Tödliche Unfälle im Straßenverkehr:Warum Geisterfahrer kaum zu verhindern sind

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Fünf Menschen mussten am Wochenende sterben, weil ein Geisterfahrer die falsche Autobahnauffahrt genommen hat. Damit fielen insgesamt 19 Menschen in den vergangenen sechs Wochen Falschfahrern zum Opfer. Die Unfälle zu vermeiden, gilt als schwierig, weil es kaum Daten gibt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Fünf Menschen mussten am vergangenen Wochenende sterben, weil ein Geisterfahrer die falsche Autobahnauffahrt auf die A5 genommen hat. In den vergangenen sechs Wochen fielen insgesamt 19 Menschen Falschfahrern zum Opfer. Das liegt aber nur teilweise am nebligen Herstwetter.

Die gute Nachricht zuerst: Hat ein unfreiwilliger Falschfahrer erkannt, dass er sich auf der falschen Fahrbahn befindet, tut er in der Regel alles, um keinen Schaden anzurichten und möglichst schnell die Autobahn zu verlassen. Die schlechte: Über die Personen hinter dem Steuer ist wenig bekannt - auch deshalb, weil Unfälle mit Geisterfahrern in den Statistiken nicht als solche ausgewiesen werden.

[] Wie viele Geisterfahrer gibt es?

Laut ADAC werden im Jahr bundesweit 2800 Fälle gemeldet, davon 2000 auf Autobahnen. Geisterfahrer verursachten drei Prozent der tödlichen Unfälle auf Autobahnen. Etwa 20 Menschen sterben laut dem Münchner Verkehrsclub jährlich durch Geisterfahrer. Im Jahr 2011 starben auf Deutschlands Straßen laut Angaben des Statistischen Bundesamtes insgesamt 3991 Menschen. In der amtlichen Unfallstatistik allerdings werden Falschfahrerunfälle nicht als solche ausgewiesen. Das erschwert es, Daten zu den Geisterfahrern und den Rahmenbedinungen der Unfälle zu erheben und daraus Lehren zu ziehen.

[] Wer sind die Geisterfahrer?

Trotz der unzureichenden Datenlage sind Geisterfahrer Angaben des ADAC zufolge überwiegend männlich. Besonders häufig seien sie entweder jünger als 35 Jahre alt oder aber hoch betagt. Bei älteren Menschen sei oft ein Versehen oder Zerstreutheit der Grund dafür, dass jemand in falscher Richtung auf eine Autobahn fährt oder dort wendet. Bei jüngeren sind manchmal auch Drogen oder Alkohol im Spiel. Der Auto Club Europa (ACE) weist außerdem darauf hin, dass einige Auffahrten einfach schlecht beschildert seien.

[] Wie lassen sich Geisterfahrer verhindern?

Der ACE sieht in einer besseren Beschilderung an Auffahrten die einzige Stellschraube, um die Situation zu verbessern. Der ADAC ergänzt, dass auch die Sichtbarkeit der vorhandenen Beschilderung wirksam sein könnte. So sollten Warnschilder nicht nur reflektieren, sondern auch selbst leuchten, bei Begrenzungen von Autobahnbaustellen ist das schon teilweise der Fall.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat zuletzt erwägt, durch neongelbe Warnschilder die Auffahrten besser zu kennzeichnen. Sein Heimatland Bayern testet die auffälligen Tafeln in einem Modellversuch entlang der A8 bereits seit 2010. Allerdings ist dadurch bisher kein Rückgang der Falschfahrer messbar. Der ADAC weist außerdem darauf hin: "Bewusste Falschfahrten wird man nie ausschließen können".

[] Gibt es moderne Technologien gegen Geisterfahrer?

Technisch bereits möglich ist ein Fahrerzustands-Erkennungssystem, wie es Verkehrssoziologe Alfred Fuhr auf bild.de fordert. Schon heute bieten die Autobauer etwa ein Müdigkeitswarnsystem in ihren Fahrzeugen an. Mittels der erhobenen Daten könnten die Reaktionsmuster des Fahrers analysiert werden. Fuhr: "Im Ernstfall ließe sich das Auto eines Geisterfahrers per Not-Knopf abschalten." Eine solche Maßnahme allerdings beschneidet die Autonomie des Fahrers deutlich. Zudem ist sie datenschutzrechtlich bedenklich, weil dafür der Aufenthaltsort jedes Pkw zentral erfasst und ständig aktualisiert werden müsste. Außerdem kann diese Technologie nur in modernen Fahrzeugen verwendet werden. Laut dem Kraftfahrtbundesamt ist ein Pkw in Deutschland durchschnittlich 8,5 Jahre alt. Somit würde ein Großteil der fast 43 Millionen in Deutschland zugelassenen Pkw von der Möglichkeit eines Fahrerzustands-Erkennungssystems ausgeschlossen werden. SPD-Politiker Heiko Maas fordert als Folge des schweren Verkehrsunfalles vom vergangenen Sonntag, akustische Melder zu entwickeln, "die über Sensoren eigenständig einen Falschfahrer bei der Auffahrt auf die Autobahn erkennen und entsprechend Alarm geben".

[] Welche Maßnahmen ergreifen andere Länder?

In Österreich existieren Warnschilder zum Schutz vor Falschfahren auf der Autobahn. Sie sind mit gut sichtbarem Neongelb farblich unterlegt. Außerdem sorgen blinkende Warnlampen an den Schildern für zusätzliche Aufmerksamkeit. In den USA und der Türkei sind Metallzacken an der Auffahrt montiert. Nimmt ein Wagen die verkehrte Auffahrt, zerstören die scharfen Kanten die Reifen und stoppen den Wagen. In vielen europäischen Ländern sind Mautstationen gleich am Beginn der Autobahn üblich. Sie stoppen die Falschfahrer.

[] Was tun, wenn vor einem Geisterfahrer gewarnt wird?

Automobilclubs raten dazu, sich auf der Fahrbahn rechts zu halten, langsamer zu fahren und im Ernstfall auf dem Seitenstreifen anzuhalten. Über die aktuelle Verkehrslage informieren Meldungen der Radiosender, einige Navigationsgeräte oder spezielle Apps für Mobiltelefone.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hatten wir eine falsche Zahl der Verkehrstoten des Jahres 2011 genannt. Wir haben diese korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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