Bayreuth:Mitarbeiter von Bayreuther Zigarettenfabrik bangen um Jobs

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Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Das ist derzeit eine heikle Frage in Bayreuth. (Foto: SZ Photo)
  • Die Zigarettenfabrik in Bayreuth ist gefährdert.
  • Bis zu 1400 Menschen könnten dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren.
  • In Bayreuth steht der weltweit größte Produktionsstandort der "British American Tobacco"-Company

Von Uwe Ritzer, Bayreuth

Bruno ging in die Geschichte ein. Wohlgemerkt ist hier nicht der bärige Flüchtling dieses Namens gemeint, der als erster Vertreter seiner Art nach 170 Jahren in Bayern zunächst freudig begrüßt, dann aber auf allerhöchstes Geheiß hin erschossen wurde. Zehn Jahre ist das her. Der andere Bruno war eine Zeichentrickfigur.

Er regte sich bei kleinsten Kleinigkeiten derart auf, dass er abhob vor Zorn. Erst eine Beruhigungszigarette ließ den Wut-Bruno auf den Boden zurück schweben und er war dann ungefähr so entspannt wie Hans Söllner nach einem Konzert.

In die deutsche Nachkriegsgeschichte ging Bruno nicht unter seinem Namen, sondern als "HB-Männchen" ein. Mehrere hundert Werbefilmchen wurden mit ihm bis in die achtziger Jahre hinein ausgestrahlt. HB war, auch dank Bruno, einmal die gefragteste Zigarettenmarke in Deutschland.

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Sie wird wie Lucky Strike oder Pall Mall vom Tabakkonzern British American Tobacco (BAT) produziert, der in Bayreuth seine weltweit größte Zigarettenfabrik betreibt. 1400 Menschen arbeiten dort und es ist gut möglich, dass manch einer von ihnen an diesem Donnerstag ähnlich wie weiland Bruno in die Luft geht. Nur dass es diesmal kein Comic-Spaß ist, sondern bitterer Ernst.

Denn es droht der Verlust der meisten, wenn nicht gar aller Arbeitsplätze an dem Standort. Die Produktion soll nach Osteuropa verlagert werden, wo man Zigaretten billiger herstellen kann. BAT-Deutschland-Chef Ralf Wittenberg wird anreisen, um der Belegschaft am frühen Nachmittag mitzuteilen, was Management und Aufsichtsrat bereits am Dienstagabend bei einem Treffen in Frankfurt beschlossen haben.

Niemand wollte der Überbringer der schlechten Nachricht sein

Bis zu der Mitarbeiterversammlung vereinbarten alle Beteiligten Stillschweigen. An das hielten sich am Mittwoch auch die Arbeitnehmervertreter. Womöglich weil sie nicht die Überbringer der schlechten Botschaft sein wollen - nicht nur für die betroffenen Mitarbeiter, sondern für die Stadt und die ganze Region.

Daran, dass die Sache am Ende doch noch gut ausgehen wird, glaubt im Vorhinein niemand mehr. "Die Gerüchte über einen Personalabbau bei der British American Tobacco in Bayreuth nehmen immer mehr Form an", formulierte Michael Grundl, Aufsichtsrat bei BAT und oberfränkischer Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

Das klingt kryptisch, weil er in Frankfurt dabei saß und die Pläne des Konzerns kennt. Dessen Sprecherin sagte nur, der Entscheidungsprozess sei "fast abgeschlossen". Weniger verklausuliert beschrieb ein Mitarbeiter von BAT in Bayreuth im Gespräch mit dem Nordbayerischen Kurier die Stimmung im Werk: "Keiner hat Bock, da war Wut, Trauer, alles gemischt."

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Großes Schweigen herrscht, zumindest nach außen, seit Tagen im Bayreuther Rathaus. Das dürfte sich nach Bekanntgabe der Entscheidung ändern, denn für die Stadt geht es um viel, den Verlust des größten Gewerbesteuerzahlers nämlich. 15 Millionen Euro überweist BAT dem Vernehmen nach jährlich an die Stadt, etwa ein Sechstel der gesamten Gewerbesteuereinnahmen.

"Würden diese wegfallen, müsste auch die Stadt Bayreuth den Gürtel erheblich enger schnallen", warnte der oberfränkische Handwerkskammer-Präsident Thomas Zimmer. Ein Aus der Fabrik würde auf mehrere hundert Arbeitsplätze bei Dienstleistern und Handwerkern ausstrahlen. "Sollte die BAT tatsächlich ihre Produktion in Bayreuth einstellen, wäre dies ein schwerer Schlag für die oberfränkische Wirtschaft", sagte Zimmer.

In Spitzenzeiten wurden in dem 1957 gegründeten Werk mehr als 53 Milliarden Zigaretten im Jahr gedreht. Immer wieder stand die Fabrik auf der Kippe, geisterte die Angst vor Stellenabbau und Schließung durch die Stadt.

Immer wieder ging es doch noch gut. Doch seit BAT vor einigen Monaten ankündigte, die Struktur seiner Fertigung in Europa zu überprüfen, halten sich hartnäckig Gerüchte, die Produktion werde in osteuropäische Billiglohnländer wie Polen, Rumänien oder Kroatien verlagert und in Bayreuth bleibe dann bestenfalls noch die Herstellung von Feinschnitttabak zum Selberdrehen.

Man könnte sich vieles vorstellen, um den Standort zu retten

Betriebsrat und Gewerkschaft wären offenbar zu großen Zugeständnissen bereit, um den Standort zu retten. Oberfränkische Landes- und Bundespolitiker schrieben sich die Finger wund und appellierten an Konzern und Regierungen gleichermaßen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk machte sich gar zum Lobbyisten der Tabakbranche, als er forderte, es im Kampf für Gesundheitsschutz nicht zu übertreiben und die Arbeitsplätze in Bayreuth und der deutschen Tabakindustrie nicht zu gefährden. Doch all das hat offenbar nichts geholfen.

Ein etwaiges Aus für das Bayreuther Werk auf den zuletzt etwas verschärften Nichtraucherschutz zu schieben, wäre jedoch gewagt. Allein in Deutschland wurden vergangenes Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 1,7 Milliarden oder 2,2 Prozent mehr versteuerte Zigaretten verkauft als 2015, nämlich 81,3 Milliarden. Hinzu kommen mehrere Milliarden in Deutschland gerauchte, aber nicht hier versteuerte Glimmstängel. Und auch BAT geht es hervorragend. Zwar sank 2015 der Umsatz leicht, doch der Gewinn stieg um ein Drittel auf etwa 5,4 Milliarden Euro.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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