Autonomes Fahren:Kutschen ohne Kutscher

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Selbstfahrende Autos sind der Trend der IAA 2013. Zulieferer und Hersteller wollen den Computer als Fahrer - für mehr Sicherheit und fürs große Geschäft. Doch bis dahin werden noch viele Jahre vergehen.

Von Max Hägler, Frankfurt

Mercedes demonstriert anhand einer speziell ausgerüsteten S-Klasse, wie weit die Entwicklung beim autonomen Fahren schon ist. (Foto: dpa-tmn)

Man könnte es auch so zusammenfassen: Lieber Autofahrer, Du kannst es irgendwie nicht richtig. Ein ums andere Mal wiederholen die wichtigsten Automanager Deutschlands diese Aussage: Am Daimler-Konzernabend steht da der total korrekte Forschungsprofessor Thomas Weber und redet tatsächlich von Verkehrsopfern und Unfällen - es will so gar nicht zu der bunten, lauten Feier passen. Volkmar Denner, Geschäftsführer des größten deutschen Autozulieferers Bosch, spricht bei dieser Messe ganz laut davon, dass mehr als 90 Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr durch menschliche Fehler verursacht sind. Und sein Kollege Elmar Degenhart von Continental tut es ihm gleich: 4000 Verkehrstote gebe es jährlich allein in Deutschland: "Das sind definitiv inakzeptable Zahlen!"

Die Branche hat bei dieser Messe eine Vision, die nicht mehr den Fahrspaß im Mittelpunkt hat, das Vibrieren des Zwölfzylinders hinter dem Gaspedal. Jetzt geht es darum, dass das Autofahren künftig sicherer wird. Nicht per Fahrtraining, sondern mit Computer-Unterstützung. Wenn es neben der andauernden Elektromobilität einen Trend gibt in Frankfurt, dann ist es das, was die Branche automatisiertes oder vernetztes Fahren nennt.

Erprobungsfahrzeuge sind schon jetzt autonom unterwegs

Schon jetzt erkennen Fahrassistenzsysteme selbständig Gefahren. Fußgänger etwa oder Baustellen - und mittlerweile gab es von Zulieferern und Autoherstellern schon Testfahrten, in denen die Wagen mit Hilfe dieser Daten ganz alleine fahren. 100 Kilometer und mehr hat etwa Daimler mit einer experimentell hochgerüsteten S-Klasse so schon zurückgelegt, im normalen Verkehr. Konzernchef Dieter Zetsche macht das vor, er rollt als Beifahrer in einer computergesteuerten S-Klasse auf die Bühne. Und sagt dann, treffend: Am Anfang stand die Idee der Kutsche ohne Pferde - "und hinter mir steht die erste Kutsche ohne Kutscher".

Ein großer Treiber dabei: Continental. Schon derzeit steckt Conti-Technik im Wert zwischen 4000 und 5000 Euro in der neuen S-Klasse. Das soll noch mehr werden, und dabei setzt Conti auf spektakuläre Hilfe. In Zusammenarbeit mit IT-Konzernen will der Zulieferer aus Hannover den Weg in die digitale, fahrerlose Zukunft noch schneller schaffen.

Auf der IAA gibt es grünes Licht für eine ungewöhnliche Kooperation: Mit dem Technologiekonzern IBM will Conti künftig Fahrassistenzsysteme entwickeln. Bestätigt worden war bereits die Zusammenarbeit mit dem Netzwerkhersteller Cisco - eine Firma, die etwa in Büros die Geräte herstellt, um Computernetzwerke zu verbinden. "Null Unfälle - das zu erschwinglichen Konditionen", ist das Ziel von Conti-Chef Degenhart. Mit dem Mensch alleine sei das nicht zu schaffen. Es gehe darum, Mobilität intelligenter zu gestalten - "mit Hilfe der digitalen Welt". Cisco soll für die Datenübertragung zuständig sein.

Der US-Konzern IBM soll große Datenmengen erfassen, speichern und aufbereiten. Es gibt auch viel zu tun: Ein Gigabyte Daten produzieren Radarkameras und andere Sensoren bei einer Fahrminute, beinahe so viel wie auf zwei Musik-CDs passt. Sogar Google, selbst Entwickler von autonom fahrenden Wagen, war zuletzt im Gerede als Kooperationspartner - doch das bestätigte Degenhart nicht.

Es gibt noch viel zu tun

Bis Autos ganz alleine fahren, ohne menschliches Notfall-Backup wie derzeit, wird es noch dauern. Fünf oder zehn Jahre, sagen Entwickler auf der Messe. Die Straßenverkehrsordnung muss angepasst werden, die Datenübertragungen müssen flotter werden und die Karten genauer.

Aber die ersten Stufen des autonomen Fahrens werden bald Realität: Bei EU-Autosicherheitstests werden von 2014 an fünf Sterne nur noch vergeben, wenn mindestens eine Assistenzfunktion an Bord ist. In drei Jahren 2016 ist dann ein umfassender, vorausschauender Fußgängerschutz zum Erreichen der Höchstwertung Pflicht. Es ist eine technische Herausforderung, wohl eine gute Nachricht für die Unfallstatistiker - und eine Chance auf ein gutes Geschäft: Mit einer Milliarde Euro zusätzlichem Umsatz rechnet allein Continental.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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