Asylpolitik:27 386 Tage Abschiebehaft

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Die Grünen werfen der Staatsregierung vor teils rechtswidrig mit Flüchtlingen umzugehen

Bayerns Grüne werfen der Staatsregierung vor, das Rechtsmittel der Abschiebehaft in zahlreichen Fällen "unnötig oder gar rechtswidrig" eingesetzt zu haben. Im vergangenen Jahr seien im Freistaat insgesamt 925 Personen in Abschiebehaft genommen worden - einige von ihnen bis zu 213 Tage lang. Insgesamt kämen so 27 386 Hafttage zusammen. Allein im Vorjahr seien dem Staatshaushalt durch den Vollzug der Abschiebehaft Ausgaben in Höhe von mehr als 5,6 Millionen Euro entstanden. Dabei, so kritisierte Christine Kamm, die asylpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, seien noch nicht einmal die Personalkosten für die eingesetzten Justizvollzugsbeamten eingerechnet. In mehr als 30 Prozent der Fälle, so will Kamm von mit Asylverfahren befassten Rechtsanwälten erfahren haben, sei die Abschiebehaft unnötig oder sogar gegen Recht und Gesetz vollzogen worden.

Im Innenministerium sieht man das indes ganz anders: Für die politische Einschätzung der Grünen würden "keine Belege beziehungsweise sonstige Nachweise oder Vergleichsmaßstäbe angeführt", sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Beantragt werde eine Abschiebehaft von den Ausländerbehörden. Die Anordnung dazu erfolge aber "durch unabhängige Gerichte". Haftbeschlüsse würden erst nach richterlicher Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen erlassen. Gegen einen solchen Beschluss stehe überdies jedem Betroffenen "das Rechtsmittel der Beschwerde offen". Nach Auswertung der Antworten, mit denen das Innenministerium auf eine Landtagsanfrage der Grünen reagiert hat, prophezeite Kamm am Mittwoch: "Es werden nun sogar noch mehr Geflüchtete in Abschiebehaft genommen." Auf ihre Nachfrage hin, wie viele der Abschiebegefangenen wieder freigelassen werden mussten, habe ihr das Innenministerium keine Antwort gegeben. Kamm macht sich darauf ihren eigenen Reim: "Es möchte nicht einräumen, dass in einer Vielzahl von Fällen die Abschiebehaft keineswegs zur Abschiebung führte." Da stelle sich schon die Frage: Hätte die Unterbringung hinter Gittern nicht auch vermieden werden können?

Aktuell wird die Abschiebehaft im Freistaat in der ehemaligen Justizvollzugsanstalt Eichstätt sowie seit 9. Februar dieses Jahres auch in Erding vollzogen. Unter den dort Festgehaltenen befinden sich nach Angaben des Innenministeriums keine Straftäter. Auch sogenannte Gefährder fänden sich dort nicht (Stand Mitte Februar). In der überwiegenden Mehrzahl handele es sich bei den Eichstätter Abschiebegefangenen um Männer. Unklar sei aber, wie viele von ihnen tatsächlich Asylbewerber sind. Dies werde statistisch nicht erfasst.

© SZ vom 05.04.2018 / dm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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