Gesundheit:Drei Viertel der Berufstätigen in Bayern leiden an Schlafstörungen

  • 77 Prozent der Erwerbstätigen im Freistaat leiden an Schlafproblemen.
  • Das zeigt jetzt eine Studie der DAK.
  • Die wenigsten Betroffenen gehen jedoch zum Arzt.

Von Dietrich Mittler

Von Bayerns König Ludwig II. ist überliefert, dass er an Schlaflosigkeit litt. Der Schriftsteller Ludwig Thoma etwa kommt in seinen "Erinnerungen" auf die Stunden zu sprechen, in denen "der arme König" die Nacht "zum Tag machte". Bayerns Arbeitnehmern geht es da kaum besser als einst dem unglücklichen Regenten.

Wie aus dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport hervorgeht, leiden rund 77 Prozent der Erwerbstätigen im Freistaat an Schlafproblemen. "Bayern schläft schlecht", bringt es Sophie Schwab, die Landeschefin der Krankenkasse DAK-Gesundheit in Bayern, auf eine Formel.

Hochgerechnet sind nach Einschätzung der DAK derzeit im Freistaat 5,14 Millionen Menschen von Schlafstörungen betroffen. Die gesundheitlichen Probleme, die mit Schlafstörungen einhergehen können, werden aber häufig unterschätzt. Nur fünf Prozent der für die Studie Befragten gaben an, deshalb bereits von einem Arzt behandelt worden zu sein.

Dabei gehen Experten davon aus, dass Schlafprobleme ein ernst zu nehmender Hinweis auf organische oder psychische Erkrankungen sein können. "Viele Menschen haben nachts das Smartphone an der Steckdose, können aber ihre eigenen Akkus nicht mehr aufladen", sagte DAK-Landeschefin Schwab.

Frauen, so ergab die neue Studie, sind häufiger von Ein- und Durchschlafproblemen betroffen als Männer. Für Schwab ergab sich hier bei Durchsicht der Daten eine interessante Parallele: Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen treten bei Frauen ebenfalls häufiger auf.

Männer hingegen werden öfter aufgrund organisch bedingter Schlafstörungen vom Arzt krankgeschrieben - so etwa bei "schlafbezogenen Atmungsstörungen". Oder wie es Thomas Penzel, der wissenschaftliche Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité in Berlin, zum Ausdruck bringt: "Ein typischer Patient kommt, weil seine Frau ihn wegen lautem und unregelmäßigem Schnarchen geschickt hat."

100 verschiedene Arten von Schlafstörungen

Insgesamt spielen Schlafstörungen bei Krankschreibungen jedoch eine sehr geringe Rolle. "Nur etwa jeder vierhundertste Fehltag dokumentiert eine Schlafstörung als Ursache", heißt es im Report. Was nicht bedeutet, dass der Leidensdruck der Betroffenen niedrig ist. "Schlafstörungen sollten uns wachrütteln", sagt Sophie Schwab.

Hinter ihrem Wortwitz steckt jedoch eine ernst zu nehmende Aussage - zumal da die Zahl der Betroffenen seit der letzten einschlägigen Studie der Krankenkasse deutlich gestiegen ist. "Bei der DAK-Untersuchung von vor sieben Jahren konnte in der Altersgruppe der 35- bis 65-Jährigen noch jeder Zweite gut schlafen. Heute gehören in Bayern nur 22 Prozent zu den Gut-Schläfern", sagt Susanne Hildebrandt vom IGES-Institut, das für die Studie die Daten ausgewertet hat.

Schlaflosigkeit betrifft aber beileibe nicht nur DAK-Versicherte. Um das herauszuarbeiten, wurden auch Mitglieder anderer Kassen befragt. Die Auswertung aller Daten gab überraschende Erkenntnisse: An- und ungelernte Arbeitnehmer gaben häufiger an, an Schlafstörungen zu leiden (13,3 Prozent) als etwa qualifizierte (9,6 Prozent) oder gar hoch qualifizierte Berufstätige in gehobener Position (7,6 Prozent).

Weniger überraschend ist indes die Erkenntnis, dass Schlafprobleme häufig jene treffen, die mit starkem Termin- und Leistungsdruck konfrontiert sind (16,7 Prozent) oder an der Grenze der Leistungsfähigkeit arbeiten (24,4 Prozent).

Gesundheit: SZ-Grafik; Quelle: DAK-Erwerbstätigenbefragung Bayern 2016

SZ-Grafik; Quelle: DAK-Erwerbstätigenbefragung Bayern 2016

Dass sich nur wenige Betroffene aufgrund von Schlafproblemen an einen Arzt wenden, begründeten die meisten Befragten damit, dass sie "ohne ärztliche Hilfe auskommen" wollten (fast 60 Prozent). Andere wiederum hielten ihre Schlafprobleme "nie für so schwerwiegend" (31,5 Prozent). Und die dritte Gruppe wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass hier ein Arzt helfen könnte (10,5 Prozent).

Insgesamt unterscheidet die Fachwelt zwischen gut 100 verschiedenen Arten von Schlafstörungen. Insomnien etwa sind gekennzeichnet durch andauernde Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, eine schlechte Qualität des Schlafs und eine Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit, obwohl ausreichend Zeit für Schlaf gegeben wäre.

Hans Förstl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar, rät indes dazu, Schlafprobleme abgeklärt anzugehen. Je mehr Schlaflosigkeit vom Betroffenen als Problem gesehen werde, umso mehr raube ihm das den Schlaf.

"Da kann sich eine regelrechte Schlafneurose entwickeln", sagte Förstl. Für manchen reichten vier bis fünf Stunden Schlaf aus, um sich tagsüber erholt zu fühlen. Andere wiederum brauchten zwölf Stunden Schlaf. Laut DAK-Chefin Schwab hielten die alten Griechen den Schlaf für ein Geschenk der Götter. In Bezug auf die Situation vieler bayerischer Arbeitnehmer sagte Schwab lakonisch: "Die Götter sind geizig geworden!"

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