möglich sein, frühzeitig die Kompetenzen von Asylsuchenden abzufragen. Bei der Unterbringung von Geflüchteten sollen kleinere Gemeinschaftsunterkünfte grundsätzlich bevorzugt werden.

Ein Punkt, der den Grünen besonders wichtig ist und den sie als Erfolg gegen die Unterbringung in Massenunterkünften wie in Manching bei Ingolstadt verbuchen. "Kleinere Gemeinschaftsunterkünfte sind niemals eine Kaserne", deutet Christine Kamm, asylpolitische Sprecherin der Grünen, die auch von der CSU mitgetragene Empfehlung der Kommission. Auch an eine weitere gemeinsame Empfehlung wird sie die Staatsregierung gerne erinnern. So sollen die Gewaltschutzkonzepte für Frauen in Flüchtlingsunterkünften ausgebaut werden und die Hausaufgabenbetreuung für Flüchtlingskinder besonders in Gemeinschaftsunterkünften stärker unterstützt werden.

Auch Erstorientierungskurse für Asylbewerber, in denen sie über das Zusammenleben in Deutschland informiert werden und erste Deutschkenntnisse vermittelt bekommen, sollen flächendeckend bereits in Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten werden. Wohl um den erhöhten Bedarf an Sprachlehrern aufzufangen, sprechen sich alle Fraktionen dafür aus, das Angebot im Fach "Deutsch als Zweitsprache" an den Universitäten auszubauen. Während SPD und Grüne dafür eintreten, die Angebote für alle Zuwanderer bereitzustellen, will sie die CSU nur für solche mit guter Bleibeperspektive gelten lassen. "Leider sind wir da auf Granit gestoßen", sagte Kamm.

Neben dem Anspruch auf Bildung betont der Bericht auch die Verpflichtung von Geflüchteten, die Bildungsangebote anzunehmen. Auch die Anerkennung der deutschen Rechts- und Werteordnung verlangen alle Parteien. Anders als die CSU lehnen Grüne, SPD und Freie Wähler den Begriff der Leitkultur ab. Nicht nur Hans Jürgen Fahn (FW) ist enttäuscht, dass "die CSU nicht davon zu überzeugen war, den Begriff der Leitkultur zu streichen".

Da die CSU analog zum Landtag auch in der Kommission die meisten Mitglieder stellte, wurde mehrheitlich für die Empfehlung gestimmt, die Leitkultur zum Maßstab staatlicher Integrationspolitik zu machen. "Wer zuwandert, muss sich diesen Regeln anpassen", sagte Thomas Huber, stellvertretender Vorsitzender der Kommission. Was diese Regeln genau sind, konnten zumindest die Mitglieder der Opposition auch in zwei Jahren nicht herausfinden. Die CSU-Fraktion setzte mit ihrer Mehrheit zudem die Empfehlung für das "verpflichtende Lernen und regelmäßige Singen der deutschen Nationalhymne und der Bayernhymne in Schulen" durch.

Einig sind sich alle Parteien darin, die Integrationsmaßnahmen freier Träger, insbesondere der Selbstorganisationen von Migranten, stärker zu fördern. Es sollen Programme entwickelt werden, um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für eine Mitgliedschaft in politischen Parteien zu motivieren. Außerdem soll nach den Ursachen geforscht werden, warum sie so selten wählen gehen. Gemeinsames Ziel ist es, die Einbürgerungsquote zu erhöhen.

Insgesamt ziehen alle Fraktionen eine positive Bilanz, nur der Umgangston gefiel einigen Teilnehmern nicht, etwa dem von den Grünen berufenen Experten Michael Stenger von der "Schlau-Schule". Dass Zuwanderer von einem Gast als "Höhlenmenschen" bezeichnet würden, habe er nicht gedacht. Auch nicht, dass Markus Blume, mittlerweile CSU-Generalsekretär, einen CSU-kritischen Kirchenvertreter eine "Schande für die Kirche" nennen könnte. Die Staatsregierung müsse jetzt die richtigen Weichen stellen und bei der Integration "auf solide Sacharbeit statt auf Stimmungsmache" setzen, sagte Kommissionsvorsitzender Arif Taşdelen (SPD).

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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