Augsburg:Abgeordneter in U-Haft

Lesezeit: 3 min

Linus Förster wurde 2003 für die SPD in den Landtag gewählt und kümmerte sich vor allem um jugend- und europapolitische Themen. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Sex-Skandal weitet sich aus: Der ehemalige SPD-Politiker Linus Förster ist wegen des Verdachts auf schweren Missbrauch und des Besitzes von Kinderpornos festgenommen worden

Von Lisa Schnell, München

Der ehemalige SPD-Politiker Linus Förster, 51, sitzt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Augsburg wirft ihm schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person und den Besitz von kinderpornografischen Schriften vor. Am Donnerstagabend wurde Förster von der Polizei in einer Therapieeinrichtung bei Passau abgeholt. Förster habe sich in Behandlung begeben, da ihn die Vorwürfe stark belasteten, heißt es aus seinem Umfeld. Diese Vorwürfe sind gravierender als zunächst angenommen.

Nach SZ-Informationen handelt es sich bei dem schweren sexuellen Missbrauch um zwei Vergehen an derselben Person. Diese kann aus unterschiedlichen Gründen nicht zum Widerstand fähig gewesen sein, etwa durch eine Behinderung oder weil sie unter starkem Drogen- oder Alkoholeinfluss stand. In Försters Fall soll die Wehrlosigkeit wohl durch eine Art von Intoxikation durch Substanzen wie etwa einem starken Schlafmittel verursacht worden sein. Allerdings soll nicht Förster selbst die Substanzen verabreicht haben.

Bei den kinderpornografischen Schriften ist nicht ganz klar, ob es sich nur um Posing-Bilder handelt oder um eine härtere Art der Kinderpornografie. Posing-Bilder gelten auch als Kinderpornografie, wenn sie nackte oder halbnackte Kinder in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung zeigen oder ihre Genitalien in den Fokus nehmen. Solche Bilder spielten auch im Fall des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy eine Rolle. Zu Beginn der Ermittlungen hatte Försters Anwalt noch abgestritten, dass Kinderpornografie eine Rolle spielen könnte.

Auslöser für die Ermittlungen gegen Förster von Anfang November war die Anzeige einer Prostituierten wegen Körperverletzung und unerlaubter Bildaufnahmen. Sie warf Förster vor, sie heimlich beim Sex gefilmt zu haben. Als sie ihm den Datenträger abnehmen wollte, soll es zu einem Gerangel gekommen sein.

Bei den jetzigen Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs handle es sich nicht um dieselbe Person, heißt es. Der Verdacht auf die gravierenden Straftaten, die dem ehemaligen SPD-Politiker jetzt vorgeworfen werden, habe sich aus der Untersuchung beschlagnahmter Unterlagen ergeben, sagte Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai am Freitag. Vergangenen Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft beim Landtag die Aufhebung von Försters Immunität beantragt. Der Rechtsausschuss und das Plenum stimmten zu.

Am Freitag entschied das Amtsgericht in Anwesenheit Försters, dass der 51-Jährige inhaftiert bleibt. Es seien alle Gründe dafür gegeben, teilte die Staatsanwaltschaft mit, unter anderem Flucht- und Verdunklungsgefahr. Außerdem sind die neuen Vorwürfe gegen Förster massiv. Schwerer sexueller Missbrauch an einer widerstandsunfähigen Person gilt als ein Verbrechen, das mit einer Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren Haft geahndet werden kann. Da es sich um zwei Fälle handeln soll und noch der Besitz von Kinderpornografie hinzukommt, könnte Förster im Falle einer Verurteilung eine längere Haftstrafe drohen.

Kurz nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gegen ihn hatte Förster seine Ämter als Bezirksvorsitzender der Schwaben-SPD und als stellvertretender Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Landtag abgegeben. Als erste Hinweise auf kinderpornografische Bilder bekannt wurden kündigte er an, sein Landtagsmandat zum 31. Dezember nieder zu legen und trat Ende November aus der SPD aus. Er ist damit auch nicht mehr Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag. Momentan wird er im Landtag als fraktionslos geführt.

Seine früheren Parteikollegen sind angesichts der neuen Vorwürfe "sprachlos", wie Inge Aures, Mitglied des SPD-Vorstands im Landtag, sagt. Das habe kein Mensch erwartet. Die Vorwürfe müssten "mit aller Vehemenz" aufgeklärt werden, "da gibt es kein Pardon", sagt Aures. Auf die SPD aber hätten die neuen Entwicklungen "keine Auswirkungen". Mit seinem Austritt aus der Partei, den sie sehr begrüße, sei die Sache "mit uns jetzt auch erledigt". "Gar nichts" habe der Fall Förster mit der SPD zu tun, betont auch der Landtagsabgeordnete Franz Schindler. Sein Kollege Harald Güller, wie Förster aus Schwaben, ist sich da nicht ganz so sicher. Natürlich werde Förster mit der SPD in Verbindung gebracht, auf Wahlergebnisse werde der Fall aber keinen Einfluss haben, hofft er. Auch er sei "erschrocken" über die massiven Vorwürfe. Der bayerische SPD-Chef Florian Pronold ließ lediglich ausrichten, er werde sich nicht äußern, da Förster nicht mehr der SPD angehöre. Auch Fraktionschef Markus Rinderspacher schweigt aus diesem Grund zu den neuen Vorwürfen. Zuvor hatte er Försters Rückzug als "richtig und notwendig" bezeichnet. Auch Pronold begrüßte den Schritt.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: