Positiv ist, dass der Staat sich um Integration kümmern will. Mehr Gutes können die 15 Sachverständigen von Verbänden, Wissenschaft und Kirchen an dem Entwurf für ein Integrationsgesetz der Staatsregierung kaum finden. Sie stören sich bei ihrer Anhörung im Landtag vor allem an dem Begriff der Leitkultur.
Der Gesetzentwurf schlägt vor, Zuwanderer auf die "Achtung der Leitkultur zu verpflichten". Rechtlich problematisch, sagt Andreas Funke von der Universität Erlangen. Eine Integrationspflicht könne der Freistaat nicht aussprechen, es fehle ihm an der Kompetenz dazu, da es schon ein Bundesintegrationsgesetz gebe. Außerdem sei nicht klar, auf was Zuwanderer mit der Leitkultur verpflichtet werden sollen. "Kein Mensch weiß, was das ist", sagt Funke. Bürger und Verwaltung müssten Gesetze aber verstehen, so schreibe es das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot vor.
Heimat:Leitkultur - was bedeutet das eigentlich?
Im Landtag geht es von kommender Woche an um die Frage, was die von der CSU postulierte Leitkultur eigentlich ist. Das sagen Bayern dazu.
Dass Zuwanderer nur ein Gastrecht hätten, wie es im Gesetz steht, sei ausländerrechtlich "Unsinn". Verfassungswidrig sei der Versuch, Zuwanderer zur Teilnahme an einem Integrationskurs zu verpflichten, wenn sie zum Ausdruck bringen, das Grundgesetz nicht zu achten. Das verstoße gegen die Meinungs- und Religionsfreiheit.
Schon lange habe er kein solches Gesetz mehr gelesen, sagt Funke. Die Sprache baue eine "Drohkulisse" auf und vermittle, der Freistaat sei von einer "bedrohlichen Überfremdung" gefährdet. Das Gesetz stelle Migranten "unter Generalverdacht", sagt Mitra Sharifi-Neystanak von der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte. Es erwecke den Eindruck, Migranten müssten zur Integration gezwungen werden. Ein Gesetz für Behinderte würde man ja auch nicht mit den Worten beginnen: "Wir haben ein Problem, es gibt behinderte Menschen", sagt Rainer Oechslen von der Evangelischen Kirche. Wer neben die Verfassung die Leitkultur stelle, schränke die "Offenheit unserer Gesellschaft ein".
Diese Haltung beweist für Markus Blume (CSU) die "Selbstvergessenheit, mit der die Kirchen in die Debatte gehen". Für ihn müsse der christliche Standpunkt weit mehr umfassen als nur Toleranz. Die Opposition und die meisten Sachverständigen begnügen sich mit dem Grundgesetz als Richtschnur. Viele fordern außerdem, das Gesetz solide zu finanzieren. Es steht derzeit unter Finanzierungsvorbehalt.
"Die Experten haben den CSU-Gesetzentwurf komplett zerlegt", sagt Doris Rauscher (SPD). Er trete "unsere Verfassung mit Füßen", kritisiert Margarete Bause (Grüne). Auch aus Sicht der Freien Wähler ist "das Gesetz in dieser Form einer gelingenden Integration nicht dienlich." Es gebe Verhandlungsbereitschaft, heißt es aus der CSU. So müsse klar gestellt werden, dass auch Kinder in Rückführungszentren ein Recht auf Bildung hätten. Das sei im jetzigen Entwurf missverständlich formuliert. An der Leitkultur aber werde man festhalten.