Urteil zum Mischkonsum von Cannabis und Alkohol:Gelegenheitskiffern droht Verlust des Führerscheins

Kiffen, Joint, Marihuana, Gericht, Führerschein

Einem Kiffer darf der Führerschein entzogen werden darf, auch wenn er gar nicht am Steuer sitzt.

(Foto: Pablo Porciuncula/AFP)

Kiffer, die auch Alkohol konsumieren, können ihren Führerschein nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig auch dann verlieren, wenn sie nüchtern unterwegs sind. Dabei wurde die Fahrtüchtigkeit gelegentlicher Haschischraucher 2002 noch ganz anders eingeschätzt.

Von Wolfgang Janisch

Das Urteil aus Leipzig mutet an wie aus einer Zeit, in der man Haschisch für gefährliches Teufelszeug hielt: Ein gelegentlicher Joint, kombiniert mit Alkohol, kann bereits zum Entzug des Führerscheins führen. Und zwar auch dann, wenn der Haschischkonsument nie berauscht am Steuer gesessen hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und damit die Klage eines 31-jährigen Mannes aus der Oberpfalz abgewiesen.

Nachdem er in die Fänge der Führerscheinbehörde geraten war, war der Mann zunächst ärztlich begutachtet worden. Alle paar Tage trinke er einige Biere, etwa einmal im Monat rauche er einen Joint, hatte er dort angegeben. Für die Behörde war das ein "Mischkonsum von Cannabis und Alkohol" - und darauf steht nach der Fahrerlaubnisverordnung Führerscheinentzug. Und zwar auch ohne dass der Gelegenheitskiffer je im Straßenverkehr auffällig geworden wäre oder sich unter Drogeneinfluss ins Auto gesetzt hätte. Die Verordnung unterstellt nämlich, dass jener Mischkonsum - selbst in kleinen Mengen - das Bewusstsein derart eintrübe, dass man gleichsam die Selbstkontrolle verliere und sich über kurz oder lang doch unter dem Einfluss jener Substanzen ans Steuer setzen werde.

Idiotentest verweigert - Führerschein weg

Die Behörde ordnete jedenfalls ein medizinisch-psychologisches Gutachten an, im Volksmund als Idiotentest bekannt - das der Mann aber ablehnte. Also war die Fahrerlaubnis weg.

Fragwürdig ist diese rigide Praxis vor allem deshalb geworden, weil das Bundesverfassungsgericht über eine ähnliche Konstellation im Jahr 2002 entschieden hatte. Damals ging es um den bloßen Cannabiskonsum, der seinerzeit von den Behörden als ähnlich riskant eingestuft wurde wie nun der Mischkonsum. Wer als Gelegenheitskiffer galt, musste mit dem Verlust des Führerscheins rechnen.

Dem gebot Karlsruhe Einhalt: Mehrere Gutachter hatten bestätigt, dass zwar stark drogenabhängige Menschen ihre Selbsteinschätzung hinsichtlich ihrer Fahrtüchtigkeit einbüßten, keineswegs aber die gelegentlichen Haschischraucher. Den automatischen Entzug des Führerscheins erklärten die Richter für verfassungswidrig. Auch deshalb, weil dies ein erheblicher Eingriff in Freiheitsrechte ist: Viele Menschen sind existenziell auf das Auto angewiesen.

Vor diesem juristischen Hintergrund hat der Anwalt des Klägers, Stephan Scherdel, den Gang durch die Instanzen angetreten. In Regensburg verlor er, aber der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gab ihm recht: Allein aus dem gelegentlichen Mischkonsum von Haschisch und Alkohol könne man noch keine Gefahren für den Straßenverkehr ableiten.

Schreitet jetzt ein noch höheres Gericht ein?

Die entsprechende Vorschrift müsse - trotz ihres eindeutigen Wortlauts - eben einschränkend ausgelegt werden. Die Richter stützten sich dabei auf ein Gutachten der Rechtsmedizin der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Danach gibt es keinen Erfahrungssatz, wonach "Personen, die einen Mischkonsum von Cannabis und Alkohol betreiben, früher oder später mit Sicherheit in diesem Zustand ein Fahrzeug im Straßenverkehr führen ".

Dass sich das Bundesverwaltungsgericht dem nicht angeschlossen hat, dürfte vor allem an der ziemlich eindeutigen Formulierung in der Fahrerlaubnisverordnung liegen (Az: 3 C 32.12). Um den automatischen Führerscheinentzug auch bei Gelegenheitskonsumenten zu verhindern, die nun wirklich nichts mit der "Drogenszene" zu tun haben, müsste also die Verordnung geändert werden. Es sei denn, das Bundesverfassungsgericht schreitet ein. Rechtsanwalt Scherdel will zunächst die schriftliche Begründung abwarten - und dann einen Gang nach Karlsruhe prüfen.

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