Asylpolitik:Interne Verhandlungen

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Die Bezirke wollen die Kosten für die Jugendhilfe von Flüchtlingen nicht alleine tragen. Ein Krisengipfel soll helfen

Von Dietrich Mittler, München

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte Finanzminister Markus Söder ein Machtwort gesprochen: Er sagte nein. Und zwar zur Forderung der Bezirke, dass der Freistaat auch jene Kosten übernimmt, die durch volljährig gewordene Flüchtlinge in den Einrichtungen der Jugendhilfe entstehen. Dort werden etliche zuvor als unbegleitete Minderjährige aufgenommene Flüchtlinge bislang auch dann weiterbetreut, wenn sie das 18. Lebensjahr erreicht haben. Oft allein schon deshalb, weil sie ihre Kriegs- und Fluchterlebnisse noch nicht aufgearbeitet haben und entsprechend traumatisiert oder labil sind. Söders Weigerung, für diesen Personenkreis die Kosten zu übernehmen, haben Bayerns Kommunen aber nicht hingenommen - mit gewissem Erfolg. Ministerpräsident Horst Seehofer will die Konfliktparteien nun Mitte dieser Woche an einen Tisch bringen.

Dabei ist offenbar strikte Diskretion angesagt. "Nein, er sagt dazu nichts. Nein, es gibt keine Äußerung von uns dazu", sagt etwa Söders Sprecherin auf Nachfrage. Auch Josef Mederer, der Präsident des Bayerischen Bezirkstags, gibt sich zugeknöpft. "Ich möchte das Ergebnis des bevorstehenden Gesprächs jetzt im Vorfeld nicht durch Äußerungen belasten", sagt er und bittet um Entschuldigung. Danach, da werde er "bestimmt etwas sagen". Der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter, der als Präsident des Landkreistags ebenfalls zu der Seehofer-Vermittlungsrunde eingeladen ist, tut es Mederer gleich. "Das sind interne Verhandlungen, dazu möchte ich mich jetzt nicht äußern", sagt er.

Offenbar ist die auferlegte Diskretion in Bezug auf Horst Seehofers Einladung so groß, dass derzeit keiner der Eingeladenen weiß, wer außer ihm sonst noch in die Staatskanzlei zum Gespräch kommen soll. Und dass der Termin voraussichtlich eher am Mittwoch um zwölf Uhr stattfinden soll als am Donnerstag? Die Antwort ist ein ebenso ratloses wie betretenes Schweigen. Erklären lässt sich die Geheimniskrämerei mit einzig einem Grund: Es geht um viel Geld. Vorsichtigen Schätzungen zufolge - wohlgemerkt nicht bestätigt - könnten sich die Betreuungskosten für die in Jugendhilfe-Einrichtungen volljährig gewordenen Flüchtlinge 2017 zu einem Betrag von 200 Millionen Euro auftürmen. Allein der Bezirk Niederbayern geht derzeit in seinen Hochrechnungen von 20 Millionen Euro an Ausgaben in diesem Bereich aus. Kennern zufolge trägt Niederbayern zehn Prozent der Kostenlast im Freistaat. Man brauche also nur zu multiplizieren, heißt es.

Dass es nun zum Treffen in der Staatskanzlei kommen dürfte, liegt zum einen an den Resolutionen, die schließlich bei Bayerns Regierungschef landeten - von den Bezirken, den Landkreisen, den Städten und Gemeinden. In ihrer Kernaussage sind sie identisch: Nicht die Kommunen hätten die Kosten für die Betreuung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen zu tragen, sondern der Freistaat. Auf dem CSU-Parteitag Anfang dieses Monats hagelte es erneut Proteste. Ein entsprechender Initiativantrag, unterzeichnet von gut 180 Delegierten, ließ das Fass dann wohl überlaufen. "Beim Ministerpräsidenten ist angekommen, dass das wirklich ein Thema ist", ist sich einer der Parteitagsteilnehmer sicher. Auch er bittet um Diskretion.

Trotz aller Verschwiegenheit gibt es aber zumindest zarte Hinweise darauf, dass den Kommunen bei diesem Treffen ein gewisses finanzielles Entgegenkommen gezeigt wird, was die Finanzierung der Jugendhilfe-Maßnahmen für über 18-jährige Flüchtlinge betrifft. Denn die auf sie zukommenden Kosten dürften etliche Kommunalhaushalte doch etwas durcheinander bringen, und mitverantwortlich dafür ist: Mangels vorhandener Pässe verpassten die Behörden vielen hier eintreffenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kollektiv ein fiktives Geburtsdatum, etwa den 1. Januar 1999. Die werden nun also alle zu Jahresbeginn 2017 18 Jahre alt. Damit aber bleiben die Bezirke Söders Veto zufolge auf den Kosten für deren Jugendhilfe-Maßnahmen sitzen.

Ob sich daran etwas ändert, wird vor allem davon abhängen: Die Bezirke werden zum Gespräch wirklich belastbare Zahlen mitbringen müssen.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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