Rückruf-Skandal bei General Motors:"Wir haben unseren Job einfach nicht gemacht"

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General-Motors-Konzernchefin Mary Barra entlässt wegen des Rückruf-Skandals 15 Mitarbeiter, bleibt aber selbst im Amt. (Foto: AP)

Der Rückruf-Skandal um defekte Zündschlösser in GM-Autos kostet nun 15 Mitarbeiter den Job. Konzernchefin Mary Barra bleibt dagegen im Amt und verspricht weitere Entschädigungen für die Opfer.

Die jahrelang ignorierten Probleme bei der Opel-Mutter General Motors mit defekten Zündschlössern, die mindestens 13 Menschen das Leben kosteten, haben neuerliche Konsequenzen. "15 Mitarbeiter, die sich falsch verhalten haben, sind nicht länger im Unternehmen", sagte Konzernchefin Mary Barra am Donnerstag bei der Vorstellung eines internen Berichts über das Rückruf-Debakel. Die Mitarbeiter, darunter Ingenieure und Juristen, hätten falsche Entscheidungen getroffen oder nichts getan, obwohl sie von Problemen gewusst hätten. Fünf weitere Mitarbeiter hätten disziplinarische Konsequenzen zu spüren bekommen.

US-Kongress verhört GM-Chefin
:"Kultur der Vertuschung"

Bei ihrer Befragung gehen die US-Senatoren nicht zimperlich mit General-Motors-Chefin Mary Barra um: Die tödliche Pannenserie beruhe auf "Täuschung", die Fehler bei GM seien "kriminell" - und Barra wisse "gar nichts über irgendetwas".

Es habe Fehler gegeben von Anfang bis Ende, erklärte Barra in einer Rede vor rund 1200 Mitarbeitern im Entwicklungszentrum des Autobauers in Warren nahe Detroit, die an alle GM-Standorte weltweit übertragen wurde. Sie machte die undurchsichtige Bürokratie im "alten" GM-Konzern, der 2009 in Konkurs gegangen ist, für die Versäumnisse verantwortlich. Dies habe zu " tragischen Konsequenzen" geführt. "Das Lesen des Berichts hat mich tief traurig gemacht und verstört", sagte Barra und entschuldigte sich abermals bei Hinterbliebenen und Unfallopfern. "Das hätte niemals passieren dürfen", sagte die Managerin. Sie sprach von Inkompetenzen und Versäumnissen. "Wir haben unseren Job einfach nicht gemacht. Das ist nicht akzeptabel."

Barra stellt Entschädigungen in Aussicht

Der Bericht ziehe General Motors zwar in die Verantwortung, habe jedoch festgestellt, dass die technischen Probleme nicht bewusst vertuscht worden seien, um einen kostspieligen Rückruf zu umgehen. Es habe "keine Verschwörung zur Vertuschung von Fakten" gegeben, betonte die Konzernchefin. Durch den Bericht wurde Barra selbst entlastet. Sie arbeitet seit drei Jahrzehnten im Unternehmen und bekleidete in dieser Zeit zahlreiche Führungsposten, unter anderem in der Entwicklung, bevor sie Anfang des Jahres zur Konzernchefin berufen wurde. "Wir werden ein Entschädigungsprogramm auflegen", versprach Barra, ohne indes eine Summe oder Details zu nennen. "Wir wollen all diejenigen erreichen, die einen lieben Menschen verloren haben oder verletzt wurden."

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:Der verstörende Dollar

General Motors soll sich aus Kostengründen gegen einen Austausch der fehlerhaften Zündung entschieden haben. Bei der Kongressanhörung von Konzernchefin Mary Barra wurde bekannt: Womöglich hätte ein Dollar mehr pro Auto die tödliche Pannenserie verhindern können.

Während GM von 13 Toten spricht und dabei nur bestimmte Unfallverläufe einrechnet, gehen US-Verbraucherschützer von mehr als 300 Toten aus. US-Medien sind seit Monaten voll von persönlichen Geschichten von Unfallopfern. Viele davon handeln von Teenagern, da die betroffenen Modelle zumeist günstige Kompaktwagen waren. Hauptsächlich betroffen war der Chevrolet Cobalt. "Die ganze Geschichte des Cobalt war von Anfang an von Tragik begleitet", sagte Barra.

Weitere Rückrufe drohen

Für die Unfallserie waren defekte Zündschlösser verantwortlich, die wegen eines zu schwach ausgelegten Schalters bei voller Fahrt in die "Aus"-Position zurückspringen konnten, was auch Airbags, Bremskraftverstärker und Servolenkung abschaltete.

Erste Berichte über die Probleme reichen noch in die Entwicklungszeit der Modelle bis 2001 zurück. General Motors startete die Rückrufe jedoch erst Anfang des Jahres, kurz nachdem Barra ins Amt kam. Weltweit sind davon 2,6 Millionen Autos betroffen, der überwiegende Teil davon in den USA, einige tausend Roadster Opel GT aber auch in Europa. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA hatte GM wegen des späten Rückrufs eine Strafe von 35 Millionen Dollar verordnet. Aktuell ermitteln sowohl der US-Kongress als auch das Justizministerium in der Angelegenheit. Außerdem wurden eine Reihe von Schadensersatzklagen gegen den Konzern eingereicht. Hier könnten General Motors zusätzliche Milliardenzahlungen drohen.

Pannenserie bei General Motors
:Tödliche Fehlzündung

Millionen Rückrufe, langes Schweigen - und womöglich Hunderte Tote: General-Motors-Chefin Mary Barra muss vor dem US-Kongress erklären, seit wann sie von den gefährlichen Defekten ihrer Autos wusste. Der Konzern schickt vor der Anhörung nochmals 1,3 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten zurück. Ein Überblick.

Von Thomas Harloff und Nakissa Salavati

Um ähnliche Skandale und den damit verbundenen Vertrauensverlust in den Konzern zukünftig zu vermeiden, baute Barra GM seit ihrem Amtsantritt intern um und deckte dabei weitere technische Probleme auf. Aktuell laufen rund 30 einzelne Rückrufe von weltweit 15,8 Millionen Autos, was den Konzern 1,7 Milliarden Dollar kostet. Es könne noch "ein paar weitere Rückrufe geben" bis zum Quartalsende, sagte Barra. Sie setze darauf, dass die GM-Mitarbeiter aus den Fehlern lernen. "Ich hoffe, dass dies niemals vergessen wird."

© SZ.de/dpa/Reuters/Nikolaus Piper - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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