Flüchtling in Bayern:Bauarbeiter demonstrieren für afghanischen Kollegen ohne Arbeitserlaubnis

Flüchtling in Bayern: Tavus Qurban (Mitte, mit Helm) mit seinen Kollegen.

Tavus Qurban (Mitte, mit Helm) mit seinen Kollegen.

(Foto: S. Schedl/Firma Strasser)

Der Flüchtling Tavus Qurban darf nach viereinhalb Jahren nicht mehr arbeiten. Seine Firma stellt sich hinter ihn - und legt die Arbeit an 30 Baustellen nieder.

Von Dietrich Mittler

Tavus Qurban weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. An gut 30 Baustellen haben seine Kollegen von der Baufirma Strasser am Freitagvormittag die Arbeit niedergelegt - weil das Landratsamt Altötting dem Flüchtling aus Afghanistan nun die Arbeitserlaubnis entzieht. Aus Sicht der Behörde habe Qurban nicht ausreichend mitgewirkt, seine Papiere zu beschaffen - und ohne Identitätsnachweise keine Arbeitserlaubnis.

Qurban, der in einer eigenen Wohnung lebt und stets Steuern zahlte, wird nun zum Sozialfall. "So richtig hat er das noch nicht realisiert", sagt sein Chef Stefan Birnbacher, der voll hinter ihm steht. Der Firmeninhaber befürchtet eines: Tavus Qurban könnte zwar eventuell von seiner Botschaft einen Pass bekommen - doch dann drohe ihm womöglich die Abschiebung. Einen so guten Mann will Birnbacher aber nicht verlieren. Wie sehr der wiederum unter der Situation leidet, zeigt sich im Laufe des Interviews. Erschöpft bricht Qurban das Gespräch ab.

SZ: Die Kollegen und gar Ihr Chef stellen für Sie die Arbeit ein. Gibt das Ihnen Kraft?

Mein ganzes Herz sagt danke, tausend Mal. Meine Kollegen und mein Chef, sie haben viel zu viel für mich gemacht.

Wie geht es Ihnen damit, nicht mehr arbeiten dürfen?

Schlecht, es geht mir schlecht. Schon nächste Woche darf ich nicht mehr auf die Baustelle. Nach viereinhalb Jahren mein letzter Arbeitstag. Was soll ich sagen?

Was passiert jetzt mit Ihnen?

Das weiß ich nicht, ich habe keine Ahnung. Bitte seien Sie mir nicht böse.

Sie werden hier überall als "fleißiger Kollege" beschrieben.

Bei der Arbeitseinteilung fordern mich oft gleich mehrere Bauleiter an. Meine Arbeiten hier sind Eisenbinden, Schalen, Betonieren - und ja, es macht Spaß.

Seit wann leben Sie in Deutschland?

Seit 2010. In Afghanistan gab es für mich kein Leben mehr - der Krieg, die Taliban. Ein Jahr lang war ich auf der Flucht.

Die Behörden sagen, Sie hätten sich nicht genug bemüht, Ihre Papiere herbeizubringen.

Ich habe das versucht, aber die afghanische Botschaft stellt mir keine Geburtsurkunde aus. Die bekommt man nur noch in Afghanistan selbst. Wer aber soll das dort für mich machen? Meine ganze Familie lebt jetzt in Australien.

Haben Sie den Angehörigen dort schon am Telefon mitgeteilt, was Ihnen da gerade passiert?

Nein, habe ich noch nicht.

Werden Sie es noch tun?

Mein Kopf dreht sich. Können wir aufhören - fertig, bitte!

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