Asylpolitik:Schlupfloch Brenner

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Güterzugkontrollen auf italienischem Boden sollen Flüchtlinge von der Einreise nach Bayern abhalten, mit geringem Effekt

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Die beiden Innenminister in München und Berlin haben sich mit ihren Zufriedenheitsbekundungen über die internationale Lösung lange zurückhalten müssen, denn am Ende zog sich mit den Italienern auch noch das Abstimmen der Presseerklärung hin. Dabei durchsuchen schon seit 7. November deutsche, österreichische und italienische Polizisten gemeinsam Güterzüge am Brenner, um blinde Passagiere Richtung Norden noch auf italienischem Gebiet von der lebensgefährlichen Fahrt über die Alpen abzuhalten. Inzwischen begrüßt es Thomas de Maizière auch öffentlich "ausdrücklich, dass es mit meinen Amtskollegen aus Italien und Österreich gelungen ist, uns auf trilaterale Kontrollen bereits auf der italienischen Seite des Brenners zu verständigen". Sein bayerischer Kollege Joachim Herrmann nennt das "einen wichtigen und längst überfälligen Schritt". Bewirkt haben die gemeinsamen Kontrollen bisher wenig, denn in Bayern werden weiterhin alle paar Tagen Dutzende Migranten von Güterzügen geholt oder auf Rangierbahnhöfen entdeckt.

Davon, langfristig ganz auf solche Kontrollen auf bayerischem Boden verzichten zu können, wie es die erklärte Hoffnung der Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig ist, sieht sich die deutsche Bundespolizei noch weit entfernt. Ludwig hatte die Einigung der drei Länder vor einigen Tagen als erste bekannt gemacht, während die Ministerien mit ihren Presseerklärungen noch auf das Einverständnis der Italiener gewartet hatten. In Ludwigs Wahlkreis Rosenheim finden seit einem Jahr die meisten konzertierten Güterzugkontrollen statt - zunächst im Bahnhof von Raubling im Inntal, was immer wieder zu Streckensperrungen und entsprechendem Unmut bei Pendlern und Bahnunternehmen geführt hat. Seit Mitte Oktober wird daher auf einem abgetrennten Nebengleis in Rosenheim kontrolliert.

In der vergangenen Woche hat die Bundespolizei bei so einer Gelegenheit 20 Menschen in einem Güterzug entdeckt, der von Verona nach Köln unterwegs war. Die 18 Männer und zwei Frauen im Alter von 15 bis 38 Jahren hatten sich in zwei auf die bahnverladenen Lkw-Aufliegern versteckt und waren in Rosenheim teils stark unterkühlt angekommen. Drei Männer kamen in Haft - einer, weil ohnehin ein deutscher Haftbefehl gegen ihn vorlag, zwei weitere, weil sie nicht zum ersten Mal illegal einreisen wollten und gegen eine entsprechende Einreisesperre verstießen. Zwei minderjährige Migranten sind inzwischen in der Obhut des Jugendamts, alle anderen brachte die Bundespolizei wieder zurück nach Österreich. Am Wochenende stieß die Bundespolizei dann in München auf 26 illegale Migranten, die per Güterzug ins Land gelangt waren und dabei ihr Leben riskiert hatten. Bisher sind in Deutschland zwei junge Afrikaner von Güterzügen überrollt worden. Der erste fiel im Juni nahe Rosenheim auf die Gleise, der zweite im Oktober im fränkischen Gemünden.

Viele Menschen, vor allem junge Männer aus Afrika, lassen sich von der lebensgefährlichen Reise offenbar weder durch die unregelmäßigen Durchsuchungsaktionen in Bayern noch durch die Kontrollen in Österreich abhalten, die ebenfalls seit Oktober an einem festen Kontrollpunkt am Brenner stattfinden. Auch die neuen trilateralen Kontrollen auf italienischer Seite haben bisher keine erkennbare Wirkung gezeigt. Bayerns Innenminister Herrmann betont denn auch, dass "möglichst lückenlose Kontrollen im grenzüberschreitenden Verkehr" nötig seien. Es könne nicht sein, dass solche lebensgefährlichen Fahrten erst in Bayern beendet würden. Der noch amtierende Bundesinnenminister de Maizière bekräftigt ebenfalls, dass Kontrollen so früh wie möglich ansetzen sollten. Es gehe darum, illegale Einreisen zu verhindern, aber vor allem auch darum, Flüchtende davon abzuhalten, sich in Lebensgefahr zu bringen. "Das gelingt effektiv in enger grenzüberschreitender Zusammenarbeit." Um die Effektivität der Kontrollen ist es bisher aber schlecht bestellt. Genaue Angaben, wie oft und intensiv kontrolliert wird, machen die Behörden aller beteiligten Länder "aus einsatztaktischen Gründen" in aller Regel nicht.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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