Geheimdienste in Bad Aibling:Protest gegen die Lauscher

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Die ehemalige NSA-Abhörstation Bad Aibling. Nun gibt es dort Proteste. (Foto: dpa)

Pro Monat sollen etwa 470 Millionen Datensätze an die NSA gegangen sein: Am Samstag wollen 400 Menschen vor der Lauschanlage in Bad Aibling demonstrieren. Denn es gibt Zweifel, ob nicht doch noch US-Agenten auf dem Gelände arbeiten.

Von Heiner Effern, Bad Aibling

Der Parkplatz vor der Lauschanlage des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bad Aibling ist bereits sauber gekehrt. Hinter dem Schutzzaun mäht ein Mann auf einem kleinen Traktor das Gras auf englisches Gardemaß.

Alles wird picobello aussehen, wenn an diesem Samstag die Demonstranten anrücken. Sie dürfen sogar direkt vor dem Eingang der Mangfall-Kaserne ihre Bühne aufbauen, von der sie die "Verletzung von Grundrechten" durch den BND und den amerikanischen Geheimdienst National Security Agency (NSA) anprangern und "eine vollständige Aufarbeitung der NSA-Affäre" fordern wollen. Etwa 400 Kritiker einer ausufernden Geheimdienst-Überwachung erwartet Organisator Michael Poschmann.

"In Bad Aibling kann man die Zusammenarbeit von BND und NSA auf einzigartige Weise greifbar machen", sagt er. Dabei bezieht er sich auf die Abhöranlagen wenige hundert Meter hinter dem Kasernen-Eingang. Wie überdimensionale Golfbälle liegen sie in den grünen Wiesen der Voralpenlandschaft. Unter den runden weißen Schutzhüllen, höher als ein Einfamilienhaus, verbergen sich Parabol-Antennen, mit denen Satelliten angezapft werden können.

Kaum eine BND-Einrichtung dürfte seit Beginn der NSA-Affäre öfter in Printmedien abgedruckt worden sein. Kein Wunder also, dass am deutschlandweiten Protesttag der Organisation "Stop watching us" gegen das illegale Ausspionieren von Bürgern nicht nur in Berlin oder in Heidelberg, sondern auch hier protestiert werden soll.

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Der Chef des BND, Präsident Gerhard Schindler, kam Anfang Juni extra nach Bad Aibling, um das Bemühen seiner Behörde um mehr Transparenz zu dokumentieren. Öffentlichkeitswirksam wurde an die Außenwand der Mangfall-Kaserne ein Schild angebracht, das den Bundesnachrichtendienst als Hausherrn ausweist.

Sogar die offizielle Zahl der Mitarbeiter des BND (140) und der Antennen (13), nannte der BND-Chef. Geheimdienstmäßig verschwiegen wurde er, als es um die Zahl der amerikanischen Kollegen in Bad Aibling ging. Einige wenige würden sich um die Technik kümmern, sagte er.

Laut internen Unterlagen soll die NSA zumindest bis 2013 ein Verbindungsbüro in Bad Aibling betrieben haben. Welche Daten wohin geliefert würden, darauf wollte BND-Präsident Schindler im Juni nicht antworten. Seine Behörde hatte aber 2013 eingeräumt, dass mit dem NSA-Kürzel "US-987LA" wohl Bad Aibling gemeint sei. Von dort sollen laut Unterlagen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden pro Monat etwa 470 Millionen Datensätze an die NSA gegangen sein. Allerdings wohl eher Mails, Anrufe oder SMS aus Afghanistan als Daten deutscher Bürger.

Man spricht Englisch

Das Abgreifen und Abhören von Daten von Bad Aibling aus hat für amerikanische Geheimdienste eine lange Tradition. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs arbeiten hier Agenten, die eine Basis für ihr weltweites Abhörsystem Echelon aufbauten. Mehr als 50 Jahre spionierten sie in Richtung Osteuropa, dann Richtung Hindukusch, bis die Echelon-Anlage in England ausgebaut wurde. 2004 verabschiedeten sich die am Ende noch etwa 1000 Amerikaner am Palmsonntag mit einem großen Fest von der Stadt. Der Bundesnachrichtendienst werde die Anlage übernehmen, hieß es schon damals.

Auch nach der NSA-Affäre im Jahr 2013 seien in Bad Aibling "keine Vorbehalte, kein Stimmungsumschwung" zu verspüren, sagt Bürgermeister Felix Schwaller (CSU). Obwohl in der Region natürlich bekannt war, dass der Abzug der Amerikaner nicht so ganz vollständig war. Parkplätze wurden ausgebaut, ein neues Gebäude ohne Fenster wurde auf dem Gelände hochgezogen, Englisch gesprochen. Als Sepp Obermeier von den Linken am Freitag mit einem Mann ohne Namen in der Kaserne über den genauen Standort der Demonstranten-Bühne sprach, grüßte ihn beim Verlassen der Anlage ein Jogger - mit einem breiten "Hello".

© SZ vom 26.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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