Mercedes Unimog:Legende fürs Gelände

Mercedes Unimog Serie 424

Unimog ist ein Kurzwort für Universal-Motor-Gerät - hier das Exemplar unserer Autorin.

(Foto: Johanna Pfund)

Sechs Zylinder, 32 Gänge und sehr viele Hebel: Der Unimog ist ein kultiger Alleskönner. Liebeserklärung an ein Nutzfahrzeug, dessen Genialität unsere Autorin schnell zu schätzen lernte.

Von Johanna Pfund

Das Lenken ist eine anstrengende Angelegenheit. Bis sich die Räder des Unimog der schweren Baureihe 424 drehen, stehen Schweißperlen auf der Stirn. Mit leichtgängiger Servolenkung hat das nichts zu tun. Aber langsam schlägt das Gefährt die gewünschte Richtung ein. Es ist laut und stinkt nach Diesel. Und jetzt nach hinten fahren: Das bedeutet, den passenden Hebel unten rechts am Boden finden, umlegen für den Rückwärtsmodus, langsam auf den Wendeplatz tuckern, Hebel mit sanfter Gewalt wieder auf vorwärts stellen, losfahren. Schon steht das Gefährt wieder auf der Forststraße, bereit, den nächsten Baumstamm zu holen.

Der Unimog, dieser Klassiker unter den Nutzfahrzeugen, ist etwas für Freunde echter Mechanik, die fünf Tonnen Maschine über unebenes Gelände klettern lassen wollen. Ein Männertraum. Aber auch Frauen können sich mit dem bulligen Gefährt anfreunden - wenn man es einmal verstanden hat.

Die Orientierung im Führerhaus ist nicht ganz leicht. Wäre gut gewesen, wenn man früher in Physik oder beim Führerschein besser aufgepasst hätte. Da die Bremse mit Druckluft funktioniert, muss das Fahrzeug erst einmal eine Zeitlang laufen, bevor genug Druck zum Lösen der Bremse vorhanden ist. Gut zu wissen. Dann: 32 Gänge, davon 16 fürs Vorwärtsfahren, die andere Hälfte fürs Rückwärtsfahren. In Sachen Geschwindigkeit ist das Modell, das von 1976 bis 1988 produziert wurde, übrigens recht flexibel: Vom Kriechgang mit 0,08 Kilometern pro Stunde bis zu 77 Stundenkilometern im Straßenbetrieb ist alles drin. Ein Energiesparer ist er natürlich nicht; so zwischen 15 und 20 Liter Diesel pro 100 Kilometer braucht das Fahrzeug mit seinem Sechszylinder-Diesel-Reihenmotor und 95 PS.

Zur üblichen Getriebeschaltung kommen dann - wie in jedem Arbeitsfahrzeug - allerhand Hebel und Knöpfe, für den Frontlader, für die Zuschaltung der Zapfwellen, mit denen Dinge wie Holzspalter oder Seilwinde betrieben werden können. Und irgendwo kann man auch, falls der Boden rutschig oder das Gelände zu steil wird, die Differenzialsperre einschalten, um das Durchdrehen der Räder zu verhindern. Nur wo? Es würde wohl nicht schaden, einige Stunden in das Lesen der Gebrauchsanleitung zu investieren, die den Umfang eines mittellangen Romans hat. Kein Wunder, das Fahrzeug kann ja so viel.

340 000 Unimogs wurden bisher verkauft

Genau diese Vielseitigkeit hatte der einstige Leiter der Flugmotorenentwicklung bei Daimler-Benz, Albert Friedrich, im Sinn, als er noch während des Zweiten Weltkriegs begann, an einem universell einsetzbaren landwirtschaftlichen Fahrzeug zu tüfteln. Anders als die damals üblichen Traktoren sollte der Unimog vier gleich große Räder und eine Ladefläche haben, Portalachsen für die Bodenfreiheit sowie Allrad und Bremsen an Vorder- wie Hinterachsen. Zudem genügend Möglichkeiten, um Geräte anzutreiben, sprich Zapfwellen. Die Spurbreite orientierte sich an der Breite von zwei Kartoffelreihen. Zehn Prototypen genehmigten die Alliierten dem Ingenieur Friedrich - und sie wussten nicht, dass sie so den Startschuss für eine Erfolgsgeschichte geben sollten. 30 Baureihen wurden bislang produziert, 340 000 Einheiten laut Daimler verkauft.

Dabei war das von Friedrich und Konstrukteur Heinrich Rößler vorgelegte Konstrukt bei der Daimler-Benz AG zunächst gar nicht so gut angekommen. Friedrich wich auf die Metallbaufirma Erhard&Söhne in Schwäbisch Gmünd aus. 1949 übernahm die Maschinenbaufirma Boehringer, und erst 1951 begann Daimler-Benz, den Unimog in Gaggenau zu produzieren. Bald schon waren die Entwickler auch vom ursprünglich geplanten Benzinmotor abgekommen und sattelten auf Diesel um. Den legendären Namen hatte Projektmitarbeiter Hans Zabel bereits im März 1946, ein halbes Jahr vor der ersten Testfahrt, geprägt: Universal-Motor-Gerät, kurz Unimog. Die weltweit große Fangemeinde kürzt das zärtlich zu "Mog" ab.

Abo auf den Titel "Geländefahrzeug des Jahres"

Bis heute ist der Unimog schwer im Einsatz. Kommunen schätzen ihn als Schneeräum- und Streufahrzeug, Wasserwirtschaftsämter nutzen ihn. Auch für militärische Zwecke wird das Fahrzeug gerne eingesetzt. Mehrmals in Folge wurde der Unimog zum Geländefahrzeug des Jahres gekürt. Und weil er nicht so einfach zu bedienen ist, gibt es schon seit 1953 ein offizielles Organ: Den Unimog Ratgeber, der später zum Unimog Journal und inzwischen zum Unimog Magazin geworden ist. Die Vorzüge des Fahrzeugs pries der Ratgeber in den Fünfzigerjahren so: "Seine Geschwindigkeit halbiert die Wegezeiten und trägt somit wesentlich zur Rationalisierung des landwirtschaftlichen Betriebs bei. Unimog-Besitzer können so ein Drittel ihrer Arbeitszeit und mehr einsparen."

Für viele seiner Besitzer ist der Unimog aber wesentlich mehr: Kult. Von den je produzierten Gefährten sind angeblich noch 70 Prozent im Einsatz - manche frisch lackiert und gut gepflegt, manche leicht verbeult und schmutzig, aber einsatzfähig. In den einschlägigen Foren im Internet gibt es Fotowettbewerbe, etwa unter dem Motto "Unimog im Forst", sowie Reparatur- und Anbauempfehlungen jeglicher Art. Offensichtlich mutiert jeder, der einen 30 Jahre alten Unimog kauft, zum eigenen Haus- und Hofmechaniker, idealerweise zum erfindungsreichen Ingenieur, der sich seine Speziallösungen selbst bastelt. Und die braucht jeder. "Fertig wird er wohl nie", schreibt ein stolzer Besitzer in einem der Foren - die übrigens reine Männersache sind.

Aber viel wichtiger: Mit Unimog gehört man einer elitären Gemeinschaft an. Seit das Fahrzeug im Hof steht, ist die Zahl der Besucher gestiegen. "Hey, ist das deiner?", fragt die Freundin der 18-jährigen Tochter. "Wow, dann bist du ja der King!" Die Nachbarin kommt vorbei und erklärt, dass sie persönlich es zwar verkraften könne, auf dieses orangefarbene, bullige und verkratzte Ding zu blicken. Aber für ihren Mann sei das viel, viel schwieriger.

Dass der Mog ein Liebhabergefährt ist, weiß man spätestens seit dem Kauf. Ein junger Mann hat das Gefährt via Ebay angeboten. Seine Mutter öffnet zum vereinbarten Termin die Tür und fällt nach der Begrüßung aus allen Wolken: "Nein, der Bub will seinen Unimog verkaufen?!", ruft sie ihrem Mann in der Küche zu. Auch der kann es nicht fassen. Drei Jahre lang hat der Sohn alles in das Ungetüm investiert, und jetzt will er es loshaben? Ja, sagt der junge Mann, der ein Sweatshirt mit Mog-Aufdruck trägt. Aber nur, um sich ein anderes Oldtimer-Nutzfahrzeug zu kaufen. Er fragt immer noch gerne nach, wie es dem Mog jetzt so geht. Danke, gut.

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