Motorrad-Test:Teure Schönheit mit Zielgruppen-Problem

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Mit der Vitpilen 701 von Husqvarna fällt man auf. Ihr minimalistisches Design sticht aus der Masse heraus. (Foto: Husqvarna)

Mit der Vitpilen 701 ist Husqvarna ein Designer-Motorrad gelungen, das in keine Schublade passt. Aber einige Dinge stören - vor allem der Preis.

Von Peter Fahrenholz

Motorradfahren galt lange Zeit als uncool und irgendwie aus der Zeit gefallen. Das lag auch am Design vieler Maschinen mit ihren vielen billigen Plastikteilen und grellen Farben. Doch seit einigen Jahren hat sich das gründlich geändert. Eine Retro-Welle hat nicht nur zur Rückbesinnung auf klassische Formen geführt, sondern auch zu mehr handwerklicher Qualität, die sich in wertigen Details niederschlägt. Viele Hersteller haben erkannt, das PS-Protzerei und technische Gimmicks allein nicht ausreichen, um urbane, designaffine Käuferschichten, die das Geld dafür ausgeben können, aufs Motorrad zu locken. Inzwischen gibt es eine Menge Motorräder, die diesen Reiz bieten, oft ergänzt durch eigene Bekleidungslinien oder attraktive Zubehörprodukte.

Jetzt ist eine Marke dazugekommen, die man bisher mit urbanem Lifestyle nicht in Verbindung bringen konnte: Husqvarna. Die Motorradsparte des schwedischen Konzerns war schon 1987 verkauft worden und landete über mehrere Stationen im Jahr 2007 bei BMW. Eigentlich sollte die Marke dort die Offroad-Kompetenz der Münchner ausbauen, denn Husqvarna steht vor allem für robuste Geländemaschinen. Doch so recht glücklich wurde man bei BMW mit dem Zukauf nie, die Markenrechte wurden deshalb 2013 an KTM verkauft.

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Aber nur in der Erinnerung seiner Fans: 1984 ging der Motorradhersteller zugrunde, sonst wäre er nun 100 Jahre alt geworden.

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Die Österreicher scheinen ein glücklicheres Händchen zu haben und brachten in diesem Jahr eine Linie auf den Markt, die sich von den Enduros und Supermotos abhebt, die man bisher mit Husqvarna verbindet. Die Vitpilen 701 und ihre kleinen Schwestern Vitpilen 401 und Swartpilen 401. Die Namen sind schwedisch, wie es sich gehört, und bedeuten Weißer Pfeil und Schwarzer Pfeil.

Die Vitpilen 701 (und das gilt im Kern auch für die beiden schwächeren Modelle) ist zunächst einmal ein Designereignis. Ein Motorrad, das in keine Schublade passen will. Kein Maschine im Retro-Stil, aber erst recht kein Naked Bike mit aggressiver Ausstrahlung. Eher ein zeitloser Klassiker mit einer puristischen Optik. Als ob die Designer den Auftrag hatten, alles wegzulassen, was man zum Motorradfahren nicht braucht. Das freischwebende Heck etwa wirkt wie eine Abdeckung, bietet aber einen, wenn auch spartanischen Soziussitz. Und der Tank oder die Lampenmaske gehören zu den stilistisch gelungensten Elementen aktueller Motorradmodelle.

Einzylindermotor ohne Ruppigkeiten

Auch motormäßig sind die Entwickler einen eigenwilligen Weg gegangen: kein Zwei-, Drei- oder Vierzylinder, nein: ein Einzylinder. Dabei hat man sich aus dem Konzernregal bedient und den leistungsstarken 693-Kubik-Motor der KTM 690 Duke als Grundlage genommen. Der wurde von den Ingenieuren verfeinert und verbessert, dadurch wurde ihm das Ruppige genommen, das Einzylinder oft charakterisiert. Bei der Vitpilen 701 ist sogar ein Schaltassistent an Bord, mit dem sich die Gänge bei höheren Drehzahlen ohne Kupplung rauf- und runterschalten lassen. Bei niedrigen Drehzahlen funktioniert das nicht so gut.

Überhaupt die Drehzahlen. Die Vitpilen verlangt nach höheren Drehzahlen, sie mag nicht untertourig gefahren werden, denn dann hackt der 75-PS-Motor ziemlich bockig. Im Stadtverkehr mit seinen vielen Ampeln und Stop-and-go-Situationen ist das nicht gerade ein Genuss. Auf der Landstraße hingegen ist das nur 166 Kilo schwere Motorrad in seinem Element und wieselt handlich durch die Kurven. Wird das Tempo hingegen höher, verlangt das Einlenken in die Kurve nach einem ziemlich kräftigen Lenkimpuls.

Unkomfortabel und teuer

Das hängt auch mit dem Stummellenker zusammen, den die Entwickler der Vitpilen verpasst haben, leider, muss man sagen. Denn so sehr der tiefe Lenker die zierliche Silhouette der Maschine betont, so unkomfortabel ist die Sitzposition, die sich daraus ergibt. Zwar nicht so extrem wie bei reinen Sportmaschinen, aber eben auch nicht so lässig und bequem, wie man es bei einem Stadtflitzer gerne hätte. Und Kurzstrecken oder kleinere Tagesausflüge dürften das eigentliche Einsatzgebiet der Vitpilen sein.

Das größte Manko aber ist der Preis. 10 195 beträgt er laut Liste, das ist happig für ein Motorrad mit nur einem Zylinder. Was die Frage aufwirft, wen die Marketingstrategen bei KTM für diese sicherlich sehr wertige Maschine gewinnen wollen. Für den erfolgreichen Mittdreißiger, der es schon im Kreuz hat, ist sie zu unbequem. Und der lässige Mittzwanziger, der es noch nicht im Kreuz hat, wird sie sich nicht leisten können.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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