Fall Tennessee Eisenberg:Kein Grund zur Anklage

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Die Generalstaatsanwaltschaft sieht keinen Anlass, den Fall des getöteten Studenten vor Gericht zu bringen. Jetzt haben die Rechtsanwälte nur noch eine Chance.

Max Hägler

Im Fall des erschossenen Regensburger Studenten Tennessee Eisenberg sieht auch die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg keinen Grund für eine Anklage. Am Freitag teilte Generalstaatsanwalt Klaus Hubmann mit, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg das Verfahren zu Recht eingestellt habe. Die Schützen, zwei Polizisten, hätten aus Notwehr gefeuert. Die drei Rechtsanwälte der Familie hatten gegen die Einstellung Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft eingelegt. Nun bereiten die Anwälte ein Klageerzwingungsverfahren vor. Es ist die letzte Möglichkeit, den Fall doch noch in einem ordentlichen Gerichtsprozess aufzuarbeiten.

Getroffen von zwölf Kugeln

Eisenberg wurde am Vormittag des 30.April 2009 in Regensburg von insgesamt zwölf Polizeikugeln getroffen. Die Beamten waren damals von Eisenbergs Mitbewohner gerufen worden. Die beiden waren in Streit geraten, und Eisenberg hatte zu einem Küchenmesser gegriffen. Die Beamten trafen den Studenten im Treppenhaus an, das Messer hielt er noch immer in der Hand.

Zwar sei eine genaue Rekonstruktion des Vorfalls nicht möglich, so der Generalstaatsanwalt. Fest stehe jedoch, dass Eisenberg sich auf die Polizeibeamten "in drohender Haltung zubewegt" habe. Aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse hätte er sie in kürzester Zeit erreichen können. Schlagstockhiebe und Pfefferspray seien als Abwehrversuche ohne Erfolg geblieben. In dieser Situation sei ein weiteres Abwarten, ob er tatsächlich zustechen werde, für die Beamten nicht mehr zumutbar gewesen, lautet das Urteil der Generalstaatsanwaltschaft.

Fluchtmöglichkeit ignoriert

Es nimmt damit Bezug auf die Einstellungsverfügung der Regensburger Behörde. Der Schusswaffengebrauch sei aufgrund der Notwehrsituation gerechtfertigt gewesen - und damit eben auch die Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Schützen.

Die Anwälte der Familie hingegen sind der Ansicht, dass sowohl die ersten Schüsse, als auch die letzten, die tödlich waren, nicht in Notwehr gefallen seien. Ihrer Ansicht nach lassen sich die Schussfolge und die jeweilige Position durchaus weitestgehend nachvollziehen. So hätte etwa Polizist M. durch eine offen stehende Tür ins Freie flüchten können, statt vier Schüsse auf die Brust des bereits Schwerverletzten abzugeben. Diese durch Zeugenaussagen untermauerten Umstände lasse die Staatsanwaltschaft "andauernd unberücksichtigt", klagen die Rechtsanwälte. Es sei einseitig zugunsten der Polizei ermittelt worden.

Vorhersehbares Ergebnis

"Ich habe mit diesem Ergebnis der Generalstaatsanwaltschaft gerechnet", sagte Anwalt Andreas Tronicsek. Alles andere wäre "eine Riesenüberraschung" gewesen, schließlich sei bereits die Regensburger Einstellungsverfügung vom Justizministerium abgesegnet worden. Wie geplant, werde man nun in den kommenden vier Wochen ein Klageerzwingungsverfahren erarbeiten, das der Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg prüfen müsse. Nach Angaben von Ulrich Schroth, Professor für Strafprozessrecht an der Uni München, sind derartige Verfahren schwierig. "Ein kleiner Prozentsatz" aber führe zum Erfolg im Sinne des Klägers, also zu einer Anklage und einer Gerichtsverhandlung. "Ich sehe eine solche Chance, zumal der Strafsenat die Sache erstmals unabhängig betrachten und die Widersprüche und Fehler sehen wird", sagte Tronicsek.

Neben der juristischen Auseinandersetzung ist in den vergangenen Monaten immer wieder über die Einsatztaktik diskutiert worden. Wie könne es sein, dass Polizisten ohne Unterstützung eines Psychologen und ohne Abstimmung am Ort zu einem womöglich verwirrten Mann geschickt wurden? Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberpfalz läuft die entsprechende Einsatznachbereitung noch. Man werde die Ergebnisse dann im Innenministerium und im Landtag vortragen.

© SZ vom 27.03.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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