BayernLB:"Das kann zur Kernschmelze der CSU führen"

Lesezeit: 3 min

Die BayernLB-Affäre geht der CSU an die Substanz: Hinter verschlossenen Türen werden in der Fraktion Ängste aufgearbeitet - und alte Rechnungen unter den Spitzenkräften beglichen.

Mike Szymanski

Es gibt nicht viele Sitzungen der CSU-Fraktion, die eine solche Eigendynamik entfalten wie das Treffen vom vergangenen Mittwoch hinter verschlossenen Türen. Treffen, bei denen sich plötzlich Emotionen Bahn brechen, bei denen auf einmal alte Rechnungen beglichen werden und Worte tief ins Mark treffen. Man könnte sagen, die CSU hat für ein paar Stunden in den Abgrund geblickt. Danach war keinem mehr zum Reden zumute, alle wollten schnell heim.

Bei der letzten Fraktionssitzung hat die CSU für ein paar Stunden in den Abgrund geblickt. (Foto: dpa)

Zuletzt hatte man die Abgeordneten derart verstört nur erlebt, als sich die Partei Edmund Stoiber aus dem eigenen Fleisch schneiden musste - und natürlich nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl 2008.

Die Sitzung begann am Mittwoch um 14 Uhr im Senatssaal im bayerischen Landtag. Dominierendes Thema sollte die Landesbank-Affäre werden, die den Steuerzahler mindestens 3,7 Milliarden Euro gekostet hat. Deren Aufarbeitung im Landtag hat ihren Höhepunkt erreicht, die Abgeordneten wollten über die vergangenen Tage sprechen. Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte vergangene Woche als erster CSU-Spitzenpolitiker vor dem Untersuchungsausschuss aussagen müssen. Jetzt geht es um Fragen nach der Schuld und natürlich auch um das Ansehen der CSU.

Deren Spitzenvertreter gehörten dem Verwaltungsrat der Bank an und ein vom Landtag in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass sie für Verfehlungen haftbar gemacht werden könnten. Das bedeutet, dass womöglich bald Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein, Ex-Parteichef Erwin Huber und Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser vor Gericht Platz nehmen müssten. An diesem Mittwoch gehörte der frühere Justizminister Alfred Sauter zu den ersten, die in der Versammlung das Wort ergriffen. Er ist einer wohl der wenigen in der Fraktion, die nachempfinden können, wie den Ex-Verwaltungsräten Beckstein, Huber, Faltlhauser heute zumute ist. Sauter ist schließlich affärenerprobt, wenn man so will, seine Krise war die LWS-Affäre, damals ging es aber noch um Millionen, nicht um Milliarden.

Sauter war Aufsichtsratsvorsitzender jener halbstaatlichen Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft namens LWS. Ende der 90er Jahre war sie infolge ihres Expansionsstrebens in Schieflage geraten und machte 500 Millionen Euro Verlust.

Der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber opferte seinen Intimus Sauter und entließ ihn aus dem Ministeramt. Sauter hat Stoiber das nie verziehen, ebenso wenig wie er der Partei verziehen hat, dass sie ihn hat fallen lassen. In der Fraktionssitzung zahlte er es ihnen heim. Wie Teilnehmer übereinstimmend berichten, riet er den von Klagen bedrohten Parteifreunden, sich gute Anwälte zu nehmen. Im Unterton schwang mit, dass sie von der CSU nicht viel zu erwarten hätten. Er selbst hätte es damals nicht anders erlebt. Sauter hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, wie tief ihn das kränkte. "Man muss akzeptieren, dass es ein schwieriger Gang wird. Dann wird man zum Kämpfer." Solche Sätze kennt man von Sauter.

Auch auf Stoiber und dessen Auftritt im Untersuchungsausschuss, so berichten es Teilnehmer, soll Sauter zu sprechen gekommen sein. Wie es denn sei könne, dass der Ehrenvorsitzende alle Schuld weit von sich weisen und stattdessen seine früheren Minister im Ausschuss belasten könne, ohne dass die CSU Stellung beziehe, soll er gefragt haben. Es gab nicht viel Applaus für Sauter, wird berichtet. Aber der frühere Stoiber-Freund und später von Stoiber arg enttäuschte Beckstein soll sich zu Wort gemeldet haben: "Du weißt, Alfred, ich bin damals auf Deiner Seite gestanden. Dir ist Unrecht geschehen." Auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die im Zuge der BSE-Krise unter Stoiber ihr Ministeramt verlor, soll Teilnehmern zufolge gesagt haben: "Wir beide haben die gleiche Erfahrung gemacht." Die Stimmung in der Fraktion war zum Zerreißen gespannt.

Da meldete sich Umweltminister Markus Söder und forderte Solidarität mit den alten CSU-Größen Huber, Beckstein, Faltlhauser. "CSU klagt CSU an, das ist unvorstellbar", beschwor er den Teamgeist. Immer mehr Abgeordnete meldeten sich, sagten, es könne doch nicht sein, dass man sich vor Gericht für eine Aufgabe verantworten müsse, der man mit bestem Wissen und Gewissen nachgekommen sei. Und dass man womöglich sein Erspartes hernehmen müsse, um die Anwälte zu bezahlen.

CSU-Chef Horst Seehofer meldete sich zum Schluss. Auch er spürt offenbar die Ängste, die in der CSU aufkommen, die Sorge, alles zu verlieren, sich vielleicht bei der nächsten Wahl auf der Oppositionsbank wiederzufinden. Die Affäre habe das Potential zur "Kernschmelze" für die CSU soll er gesagt haben. Die Partei müsse zusammenhalten. Zuvor hatte einer gesagt, es gebe doch ein Kameradschafts-Gen in der CSU. Einer wie Sauter weiß, dass das nicht stimmt.

© SZ vom 23.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Die Krise der BayernLB
:Unter Verdacht

Wer wusste was bei der BayernLB? Wem drohen Ermittlungen? Und warum hat Bayerns früherer Ministerpräsident Stoiber nichts zu befürchten? Die wichtigsten Antworten - in Bildern.

Klaus Ott

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: