Haushaltsklausur der Staatsregierung:Wahlversprechen kosten Milliarden

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Zwei Widersacher in der Regierung: Finanzminister Markus Söder wird regelmäßig zur Zielscheibe von Ministerpräsident Horst Seehofer. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Am Tegernsee wird über Milliarden verhandelt. Die bayerische Staatsregierung braucht das Geld, um ihre Versprechen einzuhalten. Dafür muss Finanzminister Söder nun trotz Rekordeinnahmen Rücklagen plündern.

Von Mike Szymanski, Gmund am Tegernsee

Trotz Steuereinnahmen auf Rekordniveau muss Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) nach Informationen der Süddeutschen Zeitung offenbar die Rücklagen plündern, um alle mit dem Doppelhaushalt 2015/2016 verknüpften Versprechen erfüllen zu können. Andernfalls wäre das von Regierungschef Horst Seehofer (CSU) festgelegte Limit von drei Prozent für zusätzliche Ausgaben nicht zu halten, heißt es aus der Staatsregierung.

Noch bis diesen Samstag berät das Kabinett in Sankt Quirin am Tegernsee den Etatentwurf für den Doppelhaushalt 2015/2016. Für 2014 stehen in den Büchern noch gut drei Milliarden Euro als Rücklage für schlechte Zeiten. Söder will sie halbieren, Ende 2016 soll sie nur noch 1,5 Milliarden Euro betragen. Eine Sprecherin des Ministeriums teilte lediglich mit: "Es ist noch nichts beschlossen."

Mit dem Geld will Söder einerseits öffentlichkeitswirksam Schulden des Freistaates abzahlen. Andererseits will er damit laufende Kosten decken, die die Rettung der bayerischen Landesbank vor Jahren weiterhin verursacht. Söders Vorgehen steht auch in deutlichem Gegensatz zu den jüngsten Empfehlungen des Bayerischen Obersten Rechnungshofes (ORH). Dessen Präsident Heinz Fischer-Heidlberger hatte die Staatsregierung gemahnt, in wirtschaftlich prosperierenden Jahren nicht auf die Reserven zurückzugreifen.

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Von Mike Szymanski

Unmittelbar vor der Haushaltsklausur hatte Söder versichert, die Kritikpunkte des ORH bei diesem Haushaltsentwurf "der Liste nach abzuarbeiten". In Bayerns Haushaltspolitik sehe er bereits eine "neue Etappe" erreicht. Auch Seehofer sagte zum Auftakt des Treffens am Freitag: "Es ist eine politische Leistung, nicht das Geld auszugeben, was man hat."

Er verwies darauf, dass seine Staatsregierung im nächsten Doppelhaushalt abermals eine Milliarde Euro an Schulden zurückbezahlen werde. Über das Abschmelzen der Rücklage um etwa 1,5 Milliarden Euro im gleichen Zeitraum verlor er dagegen in seinem Statement kein Wort.

Der Vorgang zeigt, wie schwer sich Seehofers Staatsregierung trotz bester konjunktureller Entwicklung tut, die kostspieligen Wahlversprechen einzulösen. Auf der einen Seite hat Seehofer versichert, Bayern bis 2030 schuldenfrei zu machen. Er sprach andererseits teure Garantien für die Schulen aus - das Ganztagsangebot werde bedarfsgerecht ausgebaut, kleine Schulen blieben erhalten. In seiner Regierungserklärung kündigte er zudem an, den Freistaat bis 2023 "komplett barrierefrei" zu machen. Dies alleine dürfte Milliarden kosten. Dabei hatte die Staatsregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode über ihre Verhältnisse gelebt und den Etat aufgebläht. Die Ausgaben waren stärker angestiegen als das Wirtschaftswachstum.

Mit dem neuen Doppelhaushalt will Seehofer eigentlich Grenzen ziehen. 2015 und 2016 steigen die Ausgaben jeweils um nur drei Prozent. Der Etat im nächsten Jahr liegt bei 51,2 Milliarden Euro. Das ist dennoch nicht genug Geld, um allen Wünschen nachzukommen.

"Wir wollen ein großes Stück vom Kuchen"

Direkt vor dem Tagungszentrum demonstrierten am Freitag gut ein Dutzend Menschen mit Behinderungen. Sie hatten eine Torte aus Pappe dabei, die sie Seehofer mit den Worten überreichten: "Wir wollen ein großes Stück vom Kuchen."

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Sozialministerin Emilia Müller hatte sich ursprünglich knapp 180 Millionen Euro für die Barrierefreiheit gewünscht. Zu viel, fanden Seehofer und Söder. In den vergangenen Tagen hatte Müller ihr Konzept bereits auf knapp 100 Millionen zusammengeschrumpft. Zu Beginn der Verhandlungen war unklar, welche Summe sie am Ende bewilligt bekommt. Die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung, Irmgard Badura, unterstützte die Demonstranten in Quirin und forderte von Seehofer "ein sichtbares Zeichen" ein. "Danke für die Zielvorgabe, aber jetzt müssen wir's erreichen", sagte sie zu Seehofer.

1,4 Milliarden Euro für die Bildung - zusätzlich

Wie schon in den Vorjahren will die Staatsregierung noch einmal kräftig in die Bildung investieren. Hier geht es nach SZ-Informationen um zusätzliche etwa 1,4 Milliarden Euro, die Minister Ludwig Spaenle 2015 und 2016 in Schulen und Hochschulen stecken kann. Darin enthalten sind auch 320 Millionen Euro, die frei werden, weil der Bund die Bafög-Zahlungen übernimmt.

Zusätzliche knapp 60 Millionen Euro könnten in das Ganztags-Versprechen investiert werden, sofern die Kabinettskollegen Söders Konzept folgen. Den Schulen bleiben knapp 2200 Lehrerstellen erhalten, die angesichts des Schülerrückgangs sonst weggefallen wären. Angesichts neuer Aufgaben wie Inklusion, Ganztagsausbau und Korrekturen am G-8-System sagte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer: "Damit müssen wir auskommen."

Viel Geld soll auch in die Digitalisierungsoffensive der Staatsregierung fließen. Von etwa 400 Millionen Euro war am Freitag die Rede, ein Großteil des Geldes soll in den Ausbau von Breitband-Netzen fürs schnelle Internet gehen. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner will ein Zentrum für Digitalisierung errichten. Wie viel genau sie dafür ausgeben kann, sollte bis diesen Samstag geklärt werden. Gerungen wurde bis zuletzt ums Personal. Seehofer schloss zusätzliche Stellen für die kommenden Jahre aus. Es werde unter dem Strich "keine Stelle mehr" geben. Aufgrund früherer Beschlüsse hätten eigentlich 1000 Stellen gestrichen werden sollen.

© SZ vom 19.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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