Regierungsbunker:Bayerns Staatsgeheimnis Nummer eins

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Er ist ein Fossil aus dem Kalten Krieg: der einstige Regierungsbunker in Geretsried bei München. Doch mehr als drei Tage hätten die Regierungschefs die Atombombenangriffe der Sowjets in dem Keller wohl nicht überlebt. Ein Besuch.

Frederik Obermaier

Der Weg zum bayerischen Staatsgeheimnis Nummer1 führt 40 Kilometer raus aus München Richtung Alpen, in das Industriegebiet von Geretsried, in einen Keller. Hier, in der Sudetenstraße 81, sollte das bayerische Kabinett einen sowjetischen Atombombenangriff überleben, hier befand sich der geheime Ausweichsitz der Landesregierung - Bayerns letzte Bastion gegen den Feind im Osten.

Blick in den Dekontaminierungsbereich des stillgelegten Bunkers in Geretsried. (Foto: Hartmut Pöstges)

Jahrelang übten Krisenstäbe hier für den Ernstfall. Auch bei ausufernden Streiks, gewaltsamen Protesten oder Terroranschlägen wäre der Ministerpräsident nach Geretsried gebracht worden. Die Existenz des Bunkers bestätigte die Staatsregierung jedoch erst jetzt. Dabei ist die Anlage schon seit 1992 außer Betrieb.

Wo Alfons Goppel, Franz Josef Strauß und Max Streibl auch im Ernstfall die Regierungsgeschäfte hätten führen sollen, lagern heute Umzugskartons, Aktenstapel und alte Uniformen des Katastrophenschutzes. Ein paar Nato-Landkarten in hölzernen Schubladen und Eisenpritschen an den kahlen Betonwänden erinnern noch an den eigentlichen Zweck des Baus. Es ist fraglich, wie geeignet der 200 Quadratmeter große Schutzraum unter dem Speisesaal der Staatlichen Feuerwehrschule als Unterschlupf für den Ministerpräsidenten und seine Regierungsmannschaft war.

Denn die Ausstattung war dürftig: Zwar gab es Strom, eine Luftfilteranlage und Platz für etwa 180 Personen. Wenn der Ministerpräsident jedoch hätte duschen wollen, hätte wohl ein Staatssekretär per Hand das Wasser durch den Schlauch pumpen müssen. Ähnlich spartanisch die Toilette: Ein blauer Plastikvorhang, dahinter eine Klobrille, darunter keine Schüssel, lediglich eine Plastiktüte. Hätten Strauß & Co ihre Hinterlassenschaften mitnehmen und selbst entsorgen müssen?

Die Staatsregierung hat beim Bau gespart, auf Kosten der Sicherheit, sagt der Bunkerexperte Jörg Diester. Er hat neben dem Geretsrieder Bunker auch schon den ehemaligen Schutzbau der Bundesregierung im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler erforscht. Sein Fazit: "Die meisten Kreisverwaltungen hatten einen besseren Bunker als die Landesregierung von Bayern." Maximal drei Tage hätte das bayerische Kabinett im Geretsrieder Bunker ausharren können, glaubt Diester.

Das eigentliche Lagezentrum und die Arbeitsräume lagen ohnehin oberirdisch, in einem anderen Gebäude der Feuerwehrschule. Zum Regieren hätte das Kabinett also wieder die dicken Stahltüren öffnen und an die Oberfläche kommen müssen - "aber genau das funktioniert in einem Atomkrieg eben nicht", so Diester. Einen wirklich sicheren Atombunker plante die Staatsregierung seit 1964. Gebaut wurde er jedoch nie. Erst fehlte das Geld, dann war der Kalte Krieg vorbei.

Während der ehemalige Bunker der baden-württembergischen Landesregierung noch heute als Schwaben-Fort-Knox gilt, dient der Bayern-Bunker nur noch als Abstellkammer. Jetzt, da das ehemalige Regierungsversteck nicht mehr geheim ist, plant die Feuerwehrschule in den Bunkerräumen eine Ausstellung über Krisen- und Katastrophenschutz in Zeiten des Kalten Kriegs, erklärt der Leiter der Feuerwehrschule, Christian Schwarz. "Das Ambiente und die Umgebung fangen die Stimmung von damals gut ein."

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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