Vernetztes Fahren:So wird das Auto zum App Store auf Rädern

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Apps sind nur der Anfang vernetzter Mobilität. (Foto: dpa)

Jahrzehntelang waren Navi, Radio oder Telefon die einzigen Verbindungen eines Autos nach außen. Die Fahrzeuge der Zukunft sind miteinander vernetzt, warnen sich gegenseitig etwa bei Unfällen. Das hat auch für die Industrie weitreichende Folgen.

Das Automobil von morgen wird zunehmend miteinander vernetzt sein - und das Geschäft der Industrie wird sich mit dem Vormarsch des Internets im Auto tiefgreifender verändern als in den gut 100 Jahren davor. Denn die Autobauer geben über Partnerschaften mit IT-Unternehmen so viel Kontrolle ab wie nie zuvor. Es ist eine oft mühsame, reibungsvolle Annäherung: "Da prallen verschiedene Welten aufeinander", sagt ein Brancheninsider. Bei einigen Herstellern sei der gewohnheitsmäßige Drang, alles selber machen zu wollen, nach wie vor stark. Dabei gibt es auf dem Weg zum vernetzten Auto kein Zurück mehr. "Es wäre naiv anzunehmen, dass wenn das Auto ein Teil des Internets wird, das Internet den Spielregeln der Autoindustrie folgt", sagt Christian Senger von Continental.

Ralf Lenninger, der bei dem Autozulieferer die Kontakte zur IT-Branche pflegt, sagt: "Das vernetzte Auto ist nur mit vernetzten Industrien zu machen." So gab Conti auf der IAA eine Partnerschaft mit dem IT-Riesen IBM bekannt, mit der unter anderem Cloud-Dienste ins Auto kommen sollen. Der Netz-Ausrüster Cisco ist bereits im Boot. Ein weiterer Partner wird gesucht.

Es gehe dabei etwa um hochpräzise Straßenkarten, sagt Conti-Mann Senger, Chef der Autoelektronikforschung. Nokia beispielsweise hat umfangreiche Erfahrungen auf diesem Gebiet. Der finnische Konzern, der kürzlich den Verkauf der Handy-Sparte besiegelte, ist diesmal erstmals bei der IAA dabei und zeigt eine Plattform für Online-Dienste.

Mit der Zeit wird das Auto zu einer Art App Store auf Rädern, ist sich Lenninger sicher. "Es entsteht eine Plattform für Anwendungen mit Funktionen, über die wir heute noch nicht einmal nachdenken." Versicherungen lassen bereits erste Boxen einbauen, die Tarife an die Fahrweise anpassen.

Frage nach Standardisierung von Schnittstellen

Karten im Navigationsgerät können per Funk aktualisiert werden oder kommen gleich aus der Cloud. Apps könnten auf freie Parkplätze hinweisen oder bei Unfällen persönliche Informationen an Rettungsdienste übermitteln. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. "Wir brauchen im Auto eine offene Plattform, auf die alle Dienste-Anbieter aufspringen können", betont der Chef der Telekom-Tochter T-Systems, Reinhard Clemens.

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Aber sind Autofahrer auch bereit, für all das mehr zu zahlen? Der Autozulieferer Bosch wollte das in einer Studie zum Thema herausfinden. "Generell sind die Befragten eher zurückhaltend, wenn es darum geht, für die Funktionen tiefer ins Portemonnaie zu greifen", heißt es in der Auswertung. Am ehesten bereit, einen Aufpreis zu zahlen, waren die Teilnehmer für Funktionen zur Notbremsung oder auch für einen Ausweichassistenten. "Die Kunst liegt darin, keinen technologischen Overkill zu machen", glaubt Conti-Mann Senger.

Fortschritte beim autonomen Fahren

Die Spitze der Evolution für das vernetzte Auto ist das autonome Fahren - und hier gibt es enorme Fortschritte. So zeigte der französische Zulieferer Valeo auf der vergangenen Messe vor zwei Jahren ein System, das rückwärts im 90-Grad-Winkel einparken konnte. Jetzt sucht sich das Auto mit Valeo-Technik eine Lücke auf dem Parkplatz komplett selbst. Und Daimler ließ einen Testwagen auf Basis der Mercedes-S-Klasse die etwa 100 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim fahren - mit seriennaher Technik, wie der Konzern betont.

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Von Stefan Grundhoff

Das selbstfahrende Auto werde etwa 2020 in den Alltag kommen, prognostizieren unter anderem der Internetkonzern Google oder Renault-Chef Carlos Ghosn. "Bis dahin werden wir die bisherigen Probleme im Griff haben", sagte Ghosn auf der IAA in Frankfurt überzeugt. "Wir kennen die Lösungen, wir müssen nur dafür sorgen, dass sie verlässlich und erschwinglich werden." Zugleich räumt er ein: "Das Problem der Haftung ist noch nicht geklärt." Denn wer trägt die Verantwortung, wenn ein selbstfahrendes Auto in einen Unfall verwickelt wird? Der in diesem Moment untätige Mensch am Steuer oder der Hersteller?

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