Datenschutz, Haftung, Versicherung:Die Probleme beim vernetzten Fahren

Pilotiertes Fahren, Vernetzte Mobilität, Vernetztes Fahren

Audi-Chef Rupert Stadler verspricht pilotiertes Fahren noch in diesem Jahrzehnt. Doch wer haftet, wenn das Auto selbständig mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kollidiert?

(Foto: oH)

Sicherer, bequemer, umweltfreundlicher: Vernetzte Mobilität verspricht viel Gutes. Doch bisher sind noch zu viele Datenschutzfragen und Rechtsprobleme offen - und zu wenige vernetzte Autos auf der Straße.

Von Sascha Gorhau

Schon 1983 hätte eigentlich die fünfte Volkszählung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg stattfinden sollen. Doch erst 1987 wurde sie durchgeführt. Denn die Deutschen liebten lange ihre Privatsphäre und sträubten sich vehement gegen den Zensus. Teile der Bevölkerung protestierten so lange, dass die Volkszählung erst vier Jahre später stattfand. Im Google- und Facebook-Zeitalter mutet so viel Eifer um den Schutz der Privatsphäre beinahe anachronistisch an.

Das liegt einerseits an der Sozialisation der Digital Natives, die in ihrer Privatheit offenbar kein Gut sehen, dass es bis aufs Letzte abzuschirmen gilt. Und andererseits daran, dass das Leben einfach bequemer wird. Heute kann man problemlos Urlaubsbilder mit Freunden teilen, bequem über die Tourdaten der Lieblingsband informiert werden - und in Zukunft vielleicht auch sicherer, bequemer und umweltfreundlicher unterwegs sein: Das sind zumindest die langfristigen Versprechen vernetzter Mobilität.

Im rechtsfreien Raum

Doch bisher befinden sich Daten, die zur Vernetzung notwendig wären, noch im rechtsfreien Raum. "Vernetzte Mobilität bedeutet auch eine Art Generalüberwachung", sagt Florian Schimandl von der TU München zu Süddeutsche.de. Denn ein solch komplexes Konzept funktioniert nur, wenn klar ist, welcher Verkehrsteilnehmer sich wann wo befindet und was sein Ziel ist. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto flüssiger funktioniert das System.

Wer die Daten bekommt und was er damit macht, ist bisher völlig unklar. Denkbar wäre eine Speicherung bei den Fahrzeugherstellern, sodass nur noch diese untereinander und mit einer Steuerungszentrale kommunizieren. Wer diese überwachen soll, ist bisher ebenso offen.

Großes Interesse daran haben auf jeden Fall die Versicherer. Denn wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers auf der Straße transparent ist, dann haben die Assekuranzen auch die Möglichkeit, das Risiko der Versicherung ständig neu zu bewerten. Das würde sich natürlich auf die Tarife auswirken. Deshalb fordert Schimandl vom Münchner Lehrstuhl für Verkehrstechnik: "Die Daten müssen gesichert werden." Aber wie?

Je mehr Teilnehmer, desto präsizer werden die Angaben

Außerdem muss erst einmal eine ausreichende Anzahl von Fahrzeuge mit der entsprechenden Technik ausgestattet sein, um genügend Daten zu liefern. Das ist eine weitere große Hürde auf dem Weg zur vernetzten Mobilität. "Sind nur zwei Prozent der Fahrzeuge imstande, Daten auszutauschen, dann ist das ganze System natürlich sinnlos", sagt Schimandl. Klare Aussagen, wie viele Fahrzeuge nötig sind, gibt es bisher noch nicht. Auch Experten wollen dazu keine Prognose abgeben, sprechen lediglich von einem hohen Ausrüstungsgrad, der zwingend notwendig sei.

Neben dem Datenschutz ist das andere Hauptproblem die Frage nach der Haftung im Schadensfall. Gemäß der Straßenverkehrsordnung ist der Fahrer verpflichtet, jederzeit die Kontrolle über sein Fahrzeug zu behalten. Schon heute gibt er sie ab, wenn er beispielsweise dem Tempomaten die Geschwindigkeitsregulierung auf der Autobahn überlässt oder dem Parkassistenten das Rangieren in eine Lücke zwischen zwei Fahrzeugen.

"2020 ist eine sehr optimistische Schätzung"

"Auch in diesen Fällen gilt: Die Verantwortung trägt immer der Halter", sagt Verkehrsjurist Markus Schäpe vom ADAC. Der Fahrer haftet für den Schaden, auch wenn das System vom Hersteller stammt. Bisher müsse man im Einzelfall dem Hersteller nachweisen, dass das Produkt schadhaft war, so Schäpe. "Der Nachweis der Fehlfunktion vor Gericht ist immer sehr schwer", sagt der Jurist. Die Haftungsfrage muss erst gelöst werden, ehe vernetzte Mobilität im großen Stil den Verkehr prägen kann. "Solche Systeme dürfen nur bei klarer Rechtslage in den Verkehr kommen", sagt Schäpe.

Trotz all dieser Probleme glauben die Autobauer fest an die Zukunft des vernetzten Fahrens. Daimler verspricht, dass bis zum Jahr 2020 ein Mercedes selbständig auf der Straße fahren wird. Das autonome Fahren ist die vorerst letzte Evolutionsstufe des Dialogs der Verkehrsteilnehmer. Jürgen Krimmling vom Dresdner Institut für Verkehrstelematik bleibt im Gespräch mit Süddeutsche.de allerdings skeptisch: "2020 ist eine sehr optimistische Schätzung. Es dauert erfahrungsgemäß immer länger, als man denkt."

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