Asylpolitik:Schwangere wehrt Abschiebung ab

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Grüne und Flüchtlingsrat üben heftige Kritik an Vorgehen

Die niederbayerischen Behörden sind mit dem Versuch gescheitert, eine hochschwangere Asylbewerberin vom Vater des Kindes zu trennen und wenige Wochen vor dem Geburtstermin nach Italien abzuschieben. Die 21-Jährige hatte sich am Mittwoch am Flughafen München im Erdinger Moos auf der Treppe zum Flugzeug derart heftig gegen die Abschiebung gewehrt, dass die Polizei sie nicht in die Maschine brachte, sondern wieder zurück in die Justizvollzugsanstalt Erding. Das Amtsgericht Erding hob anschließend den Haftbeschluss auf, mit dem die junge Frau aus Sierra Leone in Abschiebehaft festgehalten werden sollte. Das sagte die Rechtsanwältin Petra Haubner auf Anfrage, was in Justizkreisen bestätigt wurde.

Die 21-Jährige ist nun wieder bei ihrem Lebensgefährten in der Asylunterkunft in Hengersberg im Landkreis Deggendorf. Der fünfjährige gemeinsame Sohn des Paares, der mit abgeschoben werden sollte, ist wieder in der Obhut des Deggendorfer Jugendamtes. Im Falle einer Abschiebung wäre der Vater allein in der Asylunterkunft in Hengersberg zurück geblieben. Eine Überstellung nach Italien ist nun nicht mehr möglich. Denn der Mutterschutz gilt auch für Flüchtlinge, im Behördenjargon ein "Abschiebehindernis" ab sechs Wochen vor dem Geburtstermin - im Fall der 21-Jährigen ist das Freitag, 1. Juni. Die Hochschwangere war seit dem 14. Mai wegen angeblicher Fluchtgefahr in Abschiebehaft in der JVA Erding, ihr Sohn in Obhut des Jugendamtes.

Nach dem Dublin-Abkommen der EU haben sowohl die junge Frau als auch ihr Lebensgefährte kein Bleiberecht, weil sie sich vor der Einreise nach Deutschland in Italien aufhielten. Die deutschen Behörden können Asylbewerber in solchen Fällen in das EU-Land abschieben, in dem sie zuerst registriert wurden. Dafür gilt jedoch eine Sechs-Monats-Frist, die nach Angaben der Anwältin im Falle des Lebensgefährten bereits verstrichen ist, so dass für sein Asylverfahren nun die deutschen Behörden zuständig sind.

Am frühen Mittwoch waren nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrates etwa 30 Unterstützerinnen und Unterstützer am Flughafen München, um gegen die Abschiebung der jungen Frau und ihres Sohn zu demonstrieren und Fluggäste auf die bevorstehende Abschiebung aufmerksam zu machen. Der Flüchtlingsrat und die Landtags-Grünen hatten die geplante Abschiebung scharf kritisiert, denn damit wäre die Familie der im siebten Monat schwangeren Frau auseinandergerissen worden. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Christine Kamm warf der CSU vor, ihre unbarmherzige "Abschiebemaschinerie" nehme keinerlei Rücksicht auf individuelle Schicksale: "Wer donnerstags abschiebt und freitags Kruzifixe aufhängt, der heuchelt." Ganz offenbar sollte hier auf dem Rücken einer jungen Frau und Mutter das maximal abschreckende Exempel statuiert werden, mutmaßt die Asylpolitikerin. Jana Weidhaase vom Flüchtlingsrat sagte der SZ, dass das Thema virulent sei: "Auch in Eichstätt sind zwei Hochschwangere in Abschiebehaft." Und allein in der Unterkunft nahe Deggendorf, in der die 21-Jährige aus Sierra Leone lebt, seien weitere 28 Frauen schwanger. Der Flüchtlingsrat rechnet deshalb mit weiteren Abschiebungen von werdenden Müttern und der Trennung von Familien. Weidhaase sagte: "Der Staat wird es weiter versuchen."

© SZ vom 01.06.2018 / rsy/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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