Freie Wähler in Bayern:Bereit? Immer bereit!

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Die Freien Wähler um ihren Chef Hubert Aiwanger sind derzeit auf "die" nicht gut zu sprechen. "Die", das sind die von der CSU: die Großen, die Wichtigen, die Regierenden, die Ungehobelten. Dabei würden die Freien Wähler zu gern mit ihnen gemeinsame Sache machen. Denn ungehobelt können sie auch.

Frank Müller

Neulich, im Landtag, das war wieder eine jener Schlüsselszenen für Hubert Aiwanger. Gerade ging es um staatliche Förderung für regionale Fernsehsender, und der Chef der Freien Wähler (FW) hatte dazu eine eigene Initiative in der Tasche. Da sei ein CSU-Kollege gönnerhaft an ihn herangetreten, um von oben herab zu sagen: "Überlasst's doch die Medienpolitik denen, die was davon verstehen."

"Eigentlich ist das Selbstmord, was die machen, mit diesem Benehmen". Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler in Bayern, ist auf "die" von der CSU gerade nicht sehr gut zu sprechen. (Foto: dpa)

So etwas mag Aiwanger überhaupt nicht, noch Tage später spukt ihm die Szene durch den Kopf. Er sitzt an einem großen Tisch im Unionsbräu, gleich neben dem Landtag, und redet sich in Rage: "Ich an deren Stelle würde Süßholz raspeln", sagt er - schließlich kann es gut sein, dass die CSU die Freien Wähler als Koalitionspartner noch einmal braucht. "Eigentlich ist das Selbstmord, was die machen, mit diesem Benehmen."

"Die", das sind die von der CSU: die Großen, die Wichtigen, die Regierenden, die Ungehobelten. Aiwanger ist der Chef der anderen: Die Freien Wähler sind klein, nicht so richtig wichtig, sie regieren nicht. Nur ungehobelt sein, das können sie auch.

Wenn Aiwanger richtig loslegt, dann kann er blitzschnell zum Mann fürs Grobe werden. Und schon gibt er der CSU noch einmal ein paar mit: "Es wär' ganz gut, wenn die mal Demokratie lernen müssten. Das können s' bis heute nicht", sagt er erregt. Und lacht dann plötzlich sein dröhnendes Aiwanger-Lachen, denn: Irgendwie findet er die ganze Kraftmeierei auch lustig, so wie man auch der gröbsten Wirtshausrauferei noch Unterhaltungswert abgewinnen kann.

Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, ob Aiwanger das Lachen noch vergeht - oder ob er am Ende den Spaß erst richtig auf seiner Seite hat. Das große Warmlaufen hat begonnen. Im Herbst 2013 sind Landtagswahlen, Aiwanger ist fest entschlossen, sie zum Triumph für seine Gruppierung zu machen: "Die Freien Wähler werden 2013 bestimmen, wer in Bayern regiert", tönt er. Sein Szenario sieht so aus: Entweder gibt es eine Koalition mit der CSU. Oder ein siegreiches Oppositionsbündnis mit der SPD und den Grünen.

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Die FDP spielt für ihn in keiner der beiden Varianten mehr eine Rolle. Die würde aus dem Landtag fliegen, prophezeit er. Die FW dagegen würden eher noch zulegen im Vergleich zu 2008. Damals wurden sie mit triumphalen 10,2 Prozent zur drittstärksten Kraft. Aiwanger überlegt einen Moment, ob er seine Prognose für 2013 preisgibt, schließlich könnte sie ihn irgendwann des Größenwahns überführen. Er tut es dann doch: "Wir haben ein Potential von bis zu 17 Prozent." Da müssten sie aber noch ein Stück zulegen. Aktuelle Umfragen sehen sie bei sechs bis acht Prozent.

Aiwanger macht Landtagsarbeit nach dem kommunalpolitischen Prinzip: "Wir müssen arbeiten wie ein guter Bürgermeister, nicht aufgeregt, nicht allem hinterherlaufend, an der Sache orientiert", sagt der 40-Jährige aus Ergoldsbach mit schwerem niederbayerischen Zungenschlag. Dazu gehört, die Dinge im Konsens zu regeln.

Auf diese Weise kommen viele Initiativen der Freien Wähler zustande: Nein zur dritten Startbahn beim Flughafen München, Ja zum Internetausbau in den ländlichen Regionen. Nein zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München, Ja zur elektronischen Fußfessel für Gewalttäter. Beim Bürger und Wähler kommt davon zwar vieles gut an, doch gleichzeitig tut er sich schwer, das große Ganze zu sehen.

Wofür stehen die Freien Wähler, außer für ihren energischen Fraktions- und Landesverbands-Chef Aiwanger? Wozu braucht sie das Land noch, abgesehen davon, dass sie den studierten Landwirt Aiwanger zu dem Mann machen könnten, der die CSU endgültig in die Opposition schickt, nach 2013? Aiwanger kennt diese Fragen, Antworten auf sie gibt er nur zum Teil: Die Freien Wähler sollen eben anders bleiben, sachlicher, an Themen orientiert, zur Not auch mal weniger griffig.

Dabei hat das politische Alltagshickhack Aiwangers Laden längst voll erfasst. In der Fraktion gab es Gezerre, der Vorstand musste schon zweimal neu gewählt werden. Und dann gab es noch das spektakuläre Theater um Gabriele Pauli: Die Ex-CSU-Rebellin zog auf dem Ticket der Freien Wähler in den Landtag ein, das war eine Mischung mit Sprengkraft. Das Showtalent der ehemaligen Landrätin und der manchmal biedere, bodenständige Auftritt der Freien Wähler - das ging nicht zusammen und endete vor zwei Jahren mit dem Ausschluss von Gabriele Pauli.

Auch wegen solcher Eskapaden sieht die CSU-Konkurrenz die Freien Wähler demonstrativ entspannt. "Bei der FW-Fraktion gibt es keinerlei Team-Spiel", sagt CSU-Fraktionschef Georg Schmid über die Freien Wähler. "Sie haben keinen klaren Kurs, widersprechen sich selbst und sind nicht regierungsfähig." Gut, dass Aiwanger diese Sätze nicht gehört hat. Wahrscheinlich hätte er sich wieder richtig aufgeregt über diese "arrogante CSU", wie er sie nennt. Und gleich im nächsten Moment hätte ihm dieses politische Fingerhakeln womöglich wieder richtig gut gefallen.

© SZ vom 20.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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