Nutzungsabhängige Auto-Policen:Versicherung will gläserne Autofahrer

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Sind Autofahrer sicher unterwegs, sollen sie weniger zahlen - allerdings nur, wenn sie ihren Fahrstil überprüfen lassen. Ein deutscher Versicherer will dazu mit einer Box im Auto Fahrdaten von Versicherten sammeln. Datenschützer sind skeptisch.

Verkehrsrowdys zahlen einen hohen Beitrag, regeltreue Fahrer einen niedrigen - das ist die Idee nutzungsabhängiger Tarife bei der Kfz-Versicherung. (Foto: dpa-tmn)

Die technischen Voraussetzungen sind schon vorhanden: Bordcomputer und GPS im Auto könnten die erforderlichen Daten für neue Kfz-Versicherungstarife liefern, die auch vom individuellen Fahrstil abhängen. Doch noch zögern viele Versicherer.

Die auf Autoversicherungen spezialisierte Sparkassentochter S-Direkt will nun erstmals in einem Zusatzangebot die Fahrdaten ihrer Kunden auswerten und so von der Fahrweise abhängige Tarife anbieten. Bei dem zusätzlich zu einer Kfz-Versicherung buchbaren Service wird ins Auto des Versicherten eine Box eingebaut, die Daten über das Fahrverhalten speichert. Kunden mit einer sicheren Fahrweise sollen niedrigere Beiträge zahlen. Vom Januar 2014 an könnten das Telematik-Angebot zunächst bis zu 1000 Versicherte nutzen, sagte S-Direkt-Vorstandsmitglied Jürgen Cramer in Düsseldorf.

Entwickelt hat die Technik der spanische Mobilfunkbetreiber Telefónica. Datenschützer sehen die Speicherung der Fahrdaten bislang kritisch. Die Telematik-Box soll S-Direkt zufolge etwa Daten über Fahrzeit, zurückgelegte Kilometer, Geschwindigkeitsüberschreitungen und Bremsverhalten sammeln und auswerten.

Bei Diebstahl: Telematik verrät Aufenthaltsort des Autos

Die Daten werden laut Cramer bei Telefónica gespeichert. An S-Direkt würden nur die Kilometeranzahl und auf Basis der Fahrweise errechnete Punktwerte übermittelt. Darüber hinaus kann die Box bei Unfällen automatisch den Rettungsdienst rufen. Wird das Auto geklaut, lässt es sich über die Telematik orten.

Datenschützer hatten sich in den vergangenen Monaten vermehrt kritisch zu den Plänen geäußert. Der Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten Nordrhein-Westfalens forderte am Dienstag, dass die Kunden vor Vertragsabschluss umfangreich über die Sammlung der Daten aufgeklärt werden müssten. Er rate zunächst von einem solchen Vertrag ab. "Aber jeder kann selbst entscheiden. Man darf nicht von vornherein sagen: Das geht gar nicht. Das Modell funktioniert sicherlich mit Einschränkungen", so der Sprecher. Eine einheitliche Meinung unter Datenschützern zu solchen Telematik-Lösungen gebe es bislang noch nicht.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sieht die genaue Erhebung und Dokumentation des Fahrverhaltens kritisch. Mit diesen Daten könnten zurückgelegte Strecken oder ein Fehlverhalten des Fahrers lückenlos rekonstruiert werden. "Wenn die Möglichkeit der Rekonstruktion dem Versicherungsnehmer sogar über ein Internet-Portal oder eine Smartphone-App eingeräumt wird, ergeben sich zusätzliche Überwachungsgefahren."

Ist der Halter der Arbeitgeber, könne er zum Beispiel detailliert den Aufenthaltsort von Außendienstmitarbeitern überwachen. Außerdem sieht Schaar die Gefahr, dass Daten - einmal gespeichert - im Rahmen von straf- oder steuerrechtlichen Ermittlungen herausgegeben werden. Problematisch sei auch, dass viele Autos von mehreren Nutzern gefahren werden und Fahrer und Halter nicht immer identisch sind.

50 Milliarden vernetzte Geräte bis 2020

Laut S-Direkt wird der Datenschutz strengstens eingehalten: "Es müssen nicht nur Maßnahmen zum Schutz des Lebens der Autoinsassen mit der innovativen Technik verknüpft sein, auch der Schutz der Fahrinformationen muss absolut sichergestellt sein", sagte Cramer.

Die Idee nutzungsabhängiger Tarife sei nicht neu, habe sich aber bisher nicht durchgesetzt, sagt Stephan Schweda vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Ein Grund: In Deutschland würden in der Kfz-Versicherung ohnehin sehr viele Merkmale zur Risikoeinstufung - und damit zur Bemessung des Jahresbeitrags - herangezogen.

Auch andere Mobilfunkanbieter wie Vodafone arbeiten derzeit an Lösungen unter dem Schlagwort Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M). Die M2M-Technik beschränkt sich allerdings nicht nur auf das Autofahren. Bis 2020 sollen weltweit 50 Milliarden Geräte über das Internet miteinander vernetzt sein, wird in der Branche erwartet.

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