Forschung:Wie sich der Klimawandel auf bayerische Seen auswirkt

Weßling: See-Algenfahrzeug

Seit 15 Jahren bereitet die ursprünglich aus Amerika stammende Wasserpest im Weßlinger See zunehmend Probleme. Inzwischen wird fast in jedem Sommer ein Mähboot zur Bekämpfung der Pflanzen eingesetzt.

(Foto: Nila Thiel)
  • Die Folgen des Klimawandels sind in den Seen Bayerns deutlich zu spüren.
  • Organismen breiten sich aus, die es vor Jahren nicht gegeben hat - einige von ihnen sind für Mensch und Tier giftig.
  • Im Wasser vollzieht sich die Erwärmung allerdings langsamer als in der Atmosphäre.

Von Armin Greune, Starnberg

Lästige Pflanzen breiten sich aus, das Risiko von giftigen Algenblüten steigt und manche Gewässer wechseln sogar die Farbe: In bayerischen Seen sind die ersten Auswirkungen des Klimawandels abzulesen. Zwar vollzieht sich ihre Erwärmung langsamer als die der Atmosphäre. Doch vor allem in der Gewässervegetation finden sich bereits erste Indizien, die auf die veränderten Lebensbedingungen hinweisen. Darüber hinaus gedeihen auch Organismen besser, die ihrerseits das Klimageschehen beeinflussen, indem sie Seen zu CO₂-Senken werden lassen.

Für das Umweltministerium leitet Uta Raeder in Iffeldorf ein Schwerpunktprojekt über die Wechselwirkungen von Klimaerwärmung und Lebensbedingungen in den bayerischen Seen. Bei der jüngsten Fachtagung des Starnberger Instituts für Fischerei stellte sie das Thema etwa 80 Fluss- und Seenfischern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum vor. Obwohl sie noch keine Erkenntnisse über den Einfluss des Klimas auf die Tierwelt in den Seen vorlegen konnte, stieß ihr Referat bei den Praktikern auf großes Interesse.

Schon länger wird beobachtet, wie das kalk- und wärmeliebende Nixkraut in den Seen wuchert. Es war früher nur im Waginger und Tachinger See heimisch, hat aber längst auch das Fünfseenland erreicht. Bereits 2008 wiesen Forscher auf eine Massenvermehrung im Starnberger See hin, die andere Pflanzenarten wie etwa die als Laichplatz für Fische wichtigen Armleuchteralgen verdrängen. Zur Vermehrung braucht das einjährige Nixkraut mindestens sechs Wochen mit Wassertemperaturen von 20 Grad und mehr. Für Badende ist der Kontakt mit der stachligen Pflanze unangenehm, eine Massenvermehrung kann auch den Bootsverkehr beeinträchtigen und beim Verrotten im See wird viel Sauerstoff verbraucht.

Da sich mit der Klimaerwärmung auch Hochwasserereignisse häufen, ist das Seeschilf noch mehr bedroht. Im Starnberger- und Ammersee ist es seit Kriegsende um 90 Prozent zurückgegangen, ihm kommt etwa als Lebensraum für Jungfische große ökologische Bedeutung zu. Bei hohem Wasserstand aber ertrinkt das Schilfrohr buchstäblich. Weiter untersuchen die Forscher, welche Folgen der mit Überschwemmungen verbundene Eintrag von Schweb-, Nähr- und Huminstoffen auf die Lichtverhältnisse in den Seen hat.

Eine "Verdunkelung" behindert das Wachstum vieler etablierter Pflanzen wie das der Armleuchteralgen. Die Wasserpest hingegen profitiert vom trüberen und wärmeren Wasser. Diese invasive Art aus Amerika wuchert immer häufiger die Gewässer zu: Der Weßlinger See etwa muss deswegen nahezu jährlich mit Spezialbooten "gemäht" werden, um zu verhindern, dass sich Schwimmer in den Schlingpflanzen verstricken.

Blaualgen produzieren hochgiftige Stoffe

Mit dem Temperaturanstieg nehmen etwa der Große Ostersee oder Teile des Bodensees immer häufiger eine Türkisfärbung an, die auf das verstärkte Wachstum von Phacotus-Grünalgen zurückgeht. Sie bauen das im Wasser gelöste Calciumhydrogenkarbonat in eine Kalkhülle ein und nehmen dabei CO₂ auf, das nach dem Absterben der Alge im Kalk auf den Seegrund absinkt. Auch Cyanobakterien vermehren sich bei steigenden Wassertemperaturen stark: Sie binden gleichfalls das klimaschädliche CO₂.

Doch einige dieser als "Blaualgen" bekannten Bakterien produzieren auch hochgiftige Aminosäuren, die bei "Algenblüten" über den Verzehr von Fischen oder Muscheln auch Menschen töten können. In Einzelfällen sind auch Badende in massiv von Cyanobakterien besiedelten Seen schwer erkrankt. Auf der Tagung steuerten die Fischer eigene Beobachtungen zum Klimawandel bei. So hatte einer "das Gefühl, dass am Bodensee jedes Jahr neue Arten dazukommen".

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